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in Tag- und Nachtschichten, immer verstärkt durch Neugeworbene aus allen Teilen des Reiches, Schwarze, Mischlinge, Weiße – alle Teile der Welt lieferten das Material – tätig waren. Rasselte auch durch den Riesenschlund des Augustus-Schachtes. Die Förderschalen von Sohle zu Sohle sausten auf und nieder, die alte nach oben, die neue Schicht nach unten bringend.

      Über Tage! Anderthalb Dutzend Förderschalen spieen die Untertagarbeiter stoßweise aus. Förderschale sieben! Der neue Maschinist trat in den Schaltraum.

      »All right!«

      »All right! Die letzte Personenfahrt oben! Gibt heute viel zu tun da drüben!«

      Der alte Maschinist deutete auf einen Riesenstapel Kisten.

      »Die Sprengstoffmagazine unten werden frisch aufgefüllt.«

      »Weiß! Komme von unten!«

      »Von unten?« fragte der.

      »Von unten! War vor Ort! Bin schon eine Woche hier und benutzte die doppelte Feierschicht, mal runterzufahren und mir die Arbeiten anzusehen.«

      »Was ist da zu sehen? Bin schon seit Monaten hier und war noch nicht unten. Was die von unten mir erzählten, genügt mir längst. Dreck, Staub, Hitze, der ekelhafte Karbidgestank … trotz aller Bewetterung.

      Danke! Sagtest du nicht, du kämst aus den südafrikanischen Minen?

      Mußt es doch kennen, wie’s unten aussieht.«

      Der andere nickte. »Dort gingen wir auf Zinn, hier auf Karbid. Es ist doch was anderes.«

      »Was anderes? Zinn ist besser. War auch da unten. War da vor Ort, bis mir ein Brocken den Fuß brach. Weshalb kommst du hierher?«

      Der andere machte mit den Fingern die Bewegung des Geldzählens.

      »Mehr Lohn! Außerdem hab’ ich genug von den verdammten Weißhäuten. Fehlt nur noch die Peitsche, dann war’s da wie früher.

      Schwarze Hunde. Leute wie wir beide … Mischlinge … nicht viel mehr!«

      Der nickte.

      »Verflucht die weiße Bande! Der zerschlagene Fuß allein war’s auch nicht bei mir. Dieser Hochmut, dieser Gottverfluchte, der alle Andersfarbigen als Vieh behandelt. Mein Herr Vater war auch ein Weißer …«

      Er lachte bellend.

      »Meine Mutter schwarz, ihm ehelich angetraut. Jefferson heiß’ ich … schwarz auf weiß steht’s in meinen Papieren. Und doch: Die Farbe tat’s.

      Meiner Mutter Blut war wohl besser gewesen. Sie stempelte mich zum Vieh. Aber!«

      Er hob drohend seine Rechte. »Der Kaiser! Unser Kaiser … er wird sie lehren, er wird’s ihnen beibringen, ob sie wollen oder nicht!«

      Er beugte sich nach dem anderen hin.

      »Krieg!« zischte es durch seine Lippen. »Krieg! Täglich warte ich darauf, daß es losgeht. Ha! Wäre der Fuß gesund, wie gerne ginge ich da mit. Du … du wirst mitgehen, du bist gesund. Ha, ich beneide dich darum. Warst du Soldat?«

      Der andere nickte.

      »Wohl gar bei denen da unten?«

      Der andere nickte wieder.

      »Um so besser! Freust du dich nicht auch?«

      »Was fragst du? Ich werde dabei sein. Wär’s nur erst soweit, daß ich zeigen kann, was …«

      »Förderschale sieben!«

      Das Telefon schrie durch den engen Raum.

      »Geh ran! Du wirst Arbeit kriegen. Die ganze Schicht wird kaum reichen, um die Lasten nach unten zu bringen.«

      »Förderschale sieben!« schrie der andere ins Telefon.

      »Sprengstoffahrt! Schale für alle anderen Lasten gesperrt!«

      Der Maschinist wiederholte den Befehl, gab ihn weiter nach unten.

      Er drehte sich um. Die alte Schicht war hinausgegangen. Er setzte sich auf den Schemel neben dem Schalthebel, zog eine kurze Pfeife aus der Tasche und setzte sie in Brand. Die Pfeife! Vor Wochen auf dem Alsterdamm … War’s da nicht dasselbe alte verräucherte Stück gewesen, das Klaus Tredrup sich in der Tür des Hamburgischen Kuriers zwischen die Zähne gesteckt hatte? Wieder einmal eine Etappe deines Lebens vorbei, hätte er jetzt sagen können, wenn er sich der Worte von damals erinnert hätte.

