Скачать книгу

und er dankte dem Erlöser und seiner

       süßen Mutter. Der falsche Priester wurde dem Scheiterhaufen

       überliefert, der König aber diente seiner

       Gattin und hielt sie treu und wert, während diese nie

       der Wohltat vergaß, die ihr Gott und die heilige Jungfrau

       hatten angedeihen lassen.

       14. Prosanovellen des 13. Jahrhunderts

       Aucassin und Nicolette

       Aucassin, der Sohn des Grafen von Beaucaire, liebte

       eine Jungfrau, welche Nicolette hieß. Sie hatte blonde,

       dichtgelockte Haare, blaue, lachende Augen, ein

       längliches Angesicht, eine hohe wohlstehende Nase,

       Lippen von zarterem Rot als Kirschen und Rosen zur

       Sommerszeit und kleine weiße Zähne. Ihre Brüstlein

       waren hart und hoben ihr Gewand nicht höher als es

       zwei Walnüsse getan hätten. Sie war schlank um die

       Lenden, daß ihr sie mit euren beiden Händen hättet

       umspannen können, und die Maßliebchen, die, von

       ihren Zehen geknickt, ihr auf den Reihen des Fußes

       fielen, waren geradezu schwarz gegen ihre Füße und

       Beine: so weiß war das Mägdlein. Nicolette war aber

       eine Gefangene, die aus fremden Landen hergeführt

       war. Von Sarazenen hatte sie der Vizegraf gekauft, er

       hatte sie aus der Taufe gehoben und zu seinem Patenkinde

       gemacht. So kam es, daß der Graf, Aucassins

       Vater, unter keinen Umständen eine Verbindung seines

       Sohnes mit der Jungfrau dulden wollte. Diesen

       hatte sein Liebesgram so niedergedrückt, daß er sich

       aller ritterlichen Übungen enthielt und nur seinen Gedanken

       an Nicolette nachhing. Nicht einmal die ewige

       Seligkeit kümmerte ihn mehr: »Was habe ich im Paradiese

       zu tun?« sagte er. »Ich will gar nicht hinein,

       wenn ich nur Nicolette habe, mein süßes Mädchen,

       das ich von Herzen liebe. Ins Paradies kommen nur

       jene alten Pfaffen und jene alten Krüppel und Lahmen,

       die Tag und Nacht vor den Altären und in den

       alten Grüften hocken, die mit den alten abgeschabten

       Kapuzen und den alten Lumpen angetan, die nackt

       sind und barfuß und ohne Hosen, und vor Hunger und

       Durst, Frost und Elend sterben. Die kommen ins Paradies;

       mit denen habe ich nichts zu tun. Aber in die

       Hölle will ich gehen! Denn in die Hölle kommen die

       weisen Meister und die schönen Ritter, die in Turnieren

       und in gewaltigen Kriegen gefallen sind, die guten

       Knappen und die freien Männer. Mit diesen will ich

       gehn! Auch kommen dahin die schönen höfischen

       Damen, die neben ihrem Herrn zwei oder drei Freunde

       hatten. Auch kommt dahin das Gold und das Silber,

       Pelz und Grauwerk und Harfner und Spielleute

       und die Könige der Welt. Mit diesen will ich gehn;

       aber Nicolette, mein süßes Lieb, muß bei mir sein.«

       Indessen bedrängte ein feindliches Heer die Burg

       des Grafen, und dieser suchte Aucassin durch die Versprechung,

       daß er Nicolette, welche in einen Turm

       eingeschlossen war, sprechen und küssen dürfe, zur

       Teilnahme am Kampfe zu bewegen. Diese Aussicht

       veranlaßte auch wirklich den Jüngling, in die Schlacht

       zu ziehen. Glaubt aber ja nicht, daß er daran dachte,

       Ochsen, Kühe oder Ziegen zu rauben oder mit einem

       Ritter Hiebe zu wechseln. Nein, durchaus nicht! Er

       war so in Gedanken an Nicolette, sein süßes Lieb,

       verloren, daß er ganz der Zügel vergaß und alles dessen,

       was er hätte tun sollen. Das Roß aber, das die

       Sporen gefühlt hatte, trug ihn ins Gedränge und stürzte

       sich mitten unter die Feinde. Diese legten Hand an

       ihn von allen Seiten, entrissen ihm Schwert und

       Lanze, führten ihn spornstreichs als Gefangenen fort

       und berieten sich schon, welchen Tod sie ihn sterben

       lassen wollten. Da aber bedachte sich Aucassin, daß

       er sein süßes Liebchen nicht mehr küssen könne,

       wenn ihm der Kopf abgeschnitten würde, er legte

       Hand ans Schwert, richtete um sich her ein Blutbad

       an und sprengte im Galopp zurück.

       Nicolette fühlte sich indessen vor den Nachstellungen

       des Grafen in ihrem Turme nicht mehr sicher und

       beschloß, zu fliehen. An Bettlinnen und Handtüchern

       ließ sie sich herab, durchquerte unter großer Mühe

       und Drangsal den Burggraben und flüchtete sich in

       einen Wald. Ohne Säumen schritt sie dann / durch

       den tiefen dichten Tann / auf verwachsnem Steige

       fort, / bis sie kam an einen Ort, / wo sich in der Wildnis

       Mitten / sieben Waldespfade schnitten. / Sie hält

       hier am Kreuzweg inne / und gedenkt des Freundes

       Minne, / ob sich die so wahr erprobt, / wie sein Wort

       es ihr gelobt. / Und aus frischem Stechpalmgrün, / aus

       den Lilien, die dort blühn, / bildet sie mit schwankem

       Dach / ein geflochtnes Laubgemach. / Und sie

       schwört bei Gottes Gnade: / »Kommt mein Freund

       auf diesem Pfade, / ohne daß sein Herz ihm kündet, /

       wer dies blum'ge Haus gegründet, / und er mir die

       Liebe tut, / daß er hier ein Weilchen ruht, / dann ist

       falsch, was er verspricht, / und wir sollen länger nicht

       / Lieb und Liebchen heißen!« Und wirklich traf Aucassin,

       als er einst auf einem Ritt durch den Wald Erholung

       und Zerstreuung suchte, auf Nicolettes Blumenlaube:

       »Ha, bei Gott,« rief er aus, »hier war Nicolette,

       mein süßes Lieb, und das baute sie mit ihren

       schönen Händen. Um ihrer Huld und Liebe willen

       werde ich absteigen und hier die Nacht über ruhen.«

       Die Liebenden beschlossen nun, in ein anderes

       Land zu ziehen, Aucassin nahm die Jungfrau vor sich

       auf sein Roß, und sie ritten zum Gestade des Meeres,

       wo sie Kaufleute trafen, die sie willig in ihr Schiff

       aufnahmen. Doch als sie auf hoher See waren, erhob

       sich ein großer, gewaltiger Sturm und trieb sie von

      

Скачать книгу