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Myrto selbst, durch das Missverhältnis zwischen ihrem wirklichen Rang und dem, den sie anstrebt, und so zeigt sie Myrto ihr eigenes Bild in ihrem Spiegel. Dieselbe Freundschaft, die Myrto für Parthenis übrighat, erkennt sie unter außerordentlichem Missvergnügen in den Gunstbezeigungen der Doris wieder. Lalage, selbst Cleanthis erinnern sie an ihre ehrgeizigen Träume, Parthenis war wenigstens im Begriff, diese zu verwirklichen: Doris hingegen spricht ihr nur von ihrer Kleinheit. Nun empfindet sie Doris gegenüber (allzu gereizt, als dass sie die amüsante Rolle der hohen Beschützerin spielen könnte) das, was ganz genau Parthenis ihr gegenüber empfinden sollte. Aber Parthenis ist hoch erhaben über Snobismus: sie hasst Myrto von ganzem Herzen.

      Heldémone, Adelgise, Ercole

      Ercole war Zeuge einer etwas lockeren Szene und wagte nicht, sie der Herzogin Adelgise zu erzählen, hatte aber nicht dieselben Bedenken bei der Kurtisane Heldémone.

      »Ercole«, rief Adelgise, »Sie trauen mir also nicht zu, diese Geschichte zu verstehen? Ach, ich weiß nur zu genau, dass Sie hierin die Kurtisane Heldémone anders behandeln. Mich achten Sie nur, Sie lieben mich nicht.«

      »Ercole«, rief Heldémone, »haben Sie nicht genug Scham im Leibe, um mir derartiges zu verschweigen? Seien Sie selbst Richter! Würden Sie sich dies der Herzogin Adelgise gegenüber erlauben? Sie achten mich nicht. Sie können mich nicht lieben.«

      Der Treulose

      Fabrice glaubt Beatrice auf ewig zu lieben und möchte es auch; er denkt aber daran, dass er in gleicher Weise je sechs Monate lang geglaubt und gewollt hat, Hippolyta, Barbara oder Clelia zu lieben. Nun versucht er in den wirklichen Eigenschaften von Beatrice irgendeinen Grund zur Gewähr zu finden für die Hoffnung, auch nach dem Ende der großen Leidenschaft weiter mit ihr verkehren zu können; denn der Gedanke, er könne eines Tages ganz ohne sie auskommen, ist durchaus unvereinbar mit einem Gefühl, das die Illusion einer ewigen Dauer nicht entbehren kann. Dann will er sich aber als kluger Egoist nicht ganz, nicht mit allen seinen Gedanken, seinen Handlungen, seinen augenblicklichen Absichten, mit seinen alles umfassenden Zukunftshoffnungen einem Menschen hingeben, der eigentlich nur der Gefährte einiger seiner Stunden gewesen ist.

      Beatrice hat, das weiß er, Klugheit und gutes eigenes Urteil: »Welche Freude steht mir nach dem Ende meiner Liebe bevor! Mit ihr über andre, über sie selbst auch zu sprechen, über meine vergangene Liebe für sie ...« (Freilich sollte diese, so hofft er, verwandelt in dauernde Freundschaft, wiederaufleben.)

      Kaum ist aber seine Leidenschaft für Beatrice vorbei, da bricht er den Verkehr ab, geht zwei Jahre lang nicht zu ihr, hat nicht einmal Lust, sie zu sehen, und leidet darunter nicht im mindesten. Eines Tages ist er gezwungen, sie doch aufzusuchen, er tut's wider Willen, bleibt zehn Minuten. Warum? Er träumt Tag und Nacht von Giulia, die zwar unbegreiflich dumm ist, aber deren blassblonde Haare duften wie ein feines Gras und deren Augen unschuldig sind wie zwei Blumen.

      Kapitel 1

      Außerordentlich leicht und seltsam angenehm lebt es sich mit gewissen Personen von großen natürlichen Anlagen, die geistreich sind und leidenschaftlich, dabei doch fähig zu allen Lastern, wenn sie auch keines in der Öffentlichkeit treiben oder es von auch nur einer Person ahnen lassen. Sie haben eine gewisse Fülle, ein bestimmtes Geheimnis. Dann gibt diese Verderbtheit auch ihren unschuldigsten Handlungen einen aufreizenden Hauch, es ist, als ginge man nachts spazieren in den Gärten.

      Ich sah Sie eben zum ersten Mal, Cydalise, und bewunderte vor allem Ihr blondes Haar, das wie ein kleiner Helm Ihr kindliches, melancholisches, reines Haupt bedeckte. Ein Kleid von blassrotem Samt machte dieses eigenartige Gesicht noch sanfter, dessen Geheimnis die gesenkten Wimpern für immer zu versiegeln schienen. Aber dann erhoben Sie den Blick, Sie richteten ihn auf mich, und als ich Ihre Augen sah, glaubte ich das unberührte Kristall des frühen Morgens in ihnen abgespiegelt oder die Reinheit fließenden Wassers am ersten schönen Frühlingstage. War es nicht, als hätten diese Augen nichts davon gesehen, was andern Menschenaugen schon zur trüben Gewohnheit geworden ist? Augen, noch im Stande der Jungfräulichkeit, noch frei von jeder erdenhaften Erfahrung?

