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mit einem erschrocken-entschuldigenden Blick, während ich aufsprang.

      Ich musste hier schnellstens raus, sonst würde ich mich mitten in der Cafeteria übergeben. Mein Pech war nur, dass ich in meiner Hektik nicht auf meine Umgebung achtete. Ich stieß gegen jemanden, es schepperte und ein Tablett, ein Löffel und eine Portion Milchreis samt Teller flogen durch die Luft. Vor Panik blieb mir das Herz stehen, als alles auf den Boden krachte. Ich starrte mit offenem Mund Jessica an, von deren rosa Shirt Milchreis tropfte, und die mich ihrerseits aus zusammengekniffenen Augen fixierte. Wenn Blicke töten könnten, wäre ich sofort umgefallen.

      »Sag mal spinnst du?«, schrie sie empört.

      Ich fühlte, wie sich der Würgereiz in meinem Hals verschärfte. »Sorry.« Schnell presste ich mir die Hand auf den Mund und stürzte an ihr vorbei Richtung Ausgang. Für sie musste es so aussehen, als würde ich mich vor ihrem Wutausbruch drücken, aber wenn sie den wahren Grund für mein Verschwinden gekannt hätte, wäre sie mir bestimmt dankbar gewesen, dass ich nicht vor ihr stehen geblieben war. Mir war so schlecht, dass es nur eine Frage der Zeit war, bis ich brechen musste.

      Kaum hing mein Kopf dann auch über der Toilettenschüssel, sprudelte es auch nur so aus mir raus. Am liebsten wäre ich gestorben, so übel war mir.

      Irgendwann ging es wieder. Ich wischte mir den Mund mit Klopapier ab, warf es in die Toilette und spülte. Ich hatte die Hand gerade an der Klinke der Kabinentür, als die Eingangstür des Toilettenraums mit einem Knall aufflog und ich die wütende Stimme von Jessica erkannte. Erschrocken zuckte ich zurück.

      »Wie kann diese Göre es nur wagen, mich so zu behandeln?«, keifte sie. »Wenn ich die erwische, ich schwöre es euch, dann war das ihr letzter Tag hier auf der Läresson. Wie kann man nur so wenig Respekt vor mir haben?«

      »Was hast du denn mit ihr vor?«, fragte eine ihrer Freundinnen schadenfroh. Es klang nach Juliet.

      »Ich bin mir noch nicht so sicher, aber auf jeden Fall wird sie dafür büßen!«, zischte Jessica böse. »Gib mir mal Taschentücher, Rachel. Ich muss diesen Scheiß irgendwie von meinem Shirt kriegen.«

      Ich hörte wie das Wasser angedreht wurde und wagte endlich wieder normal zu atmen, denn bei Jessicas Drohung hatte ich entsetzt die Luft angehalten. Ich hätte mich gerade glatt ein zweites Mal übergeben können. Was war, wenn mir Jessica den ganzen Plan mit Cody vermasselte?

      Nachdem Jessica anscheinend die schlimmsten Spuren meiner Ungeschicklichkeit beseitigt hatte, verließ sie immer noch schimpfend mit ihren Freundinnen den Toilettenraum.

      Ich wartete noch ein paar Sekunden, bevor ich mich aus meinem Versteck herauswagte und mir endlich die Hände waschen konnte.

      Danach huschte ich schnell in mein Zimmer hoch. Ich hatte eine Nachricht von Laura auf meinem Handy, die sich noch einmal für den Saft entschuldigte und fragte, wie es mir ging. Ich beruhigte sie, aber als sie anbot, vorbeizukommen, lehnte ich ab. Ich hatte noch jede Menge Hausaufgaben und absolut keinen Bock auf irgendwelche Strafarbeiten für nichtgemachte Aufgaben.

      Also setzte ich mich an den Schreibtisch. Allerdings war der Unterrichtsstoff an der Läresson viel schwieriger, als auf meiner alten Schule. Allein die Aufgabenstellung musste ich mehrmals lesen, um überhaupt zu kapieren, um was es ging. Ich war gerade kurz davor eine Matheaufgabe zu lösen, als es an meiner Zimmertür klopfte.

      Ich sah auf die Uhr und staunte nicht schlecht, wie schnell die Zeit vergangen war. Gut eine Stunde saß ich schon an diesen verdammten Hausaufgaben und war noch nicht wirklich weit gekommen. Vielleicht lag es auch einfach daran, dass meine Gedanken ganz woanders waren.

      Es war glücklicherweise nicht Jessica, sondern Isabelle, die eintrat, als ich »Herein« rief. Diesmal trug sie eine Brille. Unter dem Arm hatte sie einen riesigen Ordner geklemmt. »Na du«, begrüßte sie mich und lächelte freundlich.

