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vom Schulamt Bescheid bekommen, dass sie ihr Referendariat an einer Schule in der Nähe ihrer Heimatstadt beginnen sollte, fast 70 Kilometer weg vom Studienort. Zwar hatte sie sich bemüht, in der Nähe eine Schule zu finden, aber ohne den Stand der Ehe war das ganz unmöglich. Heiraten war für Birgit jedoch noch undenkbar, zumal selbst viele Verheiratete eine weite Entfernung zu den ihnen zugewiesenen Schulen in Kauf nehmen mussten.

      Steffi fuhr zum nächstmöglichen Zeitpunkt zurück, um die Freundin so gut es ging wieder aufzubauen. Missmutig saß diese am späten Nachmittag bei ihr auf dem Bett.

      „Die Situation ist unmöglich“, schimpfte sie. „Hier hätte ich wenigstens ein bezahlbares Zimmer oder könnte zeitweilig auch bei Henno unterkommen. Jetzt bleibt mir nur, in diesem Kaff zu wohnen. Und irgendein Auto muss ich mir bei dieser schlechten Anbindung wahrscheinlich auch kaufen, sonst kann ich nicht mal am Wochenende hierher kommen. Aber der Verdienst als Referendarin ist ja nicht viel mehr als ein Taschengeld!“

      „Vielleicht solltest du doch mal mit deinem Vater sprechen“, schlug Steffi vor. „immerhin hat Thomas eine gute Anstellung als Ingenieur gefunden und liegt ihm nicht mehr auf der Tasche. Er müsste dich doch nur unterstützen, bis du die zweite Dienstprüfung hast!“

      Birgit nagte an der Unterlippe.

      „Mein Vater ist nicht das Hauptproblem. Aber du hast Recht, ich sollte meine Vorbehalte gegenüber meiner Stiefmutter runterschlucken. Vielleicht steht mein ehemaliges Zimmer noch zur Verfügung. Wenn ich mir ein billiges Auto zulege, kann ich von da aus zu der Schule pendeln, sie ist ja nur ein paar Kilometer entfernt. Am Wochenende bin ich sowieso bei Henno, solange das noch gut geht.“

      Steffi wurde hellhörig.

      „Was willst du damit sagen? Gibt es irgendwelche Probleme?“

      „Ach nein“, lachte Birgit etwas gequält. „Nur denke ich manchmal, es ist schon ein Wunder, dass das mit uns so lange läuft.“ Sie wurde ernst. „Weißt du, dieser Urlaub hat mir schon zu schaffen gemacht, aber man muss aufpassen, dass man nicht zu sehr klammert. Und mit einer reinen Wochenendbeziehung haben wir noch keine Erfahrung. Da stehen einige Veränderungen an.“

      „Ich fand dein Verhalten in punkto USA-Reise großartig. Henno weiß das sicher sehr zu schätzen. Ich könnte mir vorstellen, dass das eure Freundschaft eher noch vertieft hat. Wo ist er eigentlich?“

      „Er muss sich mal wieder bei seiner Mutter sehen lassen. Gestern ist er losgefahren und kommt erst am Montag zurück. Aber darüber bin ich eigentlich froh. Im Moment brauche ich dich mehr als ihn.“

      „Dann mache ich dir jetzt einen Vorschlag: Du packst ein paar Sachen und wir fahren nach Hause. Du übernachtest bei mir und morgen kannst du dich vielleicht mit deinem Vater treffen zu einem Gespräch. Bestimmt wartet er nur auf ein Zeichen von dir. Dass Thomas und du ihn so geschnitten habt nach seiner zweiten Hochzeit hat ihm bestimmt ziemlich zu schaffen gemacht. Zumindest sucht er immer das Gespräch mit mir, wenn wir uns mal zufällig begegnen.“

      „Hat er schon mal nach mir gefragt?“

      „Nicht direkt. Aber er freut sich, wenn ich ihm von dir erzähle.“

      „Ich kann dir gar nicht sagen, wie schwer mir das fällt“, seufzte Birgit. „Seit fast zwei Jahren haben wir so gut wie keinen Kontakt. Ich weiß nicht einmal mehr, was der Auslöser für unseren letzten Streit war, nur, dass es um meine Stiefmutter ging. Ich konnte ihm einfach nicht verzeihen, dass er sich nach Muttis Tod so schnell getröstet hat.“

      „Für eine Versöhnung ist es bestimmt nicht zu spät! Er hat ja auch gelitten, als sie gestorben ist, und ihr musstet versorgt werden. Vielleicht glaubte er, mit einer neuen Frau wären die Probleme einfacher zu lösen.“

      „Wir haben es ihm sicher nicht leicht gemacht. Aber mit Vera klarzukommen war hart und wir hatten immer das Gefühl, er steht total hinter ihr, vor allem nach der Geburt von Sandra. Ich wollte ihm und vor allem mir immer beweisen, dass ich ihn nicht brauche, dass ich alles allein schaffe!“

      Spontan nahm Steffi sie in den Arm.