      Klaus Tredrup … William Field jetzt, Minenarbeiter aus Südwestafrika, Maschinist, Lageraufseher, Bohrmeister. Alle Beschäftigungen, die der Bergbau umfaßt, er hatte sie vorgebracht, als er sich bei dem Agenten Grimmauds meldete, der mehr als woanders in Südafrika nach neuen Arbeitern suchte. Hier natürlich nicht nach Weißen, sondern nach Mischlingen. Die beste Empfehlung war es, Mischling aus Südafrika zu sein. Der Hass gegen die Weißen, bei denen war er selbstverständlich, war es mehr als bei den Schwarzen. Mehr als diese haßten die Mischlinge die Weißen.

      Früher war dies anders gewesen. Bis die Weißen anfingen, immer schärfer gegen die Vermischung der Rassen zu arbeiten, bis schließlich die Produkte dieser Mischung schlechter angesehen wurden als die reinen Schwarzen.

      Er zog einen kleinen Taschenspiegel hervor und besah sein Bild.

      Lachte … »Gut gemacht, Herr Doktor im Laboratorium! Keine Theaterschminke!«

      Schöne gute Säure hatte der Chemiker auf Tredrups Fell gepinselt.

      »Dauerhaft, nicht abwaschbar, nur chemische Reinigung, Herr Tredrup, wird Ihren alten Adam wieder erstehen lassen«, hatte er grinsend gesagt, als er den letzten Pinselstrich tat.

      »Gebe Garantie, Sie können unbesorgt sein.«

      Seit acht Tagen war Tredrup hier. Die weite Reise von Norden hierher war noch weiter geworden durch den Umweg, den er über Swakopmund hatte nehmen müssen. In den Uhlenkortschen Minen mußte – das war nicht ganz leicht – der passende Mann gefunden werden, der bereit war, seine Papiere abzugeben. Das Signalement mußte genau stimmen. Die geheime Polizei des Kaisers hatte ihre Fühler über den ganzen Kontinent ausgestreckt. Schachtarbeiter zu werden: nur zehnmal Gesiebten gelang es.

      Tredrup saß, die Rechte mechanisch um den Schalterhebel geklammert, mit der Linken den Hörer am Ohr. Jede Minute konnte die Arbeit beginnen. Er kannte die umständlichen Vorsichtsmaßregeln, mit denen die Sprengstofftransporte nach unten gingen. Er wartete. Sein Ohr hörte das Rollen der Loren, die Kisten um Kisten des Sprengstoffs heranbrachten, abluden, weiterfuhren. In der einen Schicht wird es kaum zu schaffen sein, hatte der andere gesagt. Im Geist überschlug er die Zahl und das Gewicht der Kisten. Ungeheuerlich, was da nach unten ging. Und die Zahlen türmten sich vor ihm auf, immer größer, größer werdend, zu einem Turm. Vor drei Tagen war er im Ingenieurbüro gewesen. Er hatte warten müssen. Eine Tafel an der Wand hatte seine Neugierde erregt. Ein geologisches Profil des Schachtes in großem Maßstabe. Sein Blick ging zu den Stellen am Fuß des Schachtes. Zur Sprengkammer.

      Er überlegte lange, zuckte die Achseln. Zu oft hatte er schon daran gedacht. Sein Auge lief die Profilkarte empor. Sein Hirn aufs äußerste gespannt … Da! Achthundert Meter unter Tage die Riesenwasserader!

      Es war vor seiner Zeit, als man sie beim Schachtbau anbohrte, nach langen Kämpfen überwand. Wie magnetisiert hafteten seine Augen an der Stelle. An ihr vorüber lief eine Förderung … Förderung Nummer sieben. Wie ein Blitz durchzuckte es ihn. Fast wäre er zurückgetaumelt.

      Hier war die Stelle, wo der Riesenbau am leichtesten verwundbar war.

      Seine Gedanken waren weitergegangen, setzten Glied an Glied, bis die Kette fertig war. Achtzehn Förderschalen im Ring des Schachtes. Schale sieben, die den Transport besorgte. Sieben die Zahl … Glückszahl. Auf der Fahrt von Spitzbergen anfangend bis hier zum Schacht hatte er alle Möglichkeiten, wie er es tun könnte, tausendfach erwogen, die unmöglichsten Pläne gewälzt.

      Was hatte er damals instinktiv gerufen: Unmöglich! Unmöglich! In immer größerer Deutlichkeit war es ihm zu Bewußtsein

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