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mit Videokabeln in die Hand. „Steht der Termin für die Party noch?“

      „Falls heute Abend alles klappt, machen wir morgen den Videoabend.“

      „Wunderbar, dann sehen wir uns morgen.“ Vincent schultert die Sporttasche und reicht Carl die Hand. Dieser antwortet ihm mit einem kräftigen Händedruck. „Wir sehen uns, Partymaus.“

      „Bis dann, Dickerchen“, erwidert sie, ohne vom Display des Laptops aufzusehen.

      „Bin ich wirklich so fett geworden?“, flüstert Vincent auf der Treppe.

      „Ja.“

      „Ernsthaft?“

      „Ja.“

      „Du bist mir ein toller Freund. Hättest es mir auch schonender sagen können.“

      „Warum? Du hast nach der Wahrheit gefragt.“

      Vincent brummelt einige unverständliche Worte vor sich hin. Als die beiden das Erdgeschoss erreichen, dreht er sich zu Carl. „Was ich vorhin wegen unseres Geschäfts gesagt habe, war übrigens mein völliger Ernst. Wir waren immer gute Partner und wir sollten auch in Zukunft wieder welche sein. Wäre echt schade, wenn ihr beide die Chance verpassen würdet.“

      „Du hast Brigitta gehört.“

      „Ja, ja, versteh schon.“

      „Damit ist deine Frage hoffentlich endgültig beantwortet.“

      Vincent wippt mit seinem Oberkörper ein wenig zur Seite. Carl sieht ihn mit ernster Miene an.

      „Ich hab’s verstanden“, seufzt Vincent.

      „Dann sehen wir uns morgen?“

      „Ja, bis morgen. Du wirst das heute Abend bestimmt hinbekommen.“

      „Selbstverständlich“, antwortet ihm Carl grinsend.

      Vincent öffnet die Haustür und stapft zur S-Klasse. Am Gartentor dreht er sich nochmals zu Carl und deutet einen militärischen Salut an. Dieser erwidert die Geste, bevor er die Haustür schließt.

      * * *

      Auf dem Schreibtisch im Arbeitszimmer liegen Vincents unzählige Mitbringsel aus Südkorea und Japan. Brigitta kopiert Programme und Daten über das Netzwerk auf den Laptop. Mit leuchtenden Augen sitzt sie vor ihrem neuen Rechner. Carl betritt das Zimmer, hält aber kurz inne und beobachtet seine Freundin für lange Momente. Zwischen den Händen balanciert er ein eingeschweißtes Moleskine, das er mit einer Schleife umwickelt hat. Noch während er in seine Gedanken vertieft ist, bemerkt sie ihn an der Tür. „Ist irgendwas?“

      „Nein. Ich wollte dir nur etwas geben.“

      „Oki! Leg’s einfach auf den Schreibtisch. Ich guck es mir später an, wenn ich mit dem neuen Schleppi fertig bin.“

      „Eigentlich wollte ich dir ein Geschenk machen, aber Vincent hat mir mit dem Laptop die Schau gestohlen.“

      „Was wolltest du mir schenken?“

      „Nichts Besonderes. Du warst letztens so verzweifelt, nachdem du dein kleines Notizbuch vollgeschrieben hattest.“

      „Oh, ja!“

      „Ich dachte mir, dass du vielleicht ein Neues brauchst. Daher habe ich dir eins mit Lesezeichen und einem Gummibändchen besorgt, damit die Seiten nicht beschädigt werden.“

      Brigitta lächelt Carl verlegen an. Er überreicht ihr das Moleskine. Mit strahlenden Augen betrachtet sie das Büchlein. Behutsam packt sie es aus und fächert die Seiten durch die Finger. Neugierig streicht sie über das dünne Papier. „Danke! So ein Notizbuch habe ich immer gesucht, aber nirgendwo gefunden.“

      „Gern geschehen.“

      Bevor sie das Büchlein schließt, neigt sie ihren Kopf leicht nach vorne, um den dezenten Duft des jungfräulichen Papiers zu genießen. Hinter einem der Displays holt sie das alte Notizbuch hervor, aus dem sie ein kleines Plastiklineal und einen Kugelschreiber mit Metallclip herauszieht. Sorgsam legt sie das Lineal in das Notizbuch, steckt den Stift in den Buchrücken und klappt es zu. „Nimmst du die neue Cam mit?“

      „Klaro! Ich will das Ding unbedingt ausprobieren.“

      „Wann bist du zurück?“

      „Keine Ahnung. Wenn’s dumm läuft, erst gegen drei oder vier Uhr.“

      Brigitta setzt sich erneut vor den Laptop, um dessen Software nach ihren Wünschen zu konfigurieren. Wortlos greift Carl zum Rucksack, der in einem der Holzregale liegt. Er packt das PowerBook und die Kamera mit den zugehörigen Kabeln ein.

