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Französische Volksmärchen in deutscher Sprache - 583 Seiten. Ernst Tegethoff
Читать онлайн.Название Französische Volksmärchen in deutscher Sprache - 583 Seiten
Год выпуска 0
isbn 9783742762917
Автор произведения Ernst Tegethoff
Жанр Языкознание
Издательство Bookwire
und die Hochzeit dauerte vierzehn Tage; es
herrschte große Freude in Byzanz, und in der ganzen
Stadt tat man nichts als essen, trinken und Kurzweil
treiben.
Der Kaiser blieb lange fern, als er aber sein Geschäft
beendet hatte, kehrte er in die Hauptstadt zurück.
Als er auf zwei Tagereisen herangekommen
war, kamen ihm Boten aus der Stadt entgegen, die
fragte er, wie es drinnen stehe. Da sagten sie ihm, daß
es nichts gebe als Freude und Kurzweil. »Warum
das?« fragte der Kaiser. »Warum, Herr? Wißt Ihr
denn das nicht?« »Ich weiß von nichts, so rede doch!«
Da berichtete der Bote, was sich in der Abwesenheit
des Kaisers zugetragen habe. Dieser erschrak und
fragte, wieviel Zeit schon seit der Hochzeit verstrichen
sei. »Herr,« sagte der Bote, »es ist möglich, daß
Eure Tochter schon schwanger ist, denn er hat sie
schon vor mehr als drei Wochen geheiratet.« »Da es
sich nun einmal so verhält,« versetzte der Kaiser, »so
müssen wir es hinnehmen, zumal da wir nichts mehr
daran ändern können.« Und als er in die Stadt kam,
legte er seine Hände auf das Haupt seiner Kinder und
segnete sie, dann ließ er seinen Schwiegersohn zum
Ritter schlagen und vermachte ihm nach seinem Hinscheiden
sein ganzes Reich.
Amicus und Amelius
In einem deutschen Schlosse wurde zur Zeit des Frankenkönigs
Pippin, einem edlen und frommen Ritter,
ein Sohn geboren. Weil das Kind ihr einziges war, so
versprachen die Eltern Gott und dem heiligen Petrus
und Paulus, sie wollten es in Rom vom Papste taufen
lassen, wenn sie am Leben blieben. Zur selben Zeit
hatte der Graf von Antwerpen ein Gesicht während
der Schwangerschaft seiner Frau, in welchem er sah,
wie der Heilige Vater in Rom viele Kindlein taufte
und im Glauben stärkte. Diesen Traum deutete man
ihm dahin, daß er einen Sohn bekommen werde, den
er vom Papste taufen lassen müsse. Das Kind wurde
geboren und mit Sorgfalt auferzogen, als es aber zwei
Jahre alt war, da trug es sein Vater nach Rom. In der
Stadt Lucca traf er den deutschen Ritter, welcher zum
gleichen Zwecke nach Rom zog, und sie taten sich zusammen;
die Kindlein aber schlossen innige Freundschaft
und aßen und schliefen miteinander. Die Knaben
wurden in der Kirche des Heilandes vom Papste
getauft und der Grafensohn erhielt den Namen Amelius,
während der Ritterssohn Amicus genannt wurde.
Nach der heiligen Handlung ließ der Papst zwei mit
Gold und Edelsteinen verzierte Holzbecher bringen,
welche einander völlig gleich waren, die gab er den
Kindern und sprach: »Nehmt diese Gabe zur Erinnerung
daran, daß ich euch in der Kirche des Heilandes
getauft habe!« Dann kehrten die Eltern wieder voll
Freude heim, jeder in sein Land.
Dem deutschen Ritterssohn gab Gott große Weisheit,
und als er das Mannesalter erreicht hatte, da raffte
ein Fieber seinen Vater hinweg. Nach dem Tode
des Vaters taten ihm seine Neider aus Haß mancherlei
Unrecht, doch er trug geduldig, was man ihm antat.
Schließlich trieben sie es so weit, daß sie ihn samt
seinen Getreuen vom väterlichen Erbe verjagten, und
er sprach zu seinen Begleitern: »Aus Haß haben mich
meine Neider von meinem Erbe vertrieben, aber ich
baue auf die Hilfe Gottes. Gehen wir an den Hof des
Grafen Amelius, der mein Freund und Gefährte
wurde. Dieser wird uns mit seiner Habe reich machen.
Tut er das nicht, so ziehen wir zu Hildegard, der Königin
und Gattin des Frankenkönigs Karl, welche gewöhnlich
die Enterbten unterstützt.« Sie begaben sich
also an den Hof des Grafen, doch sie fanden ihn nicht,
denn er war nach Deutschland gegangen, um seinen
Freund über den Tod des Vaters zu trösten. Als der
Graf denselben nicht antraf, ging er voll Unmut fort
und beschloß, nicht eher heimzukehren, bis er seinen
Gefährten Amicus gefunden habe. Ebenso suchte dieser
seinerseits den Grafen ohne Unterlaß. Dabei kam
er mit seinen Begleitern in das Haus eines Edelman-
nes, wo er beherbergt und bewirtet wurde. Der Edelmann
aber sagte zu den Getreuen des Ritters: »Bleibt
bei mir, ihr Herren, ich will eurem Herrn um seiner
großen Weisheit willen meine Tochter geben und
euch alle will ich reich an Gold und Gut machen.«
Dieser Rat gefiel ihnen und sie feierten mit großen
Festen die Hochzeit des Amicus.
Als sie ein Jahr und ein halbes dort verweilt hatten,
sprach Amicus zu seinen Getreuen: »Wir haben übel
gehandelt, daß wir es solange unterlassen haben,
Amelius zu suchen.« Und er ließ zwei seiner Gefolgsleute
und seinen Becher zurück und machte sich auf
gen Paris. Der Graf aber hatte Amicus ohne Unterlaß
zwei Jahre lang gesucht und zog gleichfalls nach
Paris. Auf dem Wege dorthin traf er einen Pilger, den
fragte er nach Amicus, dem Landflüchtigen. Obwohl
ihm der Pilger keine Auskunft geben konnte, schenkte
er ihm doch seinen Mantel und bat ihn, für den Erfolg
seines Suchens zu beten. Am nämlichen Abend traf
Amicus den Pilger und fragte ihn nach dem Grafensohn
von Antwerpen. »Spottet Ihr meiner,« sprach da
der Pilger voll Unmut, »Ihr selbst seid doch Amelius
und habt mich erst heute nach Eurem Gefährten Amicus
gefragt!« So ähnlich sahen die Freunde einander.
Am anderen Morgen war Amelius wieder von Paris
aufgebrochen und saß mit seinen Rittern in einer blühenden
Wiese am Seinefluß beim Mahl. Als sie aber
Amicus mit seinen bewaffneten Begleitern heranreiten
sahen, da sprangen