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Plastikbüchse in den leeren Filmkarton. Mit geübten Handgriffen legt er die nächste Rolle auf die Arbeitsplatte, schneidet das Startband mit dem Countdown ab und klebt die beiden Filmstreifen präzise aneinander. Er überzeugt sich von der Haltbarkeit der Klebestelle und wickelt auch diese Rolle auf den großen Filmteller auf. „Wie haben Sie in den Staaten unsere Sprache gelernt?“

      „U.S. Army. Ich war einige Jahre in Berlin stationiert.“

      „Ich wünschte, mein Englisch wäre so gut wie Ihr Deutsch.“

      „Du hast sicher sehr gutes Englisch in der Schule gelernt.“

      „Das ist doch etwas anderes, als sich mit Muttersprachlern zu unterhalten.“

      „Du bist jung und modern, da hast du höchstwahrscheinlich Internet zu Hause? Dort kannst du sehr viele Native Speakers kennenlernen.“

      „Das könnte ich mal ausprobieren“, erwidert Carl. Wortlos greift er zur nächsten Rolle, um bereits das Startband zu entfernen.

      * * *

      Leonard folgt Carl mit Abstand über den Catwalk zu einem der anderen Vorführräume. Obwohl sich auf dem Kunststoffring mittlerweile einige Tausend Meter Film befinden, balanciert Carl die gekoppelte Filmkopie mühelos neben dem Körper. Trotz der schweren Last öffnet er gekonnt die Stahltür zum Vorführraum und hält diese für Leonard auf.

      Behutsam stellt er den Film neben einem Metallschrank ab. Er holt seinen Schlüsselbund hervor und öffnet den Schrank. In zwei der schmalen, aber tiefen Fächer stehen bereits Filme. Leonard notiert sich unterdessen die Nummer der Premierenkopie in seinem PDA. Carl verstaut sie im Metallschrank. Der Sicherheitschef kontrolliert sofort, ob die Tür ordnungsgemäß verriegelt ist, indem er am Türgriff rüttelt. Zufrieden greift er in die Jackentasche. Mit zwei Sicherheitsetiketten versiegelt er den Schrank. „Das war die letzte Rolle für die morgige Sichtung“, stellt er fest. „Wann können wir heute Abend mit den Screenings beginnen?“

      „Die erste Hauptvorstellung endet um 21:27 Uhr“, klärt ihn Carl auf.

      Leonard wirft einen Blick auf die Armbanduhr. „Ich sammle die Kollegen fürs Dinner ein und sollte dann gegen halb zehn mit den Leuten vom deutschen Branch und den Technikern zurück sein.“

      „Soll ich die Filme direkt nach der Hauptvorstellung einlegen?“

      „Lieber nicht, da sich die endgültige Verteilung auf die Säle noch verändern könnte. Dafür ist leider das Marketing zuständig.“

      „In Ordnung!“

      Leonard verlässt den Vorführraum über die Wendeltreppe auf der oberen Kinoebene. Nachdem Carl die Metalltür ins Schloss fallen hört, inspiziert er vorsichtig die Siegel am Metallschrank. Zufrieden folgt er Leonard nach unten. Im Gegensatz zum Asiaten betritt er über die Treppe den darunter gelegenen Vorführraum. Über den Catwalk schlendert er zum Regieraum zurück. Auf dem Rückweg beobachtet er Leonard und Johannson, die sich mit ihren Kollegen auf der unteren Kinoebene unterhalten. Mittlerweile hängt ein Teil der Dekoration für die Filmpremiere, aber die fehlenden Filmposter in den leeren Schaukästen lassen das Ganze lieblos und dilettantisch erscheinen. Bevor Carl die Tür zum Regieraum öffnet, bleibt er am Geländer stehen. Er beobachtet die kleine Menschentraube um den Asiaten, die sich erst zur oberen Kinoebene und schließlich zum Gastronomiebereich des AmphiPlex bewegt.

      * * *

      Mit einigen Kinomitarbeitern, die ebenfalls die dunklen Poloshirts der Kinokette tragen, steht Carl neben der breiten Theke im Foyer der unteren Ebene. Eine junge Kollegin, die sich dahinter alleine langweilt, reicht der Gruppe einen Eimer Popcorn. „Danke!“, erwidert Niklas, der Teamleiter.