      Ich lächelte leicht verwundert zurück. »Hey.«

      »Ich wurde geschickt, um mich vorzustellen.«

      »Ich kenn dich doch schon.« Ich lachte etwas unsicher, weil ich nicht wusste, ob sie das jetzt ernst meinte.

      »Als Vertrauensschülerin vorstellen«, korrigierte sie sich.

      »Vertrauensschülerin? Ich kenne nur Vertrauenslehrer.«

      »Auf der Läresson ist halt alles anders. Die Lehrer finden Vertrauensschüler besser, da die Schüler lieber mit Leuten in ihrem Alter reden, anstatt mit Erwachsenen«, erklärte sie mir.

      Da hatte sie recht. »Ach so, setz dich doch.« Ich deutete aufs Bett, während ich mich im Stuhl niederließ.

      Sie nahm Platz und sah mich schmunzelnd an. »Wieso hast du Jessica heute in der Cafeteria eigentlich das Essen über ihr Outfit geschüttet?«

      Ich spürte wie ich rot wurde. Das war mir ziemlich unangenehm. Vor allem Isabelle gegenüber. Ich wollte nicht, dass sie etwas Falsches von mir dachte. »Das war keine Absicht, ich hatte sie nicht gesehen«, verteidigte ich mich.

      »Okay. Na ja auf jeden Fall, bin ich aus diesem Grund leider auch hier.«

      Ich runzelte die Stirn. Hatte es sich schon so schnell herumgesprochen?

      »Jessica hat dich leider beim Schulsekretariat verpetzt und als Strafe musst du morgen Nachmittag beim Gärtnern helfen.«

      Ich stöhnte und sank noch tiefer in den Stuhl. »Na super!«

      »Tut mir leid für dich.«

      Ich schüttelte den Kopf. »So schlimm wird es schon nicht werden.«

      »Wirst du dann ja morgen erfahren«, meinte sie, während sie den großen Ordner auf meinem Bett ausbreitete und mir einen Zettel gab, auf dem eine Uhrzeit und ein Ort standen. »Du musst morgen um sechszehn Uhr im Hinterhof sein«, erklärte sie mir zusätzlich. »Dort wirst du auf Herrn Albert, den Hausmeister stoßen. Er ist ein kleiner kräftiger Mann mit grauem Bart und wird dir zeigen, was du alles zu erledigen hast«, Isabelle holte tief Luft, »aber keine Angst, du wirst dort mit Sicherheit nicht die Einzige sein.«

      Hoffentlich hatte Jessica ihre Hausaufgaben in Mathe schon gemacht, nicht dass sie morgen auch noch Strafarbeiten machen musste. Das wäre das Letzte was ich gebrauchen konnte.

      »Ähm … Isabelle?«

      »Ja?« Sie blickte mich erwartungsvoll mit ihren leuchtend blauen Augen an.

      »Wie lange dauert denn diese Gartenarbeit und weißt du eventuell auch schon, wer morgen alles Strafdienst machen muss? Ich meine, so als Vertrauensschülerin?«

      »Also ich weiß nur, dass es meistens ein bis zwei Stunden geht, aber wer sonst noch arbeiten muss, weiß ich nicht.«

      Ich nickte.

      Sie stützte sich an der Bettkante ab und stand auf. »Na gut, ich muss dann mal wieder los.«

      »Bis nachher beim Abendessen«, rief ich ihr noch hinterher.

      Kaum war sie draußen, klingelte etwas in meiner Tasche. Hektisch durchwühlte ich sie. Es war nicht mein eigenes, sondern das altmodische Tastenhandy, das ich von dem unheimlichen Kerl bekommen hatte, der meinen Vater gefangen hielt.

      Unbekannt stand auf dem Display.

      Mit mulmigem Gefühl nahm ich den Anruf an. »Hallo?« Meine Hände und Stimme zitterten.

      »Ich bin es«, ertönte eine dunkle Stimme.

      »Wer?« Ich stellte mich dumm, in der Hoffnung, dass er mir aus Versehen vielleicht seinen Namen verraten würde.

      »Netter Versuch«, meinte die Stimme, »aber ich verrate dir meinen Namen nicht.« Es herrschte Stille, bis der Entführer fragte: »Und? Wie läuft es mit Cody? Hast du ihn schon angesprochen?«

      Auch wenn er es nicht sehen konnte, schüttelte ich traurig den Kopf. »Noch nicht ganz …«

      »Dann beeil dich mal lieber. Du hast nicht ewig Zeit, schließlich hängt das Leben deines Vaters davon ab.«

      Ich

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