ТОП просматриваемых книг сайта:
Flirrendes Licht. Dieter Pflanz
Читать онлайн.Название Flirrendes Licht
Год выпуска 0
isbn 9783742726865
Автор произведения Dieter Pflanz
Жанр Языкознание
Издательство Bookwire
Er stand mit auf, trug die Gläser, Teller, und während sie in die Küche gingen, meinte er, sie habe es wohl verstanden, dass er Gefühle eng an gelernte Wissen gekoppelt sehe. Das ergebe völlig neue Sichten! Habe ihn immer als Schreiber interessiert, seit Jahrzehnten.
„Und bist du damit durchgedrungen?“
So ganz nicht … richtig durchgedrungen sei er ja überhaupt noch nicht, mit nichts -. Er schnaubte. Nur spüre er, dass dieses Feld sehr wichtig sei, verlange aber völlig andere Schreibe als bisher. Und sei gefährliches Gelände. Seelenleben äußerst gefährlich. Weil seit ewig zementiert, als Erklärungsmodell! Durch die Religionen, fast allen, und ihren angehängten Machtsystemen. Die Seele -: immer und überall heiliger Bezirk, vermintes Gelände. Undurchschaubare Kräfte, völlig richtungslos!
Sie lachte, während sie Käse, Wurst aus dem Kühlschrank auf die Platten legte. „Ich merke schon, wie lange dich das beschäftigt hat.“
„Ja ... unglaublich wie stark Seelen noch immer ihr Unwesen treiben -.“ Er goss das siedende Wasser auf den Tee.
„Das könnte ich wirklich nicht sagen. Es sind doch nur Wörter, Diskussionen auf der Wortebene. - Ich wüsste wirklich nicht, dass wir ans alte Seelenleben geglaubt hätten ... die Psychischen Erklärungsmodelle sehen doch heute ganz anders aus.“
„Aber bei uns nicht! Direkt unheimlich, wie oft da ‚Seelenleben‘, ‚Seele‘ auftauchen - wenn man drauf geeicht ist, genau hinzuhören. In den Zeitungen, dem Fernsehn, Radio, bei Politikern, Wissenschaftlern ... nicht nur bei Pastören, Bischöfen. Ich hatte schon den Verdacht, dass auch dieses Feld gezielt dem Marketing des Freien Marktes unterworfen wird -.“ Er schnaubte auf. „Um deren Verkauf abzusichern!“
Aber das sei doch schon lange bekannt, meinte sie, dass die Religionen, ihre Repräsentanten immer enorm mitgeholfen hätten, die jeweiligen materiellen Herrschaftsbereiche abzusichern. Sei es nun die des Adels, Großbürgertums, anderer Gruppen. Bekannt seien die Versuche, die Erfolge des Kapitalismus mit den rigiden Regeln des Kalvinismus zu erklären.
Das wisse er, habe es noch anders gemeint: - die Erklärungsstrukturen des sogenannten Freien Marktes seien verteufelt ähnlich denen des sogenannten Seelenlebens. Überall freie Triebkräfte am Werk! Erst einmal - die gleiche Richtungslosigkeit.
Wieder kicherte er.
„Das kann ich nicht beurteilen.“
„Denk doch mal nach! Die Richtungslosigkeit im sogenannten freien Markt ... nix mit Plan, Planwirtschaft. Und auch im freien Seelenleben! Der Freie Wille. - Prädestination ... haben sich die Leute schon vor Jahrhunderten den Kopf drüber zerbrochen, wie so etwas funktionieren kann: frei zu denken, zu entscheiden - wenn Gott vorher alles erschaffen hat. Und immer noch weiter entscheidet.“
Seine Schwester sah ihn an, ohne ihn zu sehen.
„Wenn man jedoch jedes Wissen mit Gefühlen koppelt, irgendwo im Untergrund, dann bekommt das Ganze plötzlich Richtung! Oder viele Richtungen, da der Mensch natürlich unendlich viele Wissen lernt, abspeichert. Und die dann aufsteigenden Gefühle hätten mit dem sogenannten Seelenleben zu tun ... wieder dasselbe Wort: aber plötzlich andere Richtung drin! Oder Richtungen.“
Sie war jetzt dicht bei ihm. Er spürte, wie sie ganz dicht bei ihm war.
„Und das alles beschreibst du … in deinem neuen Roman -?“, sagte sie langsam.
