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im Forum ans schwarze Brett, damit ihr alle sehen könnt, welche Rolle euch das Schicksal zugeteilt hat. Am kommenden Donnerstag gibt es keinen Unterricht, aber ihr solltet die Zeit bis in vierzehn Tagen nutzen und schon mal euren Text lernen.«

      »Wieso sagen Sie uns nicht einfach jetzt unsere Rollen?«, fragte Laura verwundert.

      »Weil es so heute nur noch mehr Unruhe geben würde«, sagte sie und sah Jessica scharf an.

      Erneut kam Gemurmel auf. Einige versuchten Frau Lamin umzustimmen, ihnen gleich zu verraten, wer wen spielen würde. Doch sie blieb hart. Es wurden noch einige organisatorische Dinge besprochen, dann erklärte die Direktorin die Unterrichtseinheit für beendet.

       Kapitel 9

      Ein letzter Blick in den Spiegel genügte, um mir sicher zu sein, dass das Outfit perfekt fürs Gärtnern geeignet war. Eine graue Hose mit zwei Löchern, eine schwarze, etwas ältere Strickjacke und dazu abgenutzte Sneakers. Zwar nicht gerade schön, aber dafür bequem und es wäre nicht schlimm, wenn die Sachen schmutzig wurden oder kaputtgingen.

      Ich hielt den Stiel der Haarbürste mit den Lippen fest und band mir meine Haare zu einem Pferdeschwanz zusammen. Ich legte die Bürste auf den Waschbeckenrand und ging ins Zimmer. Die Uhr über dem Schreibtisch zeigte zehn vor vier. Noch zehn Minuten. Gut, dass die Theater-AG heute früher geendet hatte, sonst hätte ich es wohl kaum geschafft, mich umzuziehen.

      Ich öffnete die Zimmertür und zischte die Stufen hinunter. Mitten auf der Treppe wurden meine Schritte langsamer, doch nicht, weil da so ein Gedränge herrschte durch das ich nicht hindurch konnte, sondern weil ich erst mal überlegen musste, wo noch mal der Hinterhof war. Das Einzige woran ich mich erinnern konnte, waren die wunderschönen Blumen und der große Wald, der leider durch einen unüberwindlichen Zaun abgegrenzt wurde.

      Nachdem ich das Ende der Treppe erreicht hatte, blieb ich stehen und lehnte mich gegen das Geländer. Ich hatte keine Ahnung, was ich nun machen sollte. Hier war niemand weit und breit zu sehen, den ich nach dem Weg hätte fragen können. Nervös blickte ich auf eine Uhr, die gegenüber von mir an der Wand hing. Noch sieben Minuten! Ich hüpfte von der letzten Stufe und stieß gegen einen kleinen, kräftigen Mann, der wie ein grimmiger Gartenzwerg aussah und gerade um die Ecke gebogen war. Er guckte mich böse an.

      »Oh, äh, tut mir leid, ich habe Sie nicht gesehen.«

      Er musterte mich immer noch nicht viel freundlicher. »Bist du neu?«

      Seine tiefe Stimme passte zu ihm.

      »Ja«, piepste ich.

      »Musst du bei Herrn Albert gärtnern?«

      Wahrscheinlich hatte er das aufgrund meiner Klamotten erraten.

      Ich nickte.

      »Komm mit.«

      Als wir draußen im Hinterhof waren, atmete ich den frischen Frühlingsduft der Blumen tief ein. Ein Glück, dass es nicht regnete. Die Sonne strahlte auf meine Haut, sie kribbelte angenehm. Es war ein tolles Gefühl.

      Erst jetzt bemerkte ich, dass wir auf einen Schuppen zusteuerten, vor dem bereits einige Schüler warteten. Ich wurde langsamer, als ich Cody unter ihnen erkannte. Er lehnte lässig neben der Schuppentür.

      Der Mann, der mich hergeführt hatte, holte eine Liste heraus und ratterte die Namen in alphabetischer Reihenfolge herunter, um zu gucken, dass auch alle da waren.

      Erst jetzt kapierte ich, dass er Herr Albert war.

      »Gut, alle da«, stellte er zufrieden fest und schloss die Tür des Schuppens auf, um jedem von uns eine Schaufel in die Hand zu drücken. »Ihr habt Glück. Heute habt ihr nicht allzu viel zu tun. Ihr müsst nur die verwelkten Blumen ausbuddeln und die neuen da einpflanzen.« Er zeigte auf die Blumenstauden, die im Schuppen aufgereiht standen. »Wenn ihr damit fertig seid, nehmt ihr euch eine der Gießkannen, die ich hier für euch hinstellen werde und wässert die Pflanzen anständig. Alles so weit klar, oder gibt es noch Fragen?«

      Wir nickten alle.

