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hast in der ersten Stunde Biologie bei Frau Rehmer. Sie weiß Bescheid, dass wir dich heute erwarten. Ach ja, und komm heute nach der sechsten Stunde ins Lehrerzimmer, damit du deine Schulbücher abholen kannst.«

      Wieder sagte ich nichts, was sie glaube ich etwas wütend machte. Aber auch das war mir egal.

      »So, da sind wir.« Sie blieb vor einer roten Tür stehen und als sie klopfte, rutschte mir mein Herz fast in die Hose.

      »Herein«, ertönte es hinter der Tür.

      Mein Körper fing an zu beben und ich schwitzte noch mehr, als gerade beim Kofferschleppen.

      Frau Lamin öffnete die Tür und wir betraten das Klassenzimmer.

      »Guten Morgen, Frau Lamin«, sangen die Schüler im Chor, während von ihr nur ein knappes und wenig freundliches Guten Morgen zurückkam.

      »Ich habe euch jemanden mitgebracht.«

      Alle Augen richteten sich auf mich und ich sah schnell zu Boden. Ich erwartete sofort Gelächter oder zumindest Getuschel, schließlich kannte ich es nicht anders, aber nichts dergleichen geschah.

      Trotzdem blickte ich auch weiter nicht auf.

      »Komm doch bitte zu mir«, hörte ich die Lehrerin sagen und wagte es, sie jetzt doch anzusehen. Sie winkte mich zu sich. Dabei lächelte sie und es wirkte ehrlich. Sie war vielleicht Anfang fünfzig, sah aber trotzdem hübsch und vor allem irgendwie gütig aus. Das Gegenteil von Frau Lamin.

      Ihre langen roten Haare fielen ihr locker um die Schultern und sie musterte mich interessiert aus ihren blaugrauen Augen, während ich nervös zu ihr an die Tafel trat.

      »Gut, ich verabschiede mich dann mal«, meinte Frau Lamin und verließ den Raum.

      »Ich bin Frau Rehmer, deine Biologie- und Erdkundelehrerin«, stellte sich die Rothaarige vor und schüttelte mir sogar die Hand.

      »Willst du dich vielleicht auch kurz der Klasse vorstellen?«

      Nein, mit Sicherheit nicht!

      Ich nickte und richtete meinen Blick tapfer auf die Schüler. Wer von den Jungs war wohl dieser Cody? Falls er überhaupt in meine Klasse ging.

      Entschlossen holte ich tief Luft. »Ich heiße Clarissa Sommer und bin siebzehn Jahre alt.« Das war alles, was mir einfiel.

      Fünfzehn neugierige Augenpaare musterten mich erwartungsvoll, was meinen Puls ziemlich in die Höhe schießen ließ.

      »Schön Clarissa, und wo kommst du her und wieso bist du hier?«, half mir Frau Rehmer.

      »Ich komme aus Fahrendsberg und bin hier, weil … äh, weil …« Unsicher starrte ich wieder den Fußboden an und ballte meine rechte Hand zur Faust. »Ich bin hier, weil mein Vater meinte, dass ich meine Noten aufbessern sollte«, log ich schließlich.

      »Und was machst du so in deiner Freizeit?«

      Das war leicht. »Ich zeichne gern.«

      »Eine schöne Sache, aber nur solange du dafür nicht meinen Unterricht nutzt, so wie Cody das immer macht, nicht wahr, Cody?«, sagte sie in einem mahnenden, aber doch freundlichen Ton und sah dabei zu einem Jungen hinüber, der seinen Bleistift gerade in diesem Augenblick über einem Blatt Papier schweben ließ. Sein Tischnachbar, stupste ihn mit seinem Ellenbogen leicht in die Rippen. Als der seinen Blick hob, wirkte er ziemlich desinteressiert.

      Währenddessen hoffte ich, dass niemand mitbekam, dass ich knallrot geworden war. Der Typ sah, um es in einem Wort zu beschreiben, göttlich aus. Seine kurzen, fast schwarzen Haare, umschmeichelten sein kantiges Gesicht, und seine wunderschönen dunkeln braunen Augen verursachten sofort ein heftiges Kribbeln in meinem Magen.

      »Dann setz dich doch bitte dort hinten hin, Clarissa. Neben Laura.«

      Frau Rehmer zeigte auf einen freien Stuhl neben einem etwas korpulenten Mädchen mit roten Locken, das eine große Nerdbrille trug.

      So geräuschlos wie möglich, schlängelte ich mich zu dem Platz.