      „Du hast so viel geleistet in dieser Zeit, und du kannst mir glauben, dass du dafür auch seine Anerkennung hast. Aber wenn die Fronten so verhärtet sind, muss einer den Anfang machen. Und ich glaube, ihm fehlt dazu der Mut.“

      „Mir auch“, flüsterte Birgit und kämpfte plötzlich mit den Tränen.

      „Komm, gib dir einen Ruck! Rufe ihn heute Abend an und verabrede dich mit ihm an einem neutralen Ort, wo ihr euch in Ruhe unterhalten könnt. Weiß er überhaupt, was für ein tolles Examen du abgelegt hast? Er hat doch allen Grund auf dich stolz zu sein.“

      Sie schüttelte erst den Kopf, doch dann nickte sie entschlossen. Langsam kam wieder die resolute Birgit zum Vorschein.

      „Du hast Recht, ich muss den ersten Schritt tun. Immerhin habe ich ja auch angefangen zu bocken – und mehr als mich abweisen kann er nicht.“

      „Ich kann mir nicht vorstellen, dass er das tut. Also, packst du ein paar Sachen zusammen?“

      Birgit sprang auf und wollte Steffis Zimmer verlassen. Dann drehte sie sich noch einmal um und fiel ihr um den Hals.

      „Steffi, wenn ich dich nicht hätte. So eine gute Freundin ist mehr wert als – als –ach egal, ich bin froh, dass ich dich habe!“

      So kam es, dass Steffi schon am gleichen Abend wieder in ihrem Elternhaus ankam. Herr und Frau Beck begrüßten Birgit nach der ersten Verwunderung herzlich und stellten auch keine Fragen. Es war zu spüren, dass hier eine besondere Situation vorlag.

      Nachdem Birgit ihre Sachen im Gästezimmer abgestellt hatte, brachte Steffi ihr das Telefon.

      „Kein Aufschub mehr, jetzt rufst du gleich an. Vielleicht könnt ihr euch morgen schon treffen.“

      „Meine Güte, wie bist du streng! Also gut, mal schauen, ob ich die Nummer noch zusammenkriege.“

      Sie fing an zu wählen und blickte Steffi dann gequält an, als sie das Freizeichen hörte. Nach einer Weile wurde abgenommen. Sie lauschte angespannt, dann sagte sie zögernd:

      „Hallo Papa. Hier ist Birgit.“

      Steffi verließ leise das Zimmer und zog die Tür hinter sich zu. Was jetzt kam, musste Birgit alleine schaffen. Sie schaute kurz ins Wohnzimmer, wo ihre Eltern es sich gemütlich gemacht hatten und rief:

      „Ich mache für uns zwei ein paar Schnittchen. Wollt ihr auch was?“

      Sie lehnten dankend ab. Steffi richtete einiges auf ein Tablett und trug es in ihr Zimmer. Dabei lauschte sie nach oben. Birgit war noch immer am Telefonieren. Das war bestimmt ein gutes Omen! Sie ließ die Tür offen und wartete.

      Es war bestimmt ein halbe Stunde vergangen, bis Birgit herunterkam. Ihre Augen waren leicht gerötet, doch sie wirkte gefasst, als sie sich Steffi gegenüber setzte.

      „Nun?“ fragte Steffi, nachdem sie eine Weile nur schweigend einen Punkt an der Wand fixierte. Endlich schaute sie sie direkt an.

      „Es war schon gut, dass ich mich überwunden habe. Er hat mir gesagt, dass er immer noch mein Vater und jederzeit für mich da ist. Ich soll morgen um 15.00 Uhr zum Kaffee zu ihnen kommen.“

      „Hast du zugesagt? Wäre es nicht besser, du könntest dich erst unter vier Augen mit ihm aussprechen?“

      „Nun, wir haben schon klare Worte gesprochen am Telefon. Aber er sagt, er kann Vera nicht ausschließen, denn sie will auch unsere Mutter sein. Sie würde keinesfalls etwas von ihm verlangen, was zu unserem Nachteil wäre.“

      „Hast du ihm deine Situation geschildert?“

      „So gut es ging. Ich weiß nicht, ob er die ganze Problematik verstanden hat.“ Sie seufzte.

      „Ich werde hingehen morgen. Dann merke ich, wie ernst er es meint – und dann sieht man weiter.“

      Steffi ließ es sich nicht nehmen, Birgit am nächsten Nachmittag selbst zu dem Haus der Werstners

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