      Es mussten viel mehr Leute Strafarbeiten machen, als ich gedacht hatte. Am meisten interessierte mich aber, was wohl Cody ausgefressen hatte.

      Ungeschickt hämmerte ich kurz darauf die Schaufel in eine Blume, die kaputt aussah und versuchte sie auszugraben. Das war gar nicht so einfach wie ich es mir vorgestellt hatte. Die Erde war hart und deshalb sehr schwer umzugraben. Außerdem hatte ich so etwas noch nie gemacht. Natürlich ließ ich mir nicht anmerken, wie schwer es wirklich war und schaufelte mühsam weiter.

      Nach einigen Minuten fing mein Rücken an zu schmerzen und ich musste mich strecken. Dabei fiel mein Blick auf Cody. Er war verdammt schnell, als wenn ihm die ganze Arbeit nichts ausmachen würde und die Erde weicher, leichter Sand wäre. Offenbar war er aber der Einzige, der damit keine Schwierigkeiten hatte. Die anderen hatten genauso Probleme mit dem Boden wie ich.

      Wie erwartet, arbeitete Cody an einer Stelle weit von uns anderen entfernt. Mir fiel auf, dass er immer wieder auf seine Armbanduhr sah, so als hätte er noch einen Termin. Legte er sich deshalb so ins Zeug?

      Meine Augen kleben förmlich an ihm, sodass ich meine Arbeit dabei völlig vergaß. Völlig weggetreten beobachtete ich ihn und seine beeindruckenden Armmuskeln, die sich bei jedem Schaufelgriff anspannten. Das sah echt sexy aus.

      Davon so abgelenkt, bemerkte ich erst gar nicht, dass auch Cody mich ziemlich verwundert betrachtete. Als wir dann plötzlich Augenkontakt hatten, schaute ich hastig weg.

      Mann, war das peinlich. Ich bückte mich hastig, damit er meine glühenden Wangen nicht sehen konnte, und riss mit den Fingern eine der verblühten Pflanzen aus der Erde. Ich war sogar zu blöd, einen Jungen zu beobachten, ohne dass er es mitbekam.

      Die nächsten zehn Minuten konzentrierte ich mich deshalb einzig und allein auf meine Arbeit. Als ich mich wenig später dann wieder etwas sicherer fühlte, spähte ich erneut zu Cody rüber. Diesmal aber vorsichtiger!

      Er war gerade mit dem Gießen seines Blumenbeets fertig geworden. Er ging zu Herrn Albert und gab seine Kanne ab.

      »Gute Arbeit, Arrington«, lobte er Cody.

      Dieser nickte bloß und entfernte sich Richtung Schulgebäude. Doch anstatt hinein zu gehen, schaute er sich unauffällig um und prüfte anscheinend, ob ihn jemand beobachtete. Dabei bemerkte ich aus dem Augenwinkel, dass er ganz besonders auf mich fokussiert war, was mir ziemlich unangenehm war. Ich tat so, als würde ich ganz normal an meinem Beet weiterarbeiten und gar nicht auf ihn achten. Nachdem er sich offenbar unbeobachtet fühlte, bog er um die Ecke, wo sich eigentlich nur noch der Zaun befand.

      Er hatte irgendetwas vor. Etwas, was ich wissen musste. Allerdings war ich noch lang nicht fertig. Hilfe suchend schaute ich mich um. Neben mir stand Lina aus meiner Klasse.

      Ohne groß drüber nachzudenken, sprang ich über meinen Schatten und sprach sie an. »Ähm Lina?«

      Sie schaute mich freundlich fragend an. »Ja?«

      Ich legte meine Hände an den Bauch und begann mein Schauspiel. »Mir geht es nicht so gut. Könntest du vielleicht den Rest für mich zu Ende machen?«

      Sie schaute auf mein Beet und zuckte mit den Lippen, während sie überlegte. »Nur, wenn ich deine Mathehausaufgaben morgen abschreiben kann«, verlangte sie.

      Ich stimmte innerlich fluchend zu. Laut murmelte ich nur: »Danke.«

      Ich ging zu Herrn Albert und gab ihm die Schaufel zurück und erklärte ihm die Situation. Wirklich begeistert war er nicht, aber da ihm keine andere Wahl blieb, befreite er mich von der Gartenarbeit und ließ mich gehen. Dass ich keinen guten Eindruck hinterließ, war mir klar, aber in dem Moment relativ egal.

      Als ich mir sicher war, dass sich niemand weiter um mich scherte, bog ich wie Cody um die Gebäudeecke. Er war nicht mehr da, aber als ich mich etwas genauer umsah entdeckte ich ein Loch im Zaun.

      Da musste er durchgeschlüpft sein. Eine andere Möglichkeit gab es nicht, wohin er verschwunden sein konnte. Da war

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