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Frauen oder begabte Männer. Dies ist ein zweifelhafter Trost in den Augen der Welt, unzureichend und im Gegenteil sogar ungerechtfertigt in den Augen der Vernunft, aber er hat Ihre Gesellschaft in einen kleinen Kosmos verwandelt, der innerlich weniger zerrissen, ja harmonischer ist als der andere, trotzdem von Leben erfüllt, und seinesgleichen sah man nie. So möchte ich auch nicht, dass irgendein Jemand diesen Fächer sähe, der nicht einen Salon wie Ihren besucht hat und der nur mit betroffenem Staunen sähe, wie hier »die gute Lebensart« Herzoge ohne Stolz mit Romanschriftstellern ohne Arroganz an einen Tisch bringt. Möglicherweise würde dieser »Jemand« ebenso wenig die Schattenseiten dieser Annäherung begreifen, deren Übermaß nur einen einzigen Tauschverkehr fördert, nämlich den der Lächerlichkeiten. Zweifellos würde in seinen Augen die Wirklichkeitsschilderung pessimistisch scheinen – zum Beispiel die Schilderung eines hochlehnigen Sorgenstuhles, worin ein großer Schriftsteller mit den Allüren eines Snobs ruht und dem Gerede eines großen Herrn lauscht, der gerade eine Dichtung durchblättert, während sein (des großen Herrn) Gesichtsausdruck, wenn anders er mir in seiner Albernheit gut gelungen ist, zur Genüge beweist, dass er von der Sache nicht die geringste Ahnung hat.

      Nahe dem Kamin werden Sie C. wiedererkennen.

      Er hebt den Stöpsel von einem Parfümfläschchen und erklärt seiner Nachbarin, es sei ihm gelungen, die abenteuerlichsten, die stärksten Gerüche zu konzentrieren.

      B. ist verzweifelt, ihn nicht überbieten zu können, er denkt, die sicherste Methode, an der Spitze der modernsten Errungenschaften zu stehen, sei die, mit Eklat sich zur alten Mode zu bekennen, und während er das billige Veilchenparfüm einatmet, betrachtet er C. mit Verachtung.

      Und Sie selbst, haben Sie nie diese künstlichen Umwege zur Natur gekannt? Zu gern hätte ich (was aber wegen der Winzigkeit der Details unausführbar ist) in einem versteckten Winkel (wie in einer Rumpelkammer) Ihrer sonst so musikalischen Bibliothek die Opern von Wagner und Symphonien von Franck oder D'Indy abgezeichnet, aber auf Ihrem Piano lagen, vor allen Augen sichtbar und noch aufgeschlagen, einige Hefte von Haydn, Händel, Palestrina.

      Ich habe keine Angst gehabt, Sie auf dem rosenfarbenen Sofa abzuschildern. T. sitzt neben Ihnen und beschreibt Ihnen sein neues Zimmer, das raffiniert geteert ist, auf dass es in ihm die Illusion einer Seereise erwecke, und nun entschleiert er vor Ihnen alle Quintessenz seiner Toilette und seiner Einrichtung.

      Ihr sprödes, kühles Lächeln beweist, wie niedrig Sie eine Phantasie einschätzen, welcher in ihrer Kraftlosigkeit ein leeres Zimmer nicht genügt, um in ihm alle Visionen des Universums aufzurollen, und welche Kunst und Schönheit unter einer so erbärmlich niederen Form begreift.

      Ihre bezauberndsten Freundinnen sind da. Werden sie es mir verzeihen, wenn sie von Ihnen diesen Fächer zu sehen bekommen – ich weiß es nicht. Mag eine Frau die eigenartigste Schönheit tragen und vor unsern hingerissenen Augen sich abzeichnen wie ein aus dem Rahmen entsprungenes Bild von Whistler, sie wird sich doch nur in einem Porträt von Bougereau geschmeichelt wiedererkennen. Die Frauen verwirklichen die Schönheit mit ihrer Person, verstehen sie aber nicht.

      Vielleicht werden sie sagen: »Wir lieben einfach eine Schönheit, die anders ist als die Ihre. Weshalb sollte sie weniger schön sein als die Ihre?«

      Aber gestatten Sie mir wenigstens die Bemerkung, wie selten die Frauen sind, die das Ästhetische verstehen, das sie tadeln. Hier ist eine Jungfrau von Botticelli, sie würde, wenn nicht gerade Botticelli Mode wäre, diesen Meister hässlich und ungeschickt finden.

      So nehmen denn Sie diesen Fächer mit Milde entgegen! Wenn eine von den Schattengestalten, die sich mir, nach ihrem Fluge durch meine Erinnerung, hier als Modelle gestellt haben, nachdem sie einst lebendig am Dasein gesogen, wenn eine von diesen Schattengestalten Ihnen einmal eine Träne entlockt hat, dann nehmen Sie es hin ohne Bitterkeit und bedenken Sie, es ist ein Schatten nur, an dem Sie nicht mehr leiden werden.

      In aller Unschuld habe ich diese Schattengestalten auf dieses dünne Papier getragen, dem eine Bewegung ihrer Hand Flügel geben kann, denn Schmerz bereiten können Sie ihr nicht mehr, dazu sind sie zu unwirklich, zu drollig ...

