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wir uns die Zimmersuche erleichtern können“, meinte dieser pragmatisch.

      „Ist Claire Marie denn noch bei ihrer Oma?“ wollte sie schließlich wissen, nur um etwas zu sagen.

      „Wahrscheinlich nicht“, gab Henno zur Antwort. „Sie macht immer nur kurze Stippvisiten bei ihr. Wenn es klappt, findet sie recht preiswerte Wege für die Überfahrt, wie du ja mitgekriegt hast. Davon macht sie die Besuche bei ihrer Großmutter abhängig. Ihre Familie wohnt nämlich bei Calais.“

      Damit war das Thema erschöpft, obwohl Steffi gerne noch mehr erfahren hätte. Aber sie wollte nicht neugierig erscheinen. Wahrscheinlich hatte sie sich in Hennos Augen eh schon lächerlich gemacht mit ihrem Misstrauen. Und wenn Birgit von der Existenz dieses Mädchens wusste und keines hegte, dann war es ja wirklich unnötig, dass sie etwas hinter der Sache suchte, was gar nicht da war!

      Als sich später die Gelegenheit zu einem Vieraugengespräch mit Birgit ergab, erfuhr sie doch noch ein bisschen mehr. Claire Marie Owell war die Tochter eines Engländers und einer Französin, wobei die Ehe nicht allzu lange gedauert hatte. Der Vater ging zurück nach England, doch sie hatte eine besonders innige Beziehung zu dessen Mutter entwickelt und nutzte deshalb jede Gelegenheit, sie zu besuchen.

      „Findest du das nicht leichtsinnig, sich immer bei wildfremden Leuten zu einer Überfahrt zu verhelfen?“ wunderte sich Steffi, was Birgit mal wieder zum Lachen brachte.

      „Du bist einfach zu behütet aufgewachsen. Wenn man nicht viel Geld hat, muss man eben auch mal ein Risiko eingehen, um was zu erreichen. Glaube mir, ich würde das genauso wie dieses Mädchen machen.“

      Ob Birgit auch noch so gelassen wäre, wenn sie die Beiden erlebt hätte? Aber jetzt wollte Steffi wirklich nicht weiterbohren. Wahrscheinlich hatte sie nur eine falsche Vorstellung von Partnerschaft und Liebe – alles viel zu idealistisch! Sie konnte froh sein, dass Volker nur für sie da zu sein schien.

      Und doch nagte es an ihr. Sie konnte zwar volles Vertrauen in ihn setzen, aber irgendetwas fehlte in ihrer Beziehung. Richtige Liebe sollte sich einfach anders anfühlen, nicht so selbstverständlich, dafür mit mehr Leidenschaft und Kribbeln im Bauch! So, wie sie es bei Henno und Birgit beobachtete.

      Claire Maries Oma lebte in einer typischen englischen Reihenhaussiedlung und hatte tatsächlich im Nachbarhaus ein Zimmer für Steffi und Volker organisiert. Sie begrüßte Henno wie einen alten Bekannten und bestand darauf, dass Steffi und Volker am nächsten Morgen zum Frühstück zu ihr kämen - das sei sie Claire Maries Freunden schuldig! Steffi war beeindruckt von soviel Herzlichkeit und bekam geradezu ein schlechtes Gewissen wegen ihrer Verdächtigungen. Jetzt genoss sie einfach die Situation. Auch Volker fühlte sich sichtlich wohl.

      Nachdem sie ihre Sachen in den Zimmern abgestellt hatten, fuhren sie gemeinsam zu der Leasingfirma, um das Auto abzugeben und anschließend in einem kleinen Inn noch ein letztes englisches Abendessen zu sich zu nehmen. Noch einmal ließen sie die Eindrücke der Reise aufleben und waren übereinstimmend der Meinung, dass sie ein voller Erfolg war.

      Abschließend machten sie einen kleinen Strandbummel. Birgit und Volker suchten Muscheln, während Henno und Steffi sich mehr dem Sonnenuntergang widmeten. Plötzlich nahm er ihren Arm, was einen eigenartigen Schauder in ihr hervorrief.

      „Und“, fragte er, „bist du zufrieden mit dem Verlauf?“

      Verwundert schaute sie zu ihm hoch.

      „Es war eine tolle Reise. Wieso sollte ich nicht zufrieden sein?“

      Er lachte leise in sich hinein, was ihr wie schon oft das Gefühl vermittelte, er könne bis in ihr Innerstes sehen.

      „Weißt du, ich werde das Gefühl nicht los, dass du glaubst, ich hätte es mit Claire Marie im Hause ihrer Großmutter getrieben. Könntest du dir das wirklich vorstellen?“

      Steffi wand sich vor Verlegenheit.

