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Flirrendes Licht. Dieter Pflanz
Читать онлайн.Название Flirrendes Licht
Год выпуска 0
isbn 9783742726865
Автор произведения Dieter Pflanz
Жанр Языкознание
Издательство Bookwire
„Weshalb?“
„Der hielt dich für absoluten Träumer: völlig weltfremd! - Da konnte ich reden, was ich wollte, von dieser Einschätzung, die ich für absolut falsch hielt, konnte ich ihn nicht abbringen. Später haben wir das Thema Helmut immer gemieden, weil ich dabei fürchterlich an die Decke gehen konnte.“ Sie lachte. Aber auch ihr Vater sei ihm verdächtig gewesen. - Einer der freiwillig in den Krieg gehe und Frau, zwei kleine Kinder zu Hause zurücklasse, tauge nichts! „Das bezog sich auf den Spanienkrieg, in den Papa mit der Legion Condor gegangen war. Wohl 37, 38.“
„Papa hat mir später, kurz vor seinem Tod erzählt, dass er da mit hingemusst habe! Der ganze Stab, er sei Berufsoffizier gewesen.“
„Sicher, oft schlimme Zwänge. - Aber wenn man dann später etwas hört von Guernica, die Bilder sieht, die Berichte, Romane liest, wird einem bei Legion Condor übel -. Nicht nur ein Bisschen.“
Bei ihnen seien diese Taten in der Nachkriegszeit systematisch kleingeredet worden. Gezielte politische Verblödung. Während sie hier vieles aufgearbeitet hätten. „Dieser Krieg wurde damals natürlich vom intellektuellen Aufstand vieler getragen. Aus aller Welt. Macht schon Herzklopfen -. Doch irgendwie war mir bei diesem Krieg auch immer zuviel Emotion im Spiel - Emotion im Anfang. Und bei Emotionen zu Beginn rationalisieren die Leute später oft, und es kommt dann zu irrationalem Verhalten. - Nach meiner Erinnerung, Frey, haben wir damals schon beide viel darüber diskutiert!“
Doch Opa sei es ums Tatsächliche gegangen, nicht ums Politische. Ein Familienvater mit Frau, zwei kleinen Kindern habe nicht freiwillig in den Krieg zu ziehn, Punkt! „Dieser Krieg wurde ja von allen Seiten zwischen angeblich Freiwilligen ausgetragen, bis auf die Franco-Leute“, sagte sie. „Und dass sich Papa später nie wieder zu seiner Familie hinten bei den Russen getraut hat, bestätigte natürlich Opas Verdacht extrem.“
„Der hatte wahnsinnige Angst, verhaftet und zur Umerziehung nach Sibirien geschickt zu werden -“, sagte Helmut. Sich nie nach Ost-Berlin getraut, auch im Anfang nicht, als das noch möglich gewesen wäre. „Dabei habe er sich angeblich den ganzen Krieg und vorher nichts zu schulden kommen lassen. Immer dieser Überzeugung gewesen. - Nur ganz zuletzt, als bei uns zum ersten Mal die großen Dokumentationen über Nationalsozialismus, den Krieg liefen, eine lange Reihe, deren Folgen er sich alle angesehen hat, habe ich ihn zum ersten Mal verstört gesehen. In Bezug auf seine eigene Vergangenheit. Irgendwie politisch verstört, schuldig .... das muss Ende der Siebziger Jahre gewesen sein.“
Sie sahen sich an, lächelten, gingen nach draußen. Als sie schon vor dem Tor waren, lief sie noch einmal zurück, weil ihre Schuhe nicht die richtigen waren. Helmut ging am Zaun entlang durchs Gras, besah sich die Häuser. Der Hund lief mit. Als sie hinten zum Zaun gekommen waren, hörten sie am Eingang Freya rufen. Kalle sprang über eine niedergedrückte Maschendrahtstelle, Helmut folgte ihm langsam.
„Da seid ihr ja -“. Sie hatte sich ganz umgezogen, trug jetzt beige Shorts, weißes T-Shirt, festere Schuhe. „Es ist einfach zu heiß“, sagte sie, als sie seinen musternden Blick sah.
„Steht dir aber gut“, sagte er. „Ich könnte Shorts nicht mehr tragen: lauter Krampfadern. Da würden alle jungen Mädchen entsetzt tuscheln -.“
„Die würden auch über mich tuscheln: - hast du diese Alte gesehen, die auf jung macht?! Fürchterlich.“ Doch wahrscheinlich würden sie von den jungen Mädchen überhaupt nicht mehr gesehen. Die Alten bildeten sich immer nur ein, noch irgendwelche Aufmerksamkeitswerte zu haben -.
Sie lachten. Er vermisse den See, sagte er, nach seiner Erinnerung habe man vom Haus aus den See sehen können. Doch nichts.
Hinter der Hügelkante. Vom Haus aus könne man nur durch eines der oberen Fenster ein Stück vom See sehen: aus seinem alten Zimmer heraus!
„Also doch keine Täuschung -“, sagte er zufrieden.