      Gleich nachdem ich mich gesetzt hatte, verirrte sich mein Blick wieder zu diesem Cody. Er war ziemlich groß und seinem muskulösen Körperbau nach, musste er viel Sport treiben. Jedenfalls hatte er das typische Aussehen eines Mädchenschwarms, wie man es aus amerikanischen High-School-Filmen kannte. Nur noch heißer.

      Ich war so in Gedanken versunken, dass ich es erst gar nicht schnallte, dass wir Augenkontakt hatten, vielleicht lag es daran, weil er keine Miene verzog.

      Mit glühenden Wangen wandte ich mich hastig ab. Zur Ablenkung wollte ich meine Sachen herausholen, nur hatte ich gar keine dabei. Nicht mal eine Tasche. Seufzend wandte ich mich wieder nach vorn. Doch auch den Rest der Stunde, konnte ich nicht verhindern, dass ich den Jungen immer wieder ansehen musste. Und mit jedem weiteren Blick brannte sich immer mehr die bittere Erkenntnis in meinen Kopf, dass ich niemals eine Chance bei ihm haben würde.

      Ich verwettete insgeheim sogar meinen Zeichenblock darauf, dass er schon eine Freundin hatte. Oder mehrere?

       Kapitel 5

      Nach der sechsten Stunde suchte ich verzweifelt das Lehrerzimmer, um meine Bücher abzuholen. Mit meinen Gedanken war ich allerdings immer noch ganz woanders. Sie wechselten ständig zwischen meinem Vater und Cody hin und her.

      Es war ziemlich ungewohnt auf den Schulgängen nicht doof angeguckt oder Psycho genannt zu werden. Hätte in mir nicht so ein Gefühlschaos getobt und ich nicht diesen bekloppten Auftrag gehabt, hätte ich mir sogar gut vorstellen können, hier glücklich zu werden.

      Ich traute mich sogar, jemanden nach dem Weg zu fragen, um nicht weiter sinnlos herumzuirren. Als mir ein blondes Mädchen entgegenkam, von der ich glaubte, sie ginge in meine Klasse, sprach ich sie an. »Ha-hallo, ich bin neu hier und suche das Lehrerzimmer«, stotterte ich.

      »Ja und?«

      »Könntest du mir vielleicht sagen, wo es ist?«

      »Im Schulgebäude.«

       Super. Vertraue nie wieder auf dein Gefühl, Lissa.

      »Okay, aber wo genau?« Mein erwartungsvoller Blick ruhte auf ihrem genervt aussehenden von Schminke übermaltem Gesicht.

      »Wo? Seh ich etwa aus wie google maps?«, zickte sie.

      »Nein … ähm … schon gut, ich werde es schon finden.« Was für eine Bitch! Hätte ich sie mal lieber nicht gefragt. Und so eine ging auch noch in meine Klasse.

      Hastig huschte ich an ihr vorbei. Ich suchte lieber allein weiter. Irgendwann würde ich das Büro schon finden.

      Nachdem ich schon gefühlte zwanzig Kilometer durch die Schule gelaufen war, stand ich endlich vor einer Tür, auf der Lehrerzimmer stand. Als ich meine Hand schon auf der Klinke hatte, ging die Tür auf und Frau Rehmer stand vor mir.

      »Ah, Clarissa, du bist bestimmt wegen deiner Bücher hier.«

      Ich nickte.

      »Schön, dann komm mal mit.«

      Es war fast unmöglich, mit ihr Schritt zu halten, als sie das Lehrerzimmer mit dem langen Tisch und einer Teeküchenecke durchquerte. Für ihr Alter hatte sie nämlich ein ziemliches Tempo drauf.

      Wir betraten den Raum, der hinter dem Lehrerzimmer lag, eine Art Lager. Aus einem der Regale nahm sie einen Stapel Bücher und übergab ihn mir. Auf dem obersten Buch, einem Geschichtsbuch, klebte ein Memozettel mit meinem Namen.

      »Kannst du die alle tragen?« Sie sah mich besorgt an.

      »Ja, wird schon gehen«, murmelte ich und biss die Zähne zusammen. Die zehn Bücher waren nämlich schwerer als ich mir eingestehen wollte.

      Nachdem ich das Lehrerzimmer wieder verlassen hatte, musste ich erst überlegen, wie ich jetzt am schnellsten zu meinem Zimmer kam. In dieser Schule mussten dringend Schilder angebracht werden.

      Während ich nach etwas Bekanntem

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