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Das Blut der Auserwählten. Thomas Binder
Читать онлайн.Название Das Blut der Auserwählten
Год выпуска 0
isbn 9783844242447
Автор произведения Thomas Binder
Жанр Языкознание
Издательство Bookwire
Während diesen Gedanken hatte Kurt seinen neuen Freund völlig vergessen und achtete auch nicht auf das, was dieser im Schilde führte. Als Emanuels Hand nur mehr wenige Millimeter über Kurts unterer Körperhälfte schwebte, erwachte Kurt plötzlich aus seiner Starre, blickte seinem zukünftigen Vergewaltiger für eine Sekunde tief in die selbstsicheren Augen und war kurz davor, sich die Lunge aus der schwächlichen Brust zu schreien, bis er blau anlaufen würde.
Da fiel sein Blick auf die halb volle Kaffeetasse und sein Verstand formte, viel schneller als sonst üblich, einen Plan.
16
Er beugte sich leicht in die Nähe des Franzosen, riss die Hand blitzschnell zur Tasse und schüttete dem Journalisten ihren Inhalt geradewegs ins Gesicht. Der stieß einen gellenden Schrei aus, sein Gesicht leuchtend, wie eine rote Verkehrsampel.
Der heiße Kaffee tropfte von seiner rot pulsierenden, verzerrten Fratze. Die restlichen Kunden, die an den Tischen links und rechts von ihnen saßen, drehten sich derweil alle erschrocken zu den beiden um, manche sprangen von ihren Stühlen auf und eine Frau begann hysterisch, in den Schrei des pädophilen Franzosen ein zu stimmen.
Doch Kurt wollte noch mehr. Er bemerkte, dass sich noch ein Schluck in der Tasse befand. Diesen kippte er genüsslich in Emanuels zuckenden Schritt. Clavier schrie ein weiteres Mal auf, sein ganzer Körper zitterte vor Schmerz. Doch irgendwie gefiel es ihm auch.
Da hüpfte Kurt mit den Füßen auf die Sitzbank, drehte sich zum Ausgang, machte einen Satz darauf zu und trat Emanuel - als letzte Zugabe - dabei noch in die erhitzten Genitalien. Gleich darauf sprintete er in eine Richtung, über die er nicht nachdachte. Alles musste jetzt sehr schnell gehen und er würde verdammt viel Glück brauchen.
Als das Brennen im Schoß des Franzosen wenige Sekunden später nachließ, sprang dieser vom Tisch auf und setzte Kurt mit riesigen, gelenkigen Schritten nach. Clavier stürmte aus der Tür des Cafés, an einem älteren Ehepaar vorbei, rempelte die Frau und eine Kellnerin um und rannte weiter. Er war nur zwei Schritte hinter Kurt. Der Junge war langsam.
Kurt hechelte und spürte die rohe Wut seines Verfolgers im Nacken. Er hetzte die Straße geradeaus entlang, bog links in eine kleine Gasse ein, warf die dort stehenden Holzpritschen in den Weg und rannte schweißüberströmt weiter.
Clavier donnerte mit voller Wucht in die Holzbalken, stieß sich das Schienbein, schrie kurz auf und rannte scheinbar unbeeindruckt weiter. Jetzt spürte er keinen Schmerz mehr. Er kam näher an Kurt heran, streckte die Hand aus und ergriff den Rückteil dessen Hemds. Kurts Herzschlag setzte aus.
Er wurde nach hinten gezogen. Also tat er, was ihm als Erstes einfiel: er riss den Kopf zur Seite, bis er die Hand Claviers sehen konnte - und dann biss er zu, so fest er konnte. Das nächste, was Kurt spürte, war eine Lockerung des Griffs und eine zähe Flüssigkeit, die ihm am Kinn hinunter rann. Er hörte Schreie, Schimpfworte in einer fremden Sprache und das Krachen von Mülltonnen, gegen die getreten wurde, während er weiter rannte.
All das hörte er nur mehr weit hinter sich. Er war schon fast einen Block weit entfernt. Er blieb ruckartig, keuchend und Claviers Blut spuckend, stehen. Er war am Limit. Er konnte nicht mehr atmen.
Seine Lungen brannten, seine Augen tränten vom Salz im Schweiß, der ihm übers Gesicht rann. Er wäre beinahe hin gefallen, als er schon das zornige Brüllen hinter sich hörte. Der Henker. Kurt durfte nicht aufgeben. Jetzt nicht schlapp machen!
Kurt rannte an Gemüseständen, Fleischhackern und Bäckern vorbei. Sie waren auf einem Marktplatz gelandet. Kurt verschwand im Gewusel der vielen Leute. Verkäufer schrien wild durcheinander, Kinder lachten, Kunden feilschten lauthals. Er ging langsamer, um seinen Körper zu entlasten und nicht zu sehr auf zu fallen, durch die Menge; sah sich fasziniert mit großen Kinderaugen um im ewig fließendem Treiben der Menge und vergaß schließlich seine Umgebung und die Gefahr um ihn. Er war seinem Verfolger entkommen.
