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und das Büro der Theaterleitung befinden. Gemächlich schlurft er zur Tür am Ende des Gangs und klingelt. Artig dreht er sich zur Überwachungskamera. Nach einigen Momenten hört er ein Surren.

      Im geräumigen Büro stehen sechs Schreibtische paarweise gruppiert, jeweils ausgestattet mit Computer und den üblichen Büroutensilien. Durch die Fenster wirft Carl einen kurzen Blick über die Dächer Münchens. An der gegenüberliegenden Wand steht eine Batterie von Monitoren, auf denen die Bilder der diversen Überwachungskameras des AmphiPlex zu sehen sind. „Servus!“, grüßt Carl beiläufig in den Raum.

      „Hallo, Carl!“, ertönt er es hinter einem der Schreibtische. Ein schmächtiger Mann mit Ziegenbärtchen und Brille streckt seinen Kopf hervor.

      „Hi, Jens!“

      „Du bist morgen Abend bei der Premiere zugegen?“

      „Ja.“

      „Gott sei Dank! Wenigstens wird dann in der Vorführung nichts schiefgehen.“

      Carl zuckt mit den Schultern. Er nimmt ein Funkgerät aus der Ladestation unter den Monitoren und fischt einen Schlüsselbund mit langer Metallkette aus dem Schlüsselkasten.

      „Die Leute vom Verleih treiben mich gerade in den Wahnsinn, da sie uns die falsche Dekoration geschickt haben.“

      „Erik hat so etwas erwähnt“, versucht ihn Carl vom Redefluss abzubringen.

      „Das ist fürchterlich. Wir stehen als Kino wie die größten Deppen im Land da. Ich kann mir bereits lebhaft vorstellen, was die Filmpresse über uns schreiben wird. Schrecklich!“

      „Ist nicht unsere Schuld, wenn es der Verleih vermasselt.“

      „Das stimmt zwar, dennoch müssen wir es ausbaden. Da habt ihr es mit der Technik viel einfacher. Ihr Jungs löst eure Probleme jedes Mal.“

      „Bei einer falschen Filmkopie können wir auch nichts machen“, klärt ihn Carl auf.

      „Immerhin gebt ihr rechtzeitig Bescheid. Ihr seid immer auf Zack, wenn irgendetwas fehlt. Leider kann man das von den Kollegen am Infocounter nicht sagen. Die haben bereits letzte Woche gesehen, dass die Deko mit französischen Titeln angeliefert wurde! Letzte Woche! Glaubst du etwa, dass sich auch nur einer von denen darüber gewundert hat? Nein! Die haben das einfach ignoriert! Wie blöd kann man denn sein.“ Jens schüttelt den Kopf theatralisch, während er Carl beäugt.

      „Oh!“, brummelt dieser pflichtbewusst.

      „Jetzt tragen wir die Konsequenzen, indem wir uns vor der ganzen Welt blamieren.“

      „Ich muss leider runter“, unterbricht er den Theaterleiter, „sonst gibt’s Haue vom Boss.“

      „Ach ja! Wir sehen uns später. Ich bin heute die Spätschicht.“

      „Bis dann.“ Carl verlässt das Büro.

      Er zieht den Schlüsselbund aus der Hosentasche und sperrt in einem der Treppenhäuser eine graue Stahltür auf. Aus dem Halbdunkel hört er monotones Rattern der Filmprojektoren, sowie tiefes Brummen der Gleichrichter. Dazwischen nimmt Carl dumpfe Sprachfetzen seines Kollegen am anderen Ende des Raums wahr. Beim Durchqueren des Vorführraums atmet er den typischen Duft von Essig und Schmierfett ein. Während sich seine Augen noch an das Halbdunkel gewöhnen, geht er zielstrebig zum Regiebereich, der durch eine Glastür von den lärmenden Projektoren abgetrennt ist. An den dunkelblau gestrichenen Wänden stapeln sich schwarze Pappkartons mit Filmrollen, Türmchen von runden Metallbüchsen und Hunderte kleiner Schachteln mit den Werbespots. Carl bemerkt Flo, den groß gewachsenen, durchtrainierten Vorführleiter, vor der offenen Glastür zum Regiebereich. Dort unterhält er sich mit einem asiatischen Herrn, der einen Designeranzug trägt. Neben diesem steht ein weiterer Mann, der dem Gespräch aufmerksam folgt. In der Brusttasche des Asiaten steckt ein Plastikausweis mit Foto und dem Logo des Filmverleihs. Sein Kollege ist leger gekleidet und trägt seinen Ausweis am Gürtel. Auf dessen Sweatshirt prangt jedoch der Schriftzug Security. „Hallo!“, begrüßt Carl die Runde.