Als sie ein Stück den Weg durchs Gras gegangen waren, sah er plötzlich unten den See liegen. Die Ufer waren mit Sträuchern, Bäumen bewachsen, auf der gegenüberliegenden Seite verlief eine Landstraße. Einzelne Gehöfte, am linken Ende das Dorf. Der Blick ging weit übers Land, gestaffelte Seen, Wälder, weitere Ortschaften. Die Sonne stand schon tief im Westen rechts, modellierte die Unebenheiten der Landschaft gut heraus.
„Da hast du dir wirklich ein schönes Fleckchen gesucht -.“
„Unsere Ureltern!“ Dabei habe Oma, Uroma, nie und nimmer hier bauen wollen, sondern hinten in Lychen, das damals unter den vornehmen Berlinern sehr angesagt gewesen sei, habe Opa mal erzählt. Das sei ein Riesenkrach zwischen seinen Eltern gewesen, doch sein Vater habe sich schließlich durchgesetzt. Er sei hinten aus Pommern gewesen, von einem Bauernhof aus einem kleinen Dorf. Da der älteste Sohn den Hof erbte, hatten die anderen weichen müssen. Uropa, Opas Vater, habe Maurer gelernt und sei später nach Berlin gegangen, weil dort mehr zu verdienen war. Nach der Meisterprüfung als Bauunternehmer selbstständig gemacht, die Aufbruchsphase im Kaiserreich nach 70/ 71, mit den hohen Reparationsleistungen der Franzosen. „Kurz: Uropa wurde vermögend, aber sein Herz hing noch an dem kleinen Dorf seiner Kindheit in Pommern. Und so hat er sich hier eine Ersatzheimat gebaut, wenigstens für den Sommer. Mit Großstadtleben soll er, eigentlich, nichts haben anfangen können.“ Sie lächelte. „Doch er starb früh. Mitte Fünfzig soll er schon von Arthrose, Rheuma, einem Arbeitsunfall kaputt gewesen sein, so dass er sich kaum noch bewegen konnte.“
Sie gingen den schmalen Pfad im Hang hinunter. Seine Schwester hatte ihn vorsichtig gefragt, ob er sich diese Unebenheiten zutraue, vor dem steilen Anstieg zurück gewarnt, doch er wollte zum Wasser. Am Ufer unten war eine kleine Plattform an Erlen befestigt - Kunststofffässer mit Brettern drüber -, davor ein Ruderboot. Die Nachbarn oben seien Angler, aber selten in ihrem Haus. Sie schlugen den Uferpfad nach links ein, der noch schmaler war. Lauter Erlen, einige Birken, dünne Buchen.
Nach einigen hundert Metern kamen sie zu der Stelle, die sie ihm hatte zeigen wollen. „Erinnerst du dich?“
Er wiegte den Kopf, hob die Schultern. „Unsere alte Badestelle -?“
„Genau! Aber jetzt sind die Ufer völlig überwuchert. Damals, zu unserer Zeit, kamen die Leute hinten vom Dorf im Winter, wenn alles zugefroren war, um die Uferbäume zu schneiden. Brennholz war kostbar. Doch das hat schon lange aufgehört, nur noch die Biber fällen hier. Alles unter Naturschutz.“
„Trotzdem schöne Stelle zum Baden.“
Ja, das Gras wachse nie sehr hoch, und hinter der Uferböschung falle das Wasser gleich tief ab. Sogar mit Sand.
Sie setzte sich ins Gras, das im Schatten der Bäume lag. Helmut warf einen Stock ins Wasser, forderte Kalle auf, ihn zu holen. Doch der Hund stand nur am Ufer, bellte den Stock an.
Der sei wasserscheu -. Den bekomme sie nicht ins Wasser, so oft sie es auch schon versucht habe. Der Hund ging jetzt vorsichtig mit den Vorderfüßen hinein, fasste mit hoch gezogenen Lefzen den herangetriebenen Stock, zog ihn sich ins Trockene, kaute drauf herum. Wenn sie schwimmen gehe, belle er ihr vom Ufer aus immer nur nach. Seit sie den Hund habe, traue sie sich nicht mehr, weit hinauszuschwimmen, weil sie befürchte, er komme vielleicht doch noch hinterher, ertrinke dann in seiner Panik. Früher sei sie bis in die Hälfte des Sees geschwommen oder ganz rüber.
Sie lachten, er setzte sich dicht neben sie ins Gras. „Du warst immer eine gute Schwimmerin, weitaus bessere als ich.“
„Im Wasser fühle ich mich wohl. Schwimmen strengt mich auch nicht an. Im Wasser bin ich rundum zufrieden, manchmal sogar glücklich.“
Dann müsse sie es oft tun, sagte er lächelnd. Was einen glücklich mache, solle man tun!
„Wollen wir?“ fragte sie. „Ich hätte Lust.“
„Los ... du! Ich nicht: ich habe meine Stützstrümpfe an -.“
„Du auch, Stützstrümpfe müssen bei der Hitze doch fürchterlich sein.“ Schon hatte sie die Kleider abgestreift, watete in den See. Er sah auf ihren nackten Körper, der langsam im Wasser verschwand, bis sie sich mit Schwung nach vorn