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Die zentrale Tragödie, die ich inzwischen schätzen gelernt habe, nahm ich damals kaum wahr; was mich bezauberte, war der Künstler in Peking mit seiner elfenbeinernen Stirn und seinen blassen Händen, die Zypresse im Garten der Königin, der Rückblick auf Rustums Jugend, die Trödler aus Kabul, die Stille der chorasanischen Wüste. Arnold vermittelte mir sofort (und in seinen besten Werken tut er das heute noch) ein Gefühl nicht eigentlich einer leidenschaftslosen Vision, sondern eines leidenschaftlichen, stillen Schauens von Dingen in weiter Ferne.

      Und hier lässt sich beobachten, wie Literatur tatsächlich wirkt. Papageienkritiker sagen, Sohrab sei ein Gedicht für Klassizisten, das nur der würdigen könne, der die homerischen Anklänge wahrnehme. Doch als ich in Octies Klassenzimmer saß (Octie sei dafür gesegnet), da wusste ich nichts von Homer. Für mich funktionierte die Beziehung zwischen Arnold und Homer umgekehrt: Als ich Jahre später die Ilias las, lag ihr Reiz für mich teilweise darin, dass sie mich an Sohrab erinnerte. Es spielt also offensichtlich keine Rolle, an welcher Stelle man in das Gefüge der europäischen Dichtung eindringt. Man muss nur die Ohren offen und den Mund geschlossen halten und man wird schließlich von jedem Punkt aus an alle anderen Punkte gelangen – ogni parte ad ogni parte splende.

      Als mein erstes und einziges Trimester in Campbell etwa zur Hälfte verstrichen war, wurde ich krank, und man brachte mich nach Hause. Aus Gründen, die mir nicht vollständig bekannt sind, war mein Vater nicht mehr zufrieden mit der Schule. Zudem erschienen ihm Berichte über eine Preparatory School in der Stadt Wyvern, die allerdings mit dem Wyvern College nichts zu tun hatte, verlockend; besonders der praktische Umstand, dass mein Bruder und ich die Reise wieder gemeinsam machen könnten, wenn ich dorthin ging. Also verbrachte ich sechs selige Wochen zu Hause, mit der Aussicht auf die Weihnachtsferien am Ende und auf ein neues Abenteuer danach.

      In einem erhalten gebliebenen Brief schreibt mein Vater an meinen Bruder, dass ich mich glücklich schätze, er aber fürchte, ich werde mich „sehr einsam fühlen, bevor die Woche um ist“. Es ist merkwürdig, dass er, der mich mein ganzes Leben lang kannte, so wenig über mich wusste. In jenen Wochen schlief ich in seinem Zimmer und war so während der meisten jener dunklen Stunden, in denen allein die Einsamkeit für mich schrecklich war, von der Einsamkeit befreit. Da mein Bruder nicht da war, konnten wir uns nicht gegenseitig zu Unfug anstiften; deshalb gab es auch keine Reibereien zwischen meinem Vater und mir. Ich erinnere mich an keine andere Zeit in meinem Leben, in der unsere gegenseitige Zuneigung so ungetrübt war; wir hatten es herrlich behaglich zusammen. Und wenn er tagsüber außer Haus war, zog ich mich mit völliger Zufriedenheit zurück in eine tiefere Einsamkeit, als ich sie je gekannt hatte. Das leere Haus, die leeren, stillen Zimmer waren nach dem lärmenden Gedränge in Campbell wie ein erfrischendes Bad für mich. Ich konnte nach Herzenslust lesen, schreiben und zeichnen.

      Eigenartigerweise ist mir hauptsächlich aus dieser Zeit, nicht aus der frühen Kindheit, die Freude an Märchen in Erinnerung. Ich verfiel völlig dem Zauber der Zwerge – der alten Zwerge mit ihren leuchtenden Kapuzen und schneeweißen Bärten, die wir in jenen Tagen hatten, bevor Arthur Rackham die Erdleute veredelte oder Walt Disney sie vulgarisierte. Ich stellte sie mir so intensiv vor, dass es schon fast an Halluzination grenzte; als ich einmal im Garten spazieren ging, war ich eine Sekunde lang nicht ganz sicher, ob nicht einer der kleinen Männer gerade an mir vorbeigerannt und in den Büschen verschwunden war. Ich war leicht beunruhigt, aber mit meinen nächtlichen Ängsten war das nicht zu vergleichen. Die Wächter an der Straße ins Feenland jagten mir keine solche Furcht ein, dass ich sie nicht hätte meistern können. Niemand ist feige in allen Dingen.

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