      Der Vorführleiter dreht sich zu ihm und erwidert den Gruß. „Hey, Carl! Ich kann dir gleich unsere Gäste vorstellen.“ Er deutet zuerst auf den Asiaten. „Das sind Herr Yamanaka und Herr Johannson, die die Sicherheitsmaßnahmen während der Filmpremiere überwachen.“

      Der Asiat verbeugt sich dezent vor Carl. „Sie dürfen mich Leonard nennen, es gibt keinen Grund förmlich zu sein.“

      „Ich bin Walter!“, erwidert Johannson, während die beiden Hände schütteln.

      „Wir reden gerade über die Sicherheitsvorkehrungen für die Filmkopien“, bringt Flo den frisch eingetroffenen Kollegen auf den neusten Stand, „da es sich bei diesmal zur Abwechslung mal um einen größeren Film handelt.“

      „Es handelt sich hier um eine internationale Koproduktion. Daher müssen wir auf dieselben hohen Sicherheitsstandards wie in den Staaten achten“, fügt Leonard hinzu. „Insbesondere da es sich nicht nur um die Deutschlandpremiere, sondern um die Europapremiere des Films handelt.“

      „Aha!“, antwortet Carl.

      Flo deutet auf mehrere Stapel aus insgesamt achtzehn Filmkartons, die mit knallrotem Sicherheitsband umwickelt sind. „Du kannst gleich anfangen, die ersten Kopien zu koppeln. Ich kümmere mich währenddessen um das reguläre Kinoprogramm. Anstelle der normalen Spätvorstellung führen wir auf der unteren Ebene heute Nacht die technische Sichtung der Filmkopien durch.“

      „Kein Problem“, erwidert Carl.

      „Ich zeige unseren Gästen vom Verleih die Wege zu den anderen Sälen.“ Walter Johannson folgt dem Vorführleiter aus dem Raum in Richtung der Catwalks über dem Foyer, während Carl die Leinentasche in der Garderobe im Regieraum ablegt. Er tauscht sein schwarzes T-Shirt gegen ein schwarzes Polohemd mit dem blauen AmphiPlex Schriftzug. Leonard Yamanaka beobachtet unterdessen die Überwachungsmonitore, auf denen das Programm der verschiedenen Säle zu sehen ist.

      „Sie wollen beim Koppeln der Filme zusehen?“

      „Ich bitte darum, da es mir lieber ist, wenn ich persönlich kontrolliere, ob alle Rollen den Transport ins Kino unversehrt überstanden haben.“

      Carl holt Arbeitshandschuhe aus dem Werkzeugregal neben den Monitoren und bedeutet Leonard ihm zu folgen. Er nimmt den obersten Filmkarton vom Stapel und trägt ihn trotz des hohen Gewichts einhändig zu einem der Umrolltische neben den Filmprojektoren. Gemeinsam mit Leonard öffnet er das Sicherheitsband und entfernt den Deckel des Kartons. Der Sicherheitsbeauftragte greift zur ersten Kunststoffbox und inspiziert die Siegel. „Wunderbar, die Versiegelung ist intakt!“, frohlockt er und deutet mit dem Finger auf den bunten Klebestreifen mit Hologramm. Er reicht Carl die Plastikbüchse und macht sich eine Notiz in seinen PDA. Carl bricht das Siegel und entnimmt die Filmrolle zur Inspektion. Rolle für Rolle prüfen sie die Filmkopie. Nachdem sie damit fertig sind, stapelt Carl die Filmrollen chronologisch neben dem Umrolltisch. Er nimmt die erste Rolle vom Stapel und legt sie auf die Arbeitsplatte des Umrollers. Behutsam spult er den Filmstreifen auf einen Kunststoffring, der in der Mitte des Filmtellers liegt. „Ich hoffe, Sie langweilen sich nicht. Das Zusammenkleben von so vielen Filmen wird eine Weile dauern.“

      „Keine Sorge, das ist mein Job. Außerdem finde ich es immer wieder spannend, wie die Leute in den einzelnen Kinos mit den Filmkopien umgehen.“

      „Sie sind häufig in Kinos?“

      „Das ist Teil meiner Arbeit.“

      „Dann hoffe ich, dass wir genauso professionell arbeiten, wie die Vorführer in Hollywood.“

      „Das seid ihr!“ Leonard beginnt zu lachen. „Das liegt an der Deutschen Grundlichkeit.“

      „Gründlichkeit“, korrigiert ihn Carl.

      „Apologies, mein Deutsch ist leider etwas angerostet.“

      „Sie sprechen sehr gutes Deutsch, besser als manche meiner Kollegen.“

      „Danke.“

      „Sie

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