Er ging an einem Geflügelstand vorbei, hinter dem ein dicker, freundlich aussehender Mann mit Kochmütze, Schnauzbart und einem hochrot angelaufenen Gesicht, wahrscheinlich, weil er bereits den ganzen Tag lang schreien musste. Da stoppte etwas seine Bewegung. Er war, vor lauter interessanten Eindrücken, die es zu beobachten gab, in jemand hinein gelaufen. Einen Erwachsenen. Als der sich umdrehte, holte Kurt Luft, um sich höflich zu entschuldigen und weiter zu gehen. Doch dazu kam es nicht. Kurt konnte bereits die Wunde an der rechten Hand des Erwachsenen und das teuflische Lächeln unter dem dünnen, gekräuselten Schnurrbart sehen.
Er schrie laut los, wie ein Schwein, das gerade abgestochen wurde. Er wusste nicht mehr weiter, das war alles, was ihm noch einfiel; außer noch zu hoffen, dass sich einer der vorüber gehenden Menschen erbarmen würde, ihm zu helfen. Die Überraschung in Claviers Gesicht war nur von kurzer Dauer, bevor er Kurt mit der verletzten Rechten grob am Arm packte und ihm die andere Hand auf den Mund presste. Nur um sicher zu gehen, dass der kleine Bastard nicht nochmal in die bereits pochende Wunde beißen konnte. Keiner der Umstehenden wunderte sich oder nahm davon Notiz.
Clavier schleppte Kurt vom Marktgelände weg, Richtung Stadtrand. Kurt wusste, wenn nicht ein Wunder passierte, würde er bald sterben.
17
Kurts Schultern schmerzten vom harten Griff seines zukünftigen Vollstreckers und die Tränen der Angst brannten fürchterlich in seinen Augen. Vernebelten ihm die Sicht. Er wollte noch nicht sterben. Nicht hier, nicht so, nicht jetzt.
Es dämmerte bereits, als sie einen schrecklich dunklen, verlassenen Parkplatz irgendeines Provinz-Supermarktes erreichten, der bereits vor zwei Stunden seine letzten Besucher für heute gesehen hatte. Kurt war zwar noch ein kleiner Junge, doch konnte er sich nur allzu lebhaft vorstellen, was gleich auf ihn zukommen würde. Er war zwar nicht der Hellste, doch er war nicht bescheuert. Er zitterte. Aber nicht, weil er fror.
Clavier stieß Kurt in eine Ecke, die in eine Einfahrt für Lieferanten mündete. Kurt schrie panisch auf, mehr vor Furcht als vor Schmerzen. Clavier lachte laut. Hier würde sie niemand hören. Das triumphierende Lachen erinnerte Kurt irgendwie an seinen besessenen Bruder.
Da passierte das Verrückteste und Unwahrscheinlichste, dass Kurt sich in diesem Moment hätte vorstellen können. Stimmen wurden im geschlossenen Lagerraum am Ende der Lieferanteneinfahrt laut und das Schiebetor öffnete sich quietschend.
Heraus traten mehrere Figuren, die scheinbar besondere Überstunden machten. „Was zur Hölle schreit ihr Arschlöcher hier herum? Wir haben hier etwas zu tun und wollen nicht gestört werden. Du, mit dem schwulen Schnurrbart! Nimm' deine Kröte von Sohn und hau' gefälligst ab!“, meldete sich der potenzielle Anführer der Gruppe zu Wort. Kurt dachte, es wäre um ihn geschehen gewesen. Da meinte Clavier wohl, er müsse den unerschrockenen Helden spielen und erwiderte abwechselnd zahlreiche englische und französische Schimpfwörter, die den Überstunden-Figuren wohl nicht gefielen.
Nun, diese Typen waren in Wahrheit Drogendealer, die sich wohl in ihrem Geschäft gestört fühlten und cholerische Gangstertypen lassen sich nun mal nicht gerne von einem einzelnen, schlaksigen (und sogar noch ausländischem!) Typen drein reden oder gar beschimpfen.
Kurz gesagt: Clavier endete nicht nur mit einer verletzten Hand und einem blauem Fleck am Schienbein, sondern mit mehreren, unschönen Knochenbrüchen im nächst gelegenen Müllcontainer und bald darauf im Krankenhaus.
Kurt war während dieses kurzen Zwiegesprächs unbemerkt an beiden Parteien vorbei geschlichen und nach wenigen Minuten des Wartens im Schatten des Gebäudes nach Hause getrottet, zur Hälfte von seinem Glück geschockt, zur Hälfte von dem Schicksal des Franzosen auf sadistische Weise amüsiert. Rache war ein wunderbares Gefühl, vor allem, weil er selbst nichts hatte dafür tun müssen. Seine Mutter hatte bereits die Polizei informiert und war kurz vorm Nervenzusammenbruch, doch klärte sich mit Kurts Heimkehr schnell alles auf.
Drei Tage später sah er im Fernsehen einen Bericht