      Aber je länger ich Sie ansah, desto mehr drückten Sie eine Mischung von Liebe und Leiden aus, als seien Sie eine von denen, welchen eine böse Fee alle Wünsche schon vor der Geburt versagt hat. Selbst der Stoff Ihres Kleides fiel an Ihnen in einer schmerzvollen Grazie herab, besonders traurig auf Ihre Arme, die so verschüchtert wirkten in ihrer Einfachheit, in ihrem Zauber. Nun phantasierte ich Sie in eine Prinzessin, die weither gekommen ist, quer durch die Jahrhunderte, die sich hier nicht wohl fühlte, nie ihr verzichtendes Schmachten ablegte, Prinzessin in der Kleidung, deren altertümliche, seltene Harmonie zu betrachten den Augen bald zur süßen, entnervenden Gewohnheit wurde. Ich wollte Ihnen Ihre Träume erzählen, Ihre Leiden. Ich hätte so gern in Ihren Händen einen alten Becher gesehen oder noch besser eine Trinkschale, ein Gefäß von so stolzer und so trauriger Form, wie man sie jetzt leer in unsern Museen stehen sieht. Dort heben sie mit vergeblicher Grazie ihren ausgeschöpften Kelch in die Höhe. Aber einst waren sie wie Sie, Cydalise, die frische Wonne bei den Gastmählern Venedigs, und etwas von den letzten Rosen dieser Feste scheint noch in dem blinkenden Fluss des trüb und undurchsichtig gewordenen Glases zu schweben.

      Kapitel 2

      »Wie können Sie Hippolyta fünf andern Damen vorziehen, die ich Ihnen eben genannt habe und die nach allgemeinem Urteil als die fünf wundervollsten Schönheiten Veronas gelten? Vor allem ist Hippolytas Nase viel zu lang und zu sehr gekrümmt.« – Nun sagen Sie nur noch, dass ihre Haut zu dünn ist, die Oberlippe zu kurz, dass sie den Mund zu sehr schürzt beim Lachen, so dass ein spitzer Winkel sich bildet. Und doch; bezaubert mich ihr Lachen grenzenlos, das reinste Profil lässt mich kalt neben der nach Ihrer Ansicht allzu sehr gekrümmten Nasenlinie, die mich so aufregend an einen Vogel erinnert. Auch ihr Kopf hat für mich etwas Vogelartiges, er ist so lang von der Stirngegend bis zum blonden Nacken, mehr noch von einem Vogel haben ihre durchdringenden sanften Augen. Oft sehe ich sie im Theater, über den Rand der Loge gebeugt, ihre weißbehandschuhten Arme sprühen geradezu empor bis zu den Fingergliedern der Hand, auf die sich ihr Haupt stützt.

      Ihr vollendet schöner Körper füllt sein gewohntes weißes Gazekleid, als hätte er nach rückwärts zusammengefaltete Flügel. Man denkt an einen Vogel, der auf seinem zarten, eleganten Bein träumend dasteht. Auch ist es bezaubernd, zu sehen, wie Hippolytas Federfächer um sie flattert und mit seinem weißen Fittich schlägt.

      Ich habe nie ihren Söhnen oder Neffen begegnen können, die alle ihre gekrümmte Nase haben, die schmalen Lippen, die durchdringenden Augen – ohne in Verwirrung zu geraten, denn ich erkannte ihre Rasse wieder, die zweifellos der Verbindung eines Vogels mit einer Göttin entsprossen ist. Durch die Metamorphose hindurch, die jetzt einen geflügelten Traum in die Weibesform bannt, erkenne ich den kleinen königlichen Kopf des Pfauen, hinter dem nun nicht mehr Wogen meerblau, meergrün wallen und schillern und hinter dem nicht mehr der Schaum seines mythologischen Gefieders sich ergießt. Sie aber gibt die Gestalt eines Fabelwesens, verbunden mit dem heiligen Schauer der Schönheit.

      Kapitel 1

      Eine Frau macht aus ihrer Vorliebe für Bälle, Rennen und selbst für Glücksspiel kein Geheimnis. Sie sagt es, sie gesteht es offen oder rühmt sich dessen. Aber versuchen Sie ja nicht, sie dazu bringen zu wollen, dass sie ihre Vorliebe für den Schick zugibt, sie würde Zeter und Mordio schreien und ernstlich böse werden. Das ist die einzige Schwäche, die sie den Augen der andern verbirgt, wahrscheinlich aus dem Grunde, weil einzig durch diese ihre Eitelkeit gedemütigt würde. Von Karten abhängig zu sein, das kann ihr recht sein, aber nicht von Herzogen. Wenn sie eine Tollheit macht, so glaubt sie sich deshalb noch niemandem unterlegen, aber im Gegensatz dazu begreift ihr Snobismus in sich, dass sie bestimmten Menschen gegenüber unterlegen ist oder es doch wird, indem sie in ihrer Spannkraft nachlässt. So kann man das Schauspiel erleben, dass eine Frau den Schick proklamiert, eine stumpfsinnige

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