      Am meisten unwirklich, am drolligsten vielleicht in der Stunde, da Sie sie einladen, sie mögen erscheinen, um einige Stunden dem Tode vorwegzunehmen und ihr Scheinleben als Phantome in der künstlichen Freude Ihres Salons zu entfalten, unter den Kronleuchtern, deren Arme bedeckt sind von großen blassen Blüten.

      Olivian

      Warum sieht man Sie, Olivian, jeden Abend in die Komödie eilen? Ihre Freunde haben also weniger Geist als ein Pantalon, Scaramouche und Pasquarello? Wäre es nicht netter, mit ihnen zu dinieren? Aber Sie können noch Besseres tun. Ist das Theater die Hilfsquelle aller Plauderer, deren Freunde zu verstummen haben, deren Geliebte zu wortreich sind –so bleibt die Konversation, selbst die gewählteste, nur das Vergnügen der phantasielosen Naturen. Es gibt Dinge, die man nicht erst beim Kerzenschein einem geistvollen Menschen zeigen muss, denn er sieht sie während des Gesprächs –diese Dinge aber Ihnen, Olivian, klarzumachen, ist reiner Zeitverlust. Die Stimmen der Phantasie und der Seele sind die einzigen, die ein glückliches Echo wecken im ganzen Umkreis der phantasievollen Seele; und wenn sie nur einen winzigen Teil der Zeit, die Sie totgeschlagen haben, um zu gefallen, dazu verwendet hätten, sie lebendig zu machen, so hätten Sie mit einem Buche, mit ein wenig Nachdenken an Ihrem Kamin im Winter oder in Ihrem Parke zur Sommerszeit einen tausendmal reicheren Erinnerungsschatz sammeln können an Stunden der Fülle und Tiefe. Scheuen Sie nicht vor der Harke, dem Rechen zurück! Eines Tages erleben Sie mit Freude, wie ein süßer Duft aus Ihrem Erinnern hervorsteigt wie aus einem Gartenkarren, der bis an den Rand gefüllt ist.

      Wozu die vielen Reisen? Die Wagenpferde führen Sie nur so langsam dorthin, wohin Sie ein Traum in Sekundenschnelle bringt. Wollen Sie am Meeresstrande sein, müssen Sie nur die Augen schließen. Überlassen Sie es denen, die nur leibliche Augen haben, mit ihrem ganzen Gefolge zu übersiedeln und sich nach Pozzuoli oder Neapel zu begeben. Sie wollen, wie Sie sagen, dort ein Buch vollenden? Wo arbeitet es sich aber besser als daheim? Zwischen den Mauern von Paris können Sie die herrlichsten Bauten errichten nach den Wünschen Ihres Herzens, hier können Sie leichter als in Pozzuoli den Einladungen der Prinzessin von Bergamo entgehen, und die Versuchung, ohne Arbeit herumzuflanieren, ist hier nicht so gefährlich. Weshalb sich darauf versteifen, nur die Gegenwart zu genießen und darüber zu weinen, dass es nie gelingt? Mensch der Phantasie, du kannst nur genießen im Verzicht oder in der Erwartung, das heißt: in der Vergangenheit und in der Zukunft.

      Das ist der Grund Deiner Unzufriedenheit, Olivian, mit Deiner Geliebten, mit Deinen Landhäusern, mit Dir selbst. Vielleicht hast Du die Wurzel dieser Übel bereits entdeckt. Aber warum sich daran genügen lassen, statt die Heilung zu versuchen? Es liegt daran, dass Sie sehr bemitleidenswert sind. Noch sind Sie kein Mensch, und schon sind Sie ein Mensch der Literatur.

      Masken und Gestalten der mondänen Komödie

      Immer ist in den Komödien Scaramouche ein Prahlhans, Harlekin stets ein Tölpel, das Benehmen des Pasquino ist reine Intrige, das des Pantalon Habsucht und Leichtgläubigkeit –ebenso hat die Gesellschaft dekretiert, dass Guido geistreich aber perfid ist, dass er für einen guten Witz seinen besten Freund opfert –dass Girolamo unter der Außenseite einer rohen Freimütigkeit Schätze des Herzens verborgen hat –dass Castruccio, dessen Laster man brandmarken kann, dennoch der rührendste Freund in seiner Treue ist und dass er als Sohn die zarteste Hand beweist –dass Jago trotz zehn schöner Bücher als Dilettant anzusehen ist, während ein paar schlechte Zeitungsartikel Ercole zum Dichter stempeln –dass Cesare irgendwelche Verbindungen mit der Polizei haben muss, als Reporter oder Spion; Cardenio ist ein Snob, Pippo ein falscher Biedermann, trotz seiner freundschaftlichsten Versicherungen. Was Fortunata anlangt, so ist's auf ewig beschlossene Sache, man ist sich einig: sie ist gut. Sie ist so rund, das ist die Garantie für ihr wohlmeinendes weiches Herz: Wie könnte denn auch eine so üppige Dame eine Kanaille sein?

      Nun ist jeder schon von Natur anders als der Charakter, den die Gesellschaft aus ihrem Hauptmagazin von Kostümen und Eigentümlichkeiten hervorgesucht und ihm ein für allemal geborgt

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