Nein, dies seien Überlegungen, die ihn seit Jahrzehnten beschäftigten. Seit er damals in der Bildungsstätte mit den Kindern gearbeitet, sich über seine Kollegen geärgert habe - sie erinnere sich, schon ewig her. Der Roman, an dem er gerade schreibe, sei eine Liebesgeschichte. Aber tragisch schöne, er schmunzelte. „Ganz willentlich bewusst angefangen ... um die Scheißkrankheit aus dem Hirn zu kriegen, mich auf Anderes zu konzentrieren! Ich hatte es dir eben erzählt. Das mit der einundneunzigprozentigen Wahrscheinlichkeit des Rückfalls -. Deshalb muss ich schnell auch wieder zurück, um weiterzuschreiben!“
„Tu mir das nicht an, Helmut!“ sagte sie erschrocken. „Wo wir uns nach dieser wahnsinnig langen Zeit endlich mal wieder getroffen haben -!“
„Du, ich muss! Ich merke, wie irre ich schon wieder an den Krebs denke. Seit Stunden rede ich von nichts anderem als von meinen verdammten Krankheiten -!“
Das stimme überhaupt nicht. Sie hätten über vieles gesprochen, genau wie früher. „Ich fühle mich so verdammt gut, wie schon ewig nicht mehr. Tu mir das nicht an, Helmut, dass du schon wieder abhauen willst!“
Auf einmal sah sie eingefallen aus, traurig. Er strich ihr über die Nase, schloss die Augen. „Ich fühl mich auch wie früher - wenn ich auch kribbelig, nervös bin.“ Doch sie solle ihn sofort auf die Füße treten, wenn er wieder von den Krankheiten anfange! Das sei Gift für ihn.
„Und du trittst zu, wenn ich wieder von den verlorenen Berufen anfange! Das darf ich nicht. Ich soll spontan sein: nur nach vorn blicken.“ Sie lachte. „Sagt meine Psychiaterin.“
Und plötzlich fasste sie ihn an den Ohren, küsste ihn auf den Mund. Er erwiderte den Kuss, lange.
„Wegen der verlangten Spontaneität.“
5
Sie setzte einen kleinen Topf auf, goss aus einem Behälter rötlich braune Masse hinein, rührte ständig. „Was is‘ denn das?“ fragte Helmut misstrauisch, beugte sich vor.
„Sehr lecker: Hühnermägen, Hühnerleber, Hühnerherzen. Dazu Zwiebeln und Möhren, Maggi - der Kalle ist ganz scharf drauf. Deshalb dachte ich, es sei auch etwas für dich.“
Man könne gar nicht vorsichtig genug sein, meinte er, unglaublich, was man heute in fremden Haushalten an Besonderheiten vorgesetzt bekomme - . Wenn nur der Name exotisch gut klinge, alles habe sich auf Wortebenen verschoben. Er sei vor allem bei Bratkartoffeln, Grünkohl, Sauerkraut geblieben.
„Genau so habe ich dich eingeschätzt.“ Sie lachte. „Erinnerst du dich, wie wir oft in der Nacht noch Bratkartoffeln gemacht haben?! Auf unserem schönen Ofen, im Winter, wenn wir Hunger hatten. Und Hunger hatten wir immer!“
Aber für Bratkartoffeln habe sie die Kartoffeln immer in zu dicke Scheiben geschnitten. Sei nicht in ihren Kopf gegangen: dass die dünn zu sein hatten.
„Ich habe mich nur dumm gestellt, damit du es machtest. Ich wollte immer weiter in meinen Romanen lesen -.“
„Deine subtile Art, mich zu ärgern. Hab aber immer gerne gekocht ... für dich immer! Pudding, Götterspeisen, anderes Süßes.“
„Und du hast mitgegessen - gierig, gierig. Wer von uns den Topf auskratzen durfte, war stets umstritten! Ich habe es als Erster gesagt!“
„Nein: ich, ich!“
Sie lachten, trugen Brot, die Platten,Tee in den anderen Raum. Er sei überhaupt ein ziemlich häuslicher Typ gewesen, seine Bratkartoffelpfanne habe er anschließend penibel ausgewischt. Von außen habe sie fürchterlich ausgesehen, aber innen stets astrein. Sie habe sich nie in ihrem Leben für Haushalt interessiert, erst jetzt, wo alles andere vorbei sei, müsse sie es notgedrungen tun.
Der Hund klapperte in einer Ecke mit dem Napf, schob ihn auf den Steinfließen gierig vor sich her, um alle Reste aus den Ecken zu bekommen. Sie aßen, sprachen über die Zeit, als sie in dieses Haus gezogen waren. Mitten im Krieg, als die Bombenangriffe losgegangen seien, 42 oder 43, das genaue Jahr wussten sie nicht. Freya meinte, sie sei noch in Berlin in die Schule gekommen, in die Erste Klasse oder beide ersten, er sowieso zuerst in der Stadt. Dann seien sie unten im Dorf in die Schule gegangen und auf einmal in dieselbe Klasse, weil die kleine Schule in dem roten Backsteinbau nur zwei Klassen gehabt habe: Eins bis Vier, Fünf bis Acht.
Sie lachten. „Wie