      0b0000010: [AmphiPlex]

      Unter dem Schild mit der Nummer des Tiefgaragenstellplatzes hängt eine bunte Metalltafel mit dem stilisierten Schriftzug AmphiPlex. Carl parkt den Audi A4 präzise davor ein. Er steigt aus, geht zum Kofferraum und holt eine Leinentasche. Den Rucksack und das zusammengeklappte Stativ lässt er im Fahrzeug zurück. Mit langen, aber ruhigen Schritten eilt er durch die Tiefgarage, die in kaltes Neonlicht getaucht ist. Anstatt den Fahrstuhl zu nehmen, öffnet er eine graue Stahltür mit dem Warnhinweis Notausgang alarmgesichert! Er folgt dem verwinkelten Gang, der vom fahlen Grün der Notbeleuchtung erhellt wird, bis er in ein breites Treppenhaus gelangt. Leichtfüßig nimmt Carl die gewienerten Granitstufen nach oben. Nachdem er zwei Etagen hinter sich gelassen hat, öffnet er eine weitere Stahltür mit der einschüchternden Warnung. Vorbei an verschlossenen Lagerräumen und den Toiletten für die Kinogäste erreicht er das weitläufige Foyer des AmphiPlex Kinopalasts.

      Fasziniert betrachtet er die Heerschar von Technikern und Kinomitarbeitern, die Kabel verlegen, das Foyer aufwendig dekorieren und die Technik des Kinos auf Vordermann bringen. Einige Kollegen, die ihn bemerken, begrüßen Carl freundlich, andere sind so in ihre Arbeit vertieft, dass sie ihn nicht wahrnehmen. Zwischen dem geschäftigen Personal fällt ihm ein Grüppchen junger Damen in eleganter Kleidung auf, die sich um einen Stehtisch versammelt haben. Wie ein Haufen aufgescheuchter Hühner diskutieren sie miteinander vor einigen Kartons mit unbenutzter Dekoration. Carl hält sie zweifelsfrei für Angestellte des Filmverleihers. Diese Vermutung bestätigt sich, als er an der Gruppe vorbeischlendert und die Plastikausweise sieht, die die Frauen an ihren Blazern tragen. Ohne sie weiter zu beachten, geht Carl zum Kassenbereich am Eingang des Kinos. Er grüßt den Kollegen am Informationsstand mit einer dezenten Handbewegung und zieht seine Magnetkarte durch die Stechuhr, die daneben angebracht ist. „Hallo, Erik! Wie läuft es?“

      „Ziemlich stressig.“

      „Warum das? Ist doch keine außergewöhnliche Filmpremiere.“

      „Nicht deswegen, aber die PR-Tanten vom Verleih schieben einen Aufstand, da ihnen die Europazentrale in London das falsche Promomaterial geschickt hat!“

      „Hä?“

      „Morgen Abend ist nicht nur Deutschlandpremiere des Films, sondern die allererste Premiere in Europa. Die Franzosen sind am Mittwoch dran, die Briten am Donnerstag. Wenn ich die Mädels richtig verstehe, dann haben wir die Deko mit den französischen Texten bekommen.“

      Carl kann ein kurzes Kichern kaum unterdrücken. „Das ist eher blöd.“

      „Was ich so mitbekommen habe, kommt wohl auch noch irgendein VIP aus den USA vom Mutterkonzern, sodass die PR-Tanten völlig panisch sind.“

      „Dann wünsche ich dir viel Spaß mit denen.“

      „Werde ich bestimmt haben.“ Erik deutet eine Würgegeste an.

      „Hoffentlich haben sie die richtigen Filmkopien geschickt.“

      „Die sollten passen. Flo hat die Kartons vorhin mit dem Obermotz von der Security abgeholt und beide waren ziemlich happy.“

      „Dann wird’s ein entspannter Abend bei uns.“

      „Schleich dich bloß in dein Kabuff, Herr Vorführer, und

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