      „Nichts zu danken! Das zahlen alles die Typen vom Filmverleih.“

      Die Gruppe antwortet ihr mit Gelächter.

      „Kino 12 ist gleich aus“, erwähnt Carl beiläufig in Richtung eines Servicemitarbeiters, der daraufhin einen Blick auf seine Uhr wirft und einen zerknitterten Zettel aus der Hosentasche zieht. Nach einem kurzen Schulterzucken bricht er zum anderen Ende des Foyers auf. Niklas schaut Carl mit entnervter Miene an. „Der wird’s wohl nie peilen, den Saal rechtzeitig zu öffnen.“

      „Ist heute viel los?“

      „Nein. Ist trotzdem Scheiße, wenn die Leute nicht richtig verabschiedet werden.“

      „Ich bezweifle ernsthaft, dass unser Publikum darauf Wert legt.“

      „Ich auch“, entgegnet Niklas lachend, „aber du kennst das Gefasel über die Kundenorientierung.“

      Die Runde der Kollegen nickt zustimmend.

      „Weißt du, wann die Sichtungen losgehen?“

      „Keine Ahnung. Der Security-Typ sollte längst mit der Meute vom Verleih zurück sein.“

      „Der ist eine echte Nervensäge, oder?“

      „Ja!“, bestätigt Carl. „Der ist anstrengend, aber seitdem jeder Film sofort im Internet auftaucht, machen sich die Filmverleiher eben ins Hemd.“

      „Ich versteh gar nicht, wie man sich das abgefilmte Zeug antun kann.“

      „Immer noch besser als ein halbes Jahr zu warten, bis der Film endlich bei uns läuft“, wirft die Kollegin hinter der Theke ein.

      „Ich bin gespannt, ob der Streifen etwas taugt“, wundert sich Niklas.

      „Du bist bei den Sichtungen dabei?“

      „Jens wollte, dass einer vom Fußvolk mitschaut.“

      „Dann wünsche ich viel Spaß. Das ist ein Chick Flick.“

      „So schlimm wird der Film bestimmt nicht sein!“

      „Es ist eine deutsche Koproduktion“, ergänzt Carl.

      „Mist! Du hast vermutlich recht.“

      Die beiden jungen Männer bemerken Leonard mit seinen Mitarbeitern auf der Treppe. „Ich werde mich mal an die Arbeit machen“, flüstert Carl.

      „Bis später“, verabschiedet sich Niklas ebenfalls.

      Leonard geht einige Schritte auf Carl zu. „Das Dinner hat leider etwas länger gedauert.“

      „Kein Problem.“

      „Ich sehe, die ersten Hauptvorstellungen sind zu Ende?“

      „Kino 12 ist gleich aus und in Kino 15 beginnt gerade der Abspann.“ Carl wirft einen Blick auf seine Uhr. „Die anderen Kinos laufen noch circa zehn bis fünfzehn Minuten.“

      „Dann haben wir ein wenig Zeit.“ Leonard bedeutet Carl mit einer Geste, dass er ihm folgen soll. Gemeinsam gehen sie zu Leonards Kollegen, die angeregt vor einem Stehtisch miteinander diskutieren. „Das ist Carl. Er wird heute Abend und morgen bei der Premiere die Filme vorführen.“

      Eine elegant gekleidete Dame mittleren Alters tritt aus der Gruppe hervor und reicht Carl die Hand. Er schüttelt diese zögerlich. „Ich bin Monique. Ich bin für das Marketing und damit für die Premiere verantwortlich. Sie kennen sicherlich das Prozedere einer technischen Sichtung?“

      „Selbstverständlich!“, bestätigt er.

      „Sehr gut! Ich schlage vor, dass wir mit dem ersten Saal beginnen.“

      „Das wäre Kino 12. Dort läuft laut meinem Plan von heute Mittag eine Fassung im englischen Original für die Presse.“

      „Das ist korrekt!“

      Mit langen Schritten eilt Carl zum Kinosaal. Er betritt den Saal und schaut sich darin um. Das Publikum hat diesen längst verlassen. Nur der einsame Kollege sammelt hastig leere Pappbecher und Popcorntüten ein, die er in einen grauen Müllsack stopft. „Dir ist hoffentlich klar, dass die Spätvorstellung heute ausfällt?“, erinnert ihn Carl.

      „Was? Im Ernst?“

      „Ja!“

      Der

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