      „Wie kommst du denn auf so etwas?“

      „Ich sehe dir das an der Nasenspitze an. Aber ich bin dir dankbar, dass du deinen Verdacht für dich behalten hast. Birgit legt nämlich viel Wert auf deine Meinung.“

      Sie spürte, wie eine unangenehme Hitze in ihr hochstieg. Bestimmt war sie über und über rot geworden.

      „Es tut mir Leid, wenn ich so überspannt reagiert habe. Aber dein Auftritt bei der Überfahrt- ach, ich weiß auch nicht, was ich mir dabei gedacht habe!“

      „Ich bin halt ein netter Mensch, Steffi, und das beschränkt sich nicht nur auf Birgit. Aber sie ist der wichtigste Mensch in meinem Leben, das kannst du mir glauben.“

      Jetzt kamen Volker und Birgit lachend zurück und zeigten ihre Ausbeute. Steffi war froh, dass das Zwiegespräch dadurch unterbrochen wurde und sie keine Antwort mehr geben musste.Sie bewunderte nur zu gerne die Muscheln, die die beiden als letztes Souvenir mit nach Hause nehmen wollten und füllte noch eine Plastiktüte mit Sand, um später alles stilgerecht als Deko in einer Glasschale aufbauen zu können.

      Bei dem gemeinsamen Frühstück am nächsten Morgen setzte Claire Maries Großmutter sich zum Schluss noch kurz zu ihnen und unterhielt sie auf eine so reizende Art, dass Steffi sich richtig schäbig vorkam, dass sie überhaupt auf negative Gedanken in Bezug auf ihre Enkelin gekommen war. Mistress Owell war vor allem dankbar, dass es immer wieder nette Menschen gab, die durch ihr Entgegenkommen dieser eine günstige Möglichkeit boten, sie zu besuchen.

      Der Abschied von der alten Dame war überaus herzlich. Dann machten sie sich mit einem bis obenhin gepackten R4 zu viert auf den Weg zur Fähre, wobei Henno und Volker die vorderen Sitze nutzten und Birgit und Steffi sich auf die Rücksitze quetschten. Aber sie hatten ja auch viel zu bereden!

      Kapitel 19

      Das fünfte und sechste Semester stand bei Birgit ganz im Zeichen von Zulassungsarbeit und Prüfung.

      Inzwischen ging die Angst bei den Grund- und Hauptschulabsolventen um, denn immer weniger Lehramtsanwärter wurden nach der zweiten Dienstprüfung eingestellt. Deshalb war ein sehr guter Abschluss extrem wichtig.

      An den Realschulen war dagegen noch Bedarf an Junglehrern, was Steffi und ihren Mitstudenten für Realschule weiterhin Sicherheit gab. Außerdem mussten sie noch zwei weitere Semester an der PH studieren.

      Die Prüfung verlief für Birgit sehr gut. Danach wollte Henno mit Olaf und Ella zu einer USA-Reise aufbrechen und setzte es als selbstverständlich voraus, dass sie mitkommen würde. Aber da sie während der Prüfungszeit nicht nebenher hatte jobben können, waren ihre Finanzen nicht gerade hervorragend. Sie rechneten und rechneten, bis Birgit schließlich einen Entschluss fasste.

      „Es wäre schade, wenn dir diese Gelegenheit entgehen würde“, meinte sie. „Vier Wochen sind ja auch keine Ewigkeit. Ich werde diese Zeit nutzen, um mir wieder ein finanzielles Polster zu schaffen, denn während des Referendariats verdiene ich auch nicht viel. Die zwei Wochen danach haben wir ja noch für uns.“

      Zuerst widersprach er, aber es war schon klar, dass ein Verzicht auf diesen Trip ihm sehr schwer fallen würde. Er ließ sich dann auch schnell überzeugen, dass diese Lösung für sie beide die beste wäre.

      Steffi war sehr beeindruckt von Birgits Großmut und fragte sich, ob sie genauso gehandelt hätte. Beschämt gestand sie sich ein, dass sie sogar gerne an ihrer Stelle eingesprungen wäre, aber zum Glück wurde sie danach nicht gefragt. Wie hätte sie das auch vor Volker rechtfertigen können!

      Birgit mietete also ihre Studentenbude noch den ganzen August und arbeitete wieder einmal an der Kasse im Einkaufszentrum. Steffi flog mit Volker für eine Woche nach Kreta, dann wollte sie die Zeit, die Birgit noch da war, ebenfalls in ihrem Studentenzimmer verbringen und einige schriftliche Arbeiten erledigen. Beiden war klar, dass ein Wendepunkt in ihrem Leben eintrat.

      Mitte August kam Henno zurück, braungebrannt und voller Eindrücke. Zu diesem Zeitpunkt beendete Birgit ihren Job, um noch ein paar unbeschwerte und glückliche freie Tage mit ihm zu genießen, während Steffi es vorzog, eine Woche zwischendurch zu

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