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Französische Volksmärchen in deutscher Sprache - 583 Seiten. Ernst Tegethoff
Читать онлайн.Название Französische Volksmärchen in deutscher Sprache - 583 Seiten
Год выпуска 0
isbn 9783742762917
Автор произведения Ernst Tegethoff
Жанр Языкознание
Издательство Bookwire
auf uns zukommen. Kämpft tapfer und verteidigt
euer Leben!« Dann gingen beide Teile mit gefällten
Lanzen und entblößten Schwertern aufeinander los,
aber ehe sie zusammenprallten, fügte es Gott, daß sie
ihre Rosse anhielten. »Wer seid Ihr, Ritter,« sprach
Amicus, »da Ihr Amicus, den Verbannten, und seine
Begleiter töten wollt?« Jetzt erkannte Amelius seinen
Gefährten und gab sich ihm zu erkennen. Sie stiegen
beide vom Rosse, umarmten einander und dankten
Gott, daß er sie endlich zusammengeführt habe. Darauf
gingen sie an den Hof des Frankenkönigs Karl;
dieser empfing sie freundlich und machte Amicus zu
seinem Schatzmeister, Amelius aber zu seinem Seneschall.
Nach dreijährigem Aufenthalt am Hofe zu Paris
sprach Amicus eines Tages zu seinem Freund: »Lieber
Gefährte, mich verlangt danach, meine Frau zu
besuchen, welche ich daheim zurückließ. Ich werde
zurückkehren, sobald ich es vermag. Bleibe du am
Hofe, aber hüte dich, die Königstochter zu berühren
und nimm dich vor dem treulosen Ardri in acht!«
Aber als Amicus fort war, warf Amelius seine Augen
auf die schöne Königstochter und vergaß das Gebot
seines Gefährten. Und das war nicht weiter merkwürdig,
denn er war weder heiliger als David noch weiser
als Salomo. Unterdessen kam der treulose Ardri, der
ihn beneidete, zu ihm und sprach: »Du weißt also
nicht, daß Amicus geflohen ist, weil er den Schatz des
Königs bestohlen hat?« So drängte er sich an ihn, daß
Amelius mit ihm Freundschaft schloß und ihm sein
Geheimnis enthüllte. Eines Tages, als der Graf dem
König das Wasser zum Händewaschen reichte, sprach
der falsche Ardri zu Karl: »Nehmt kein Wasser von
diesem Schurken, mein Herr und König, denn er ist
des Todes mehr wert als des Lebens, weil er der Königstochter
die Blüte der Jungfrauschaft genommen
hat.« Bei diesen Worten des Verräters fiel Amelius
zitternd zu Boden und konnte kein Wort hervorbringen.
Der König jedoch hob ihn wohlwollend auf und
sprach: »Erhebe dich, Amelius und fürchte dich nicht,
sondern verteidige dich gegen diesen Vorwurf!« Da
erhob sich der Graf und sprach: »Mein Herr und
König, glaubt nicht den Lügen des falschen Ardri. Ich
weiß, daß Ihr ein gerechter Richter seid, darum bitte
ich Euch, mir Frist zu gewähren, daß ich mich mit
meinen Freunden beraten kann. Dann will ich mich
gegen diesen Vorwurf verteidigen und mit dem Verräter
vor dem ganzen Hofe kämpfen.« Der König gewährte
beiden eine Frist bis zum Abend, und als die
Frist abgelaufen war, da wies Ardri einen Grafen Her-
bert vor, der für ihn bürgen wollte, aber Amelius fand
keinen Fürsprecher. Er bat daher um eine neue Frist
und sie wurde ihm auf Bitten der Königin gewährt,
doch unter der Bedingung, daß Hildegard für immer
vom Bette ihres Gemahls geschieden bleiben sollte,
wenn Amelius nicht rechtzeitig zurückkehrte, denn sie
schien mitschuldig an dem begangenen Unrecht.
Amelius ritt aus der Stadt und traf auf seinen Freund,
welcher gerade an den Hof zurückkehren wollte. »Ich
habe dein Gebot schlecht befolgt,« sprach er zu ihm,
»denn ich habe mich der Königstochter wegen dem
Tadel ausgesetzt und habe einen Zweikampf gegen
den treulosen Ardri angenommen.« »Tauschen wir
unser Gewand!« erwiderte Amicus, »du gehst in mein
Haus und ich will für dich gegen den Verräter Ardri
kämpfen.« Sie tauschten ihre Kleider und ihre Rosse,
und Amicus ging in der Gestalt des Amelius an den
Königshof, während letzterer in der Gestalt des Gefährten
in dessen Haus zog. Als das Weib des Amicus
ihren vermeintlichen Gatten zurückkommen sah, da
lief sie ihm entgegen und wollte ihn umarmen, er aber
stieß sie von sich und sprach, er trage Kummer im
Herzen. Abends bestiegen sie das gemeinsame Lager,
aber Amelius legte sein Schwert zwischen sich und
die Frau und sprach zu ihr: »Hüte dich, mich anzurühren,
sonst stirbst du von diesem Schwert!«
Der für den Zweikampf angesetzte Zeitpunkt war
gekommen und die Königin erwartete Amelius mit
Ungeduld. Schon frohlockte der Verräter, da trat Amicus
in der Gestalt seines Gefährten vor den König und
sprach: »Gerechter Richter, ich bin bereit, gegen den
falschen Ardri zu kämpfen, um mich, die Königin und
ihre Tochter von dem Makel, mit dem man uns befleckt
hat, zu reinigen.« »Wenn du im Kampfe siegst,
Graf,« sagte der König, »so werde ich dir meine
Tochter zur Frau geben.« Am andern Tage traten
Amicus und Ardri bewaffnet in die Schranken in Gegenwart
des Königs und des gesamten Hofes. Die Königin
aber und ihre Frauen beteten für den Kämpfer
der Königstochter. Darauf schwur Ardri, daß sein
Gegner die Königstochter geschändet habe, dieser
aber schwur dawider, er habe sie nie berührt. Sie
kämpften von der dritten bis zur neunten Stunde, dann
wurde Ardri besiegt und Amicus hieb ihm das Haupt
ab. Der König freute sich, daß seine Tochter von diesem
Vorwurf gereinigt war und er gab sie dem Sieger
nebst vielem Silber und Gold und einer Stadt am
Meer, in welcher sie wohnen sollten. Amicus ritt zu
seinem Weibe und Amelius feierte Hochzeit mit der
Königstochter und zog mit ihr in jene Stadt am Meer.
Bald darauf geschah es mit Zulassung Gottes, daß
Amicus aussätzig wurde und das in solchem Grade,
daß er sein Lager nicht mehr verlassen konnte, denn
Gott züchtigt, wen er liebt. Sein Weib begann ihn zu