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Pyria. Elin Bedelis
Читать онлайн.Название Pyria
Год выпуска 0
isbn 9783754940136
Автор произведения Elin Bedelis
Жанр Языкознание
Издательство Bookwire
»Ich will nicht in die Unterwelt«, wisperte sie und ihre zitternden Hände gruben sich in den Stein unter dem Wasserfall, in dem sie inzwischen so weit drinstand, dass er ihr auf den Kopf prasselte und sie kaum noch verstand, was der Dämon sagte. »Schon gar nicht mit einem Dämon.« Warum schluchzte sie? Warum musste sie nun doch weinen, wo sie doch zuvor so überraschend gut Haltung bewahrt hatte? Leén wünschte sich, mit dem Wasser zu verschmelzen, dachte sogar darüber nach, ganz in den Wasserlauf zu springen und sich von der hoffentlich seichten Strömung forttragen zu lassen … falls er tief genug war. Vielleicht führte der Lauf ja sogar zu dem Bach, der hinter dem Dorf verlief. Dann konnte sie sich vielleicht doch in Sicherheit bringen.
Machairi hob eine Augenbraue und musterte das Harethimädchen, das immer weiter in den kleinen Wasserfall zurückwich. »Voreilige Schlussfolgerungen sind die größte Fehlerquelle menschlichen Denkens.« Das klang wie ein typischer Satz von Machairi: irgendwie einleuchtend und trotzdem seltsam kryptisch. Es erinnerte sie an die Nacht, in der sie zu ihm geflüchtet war, wie sie sich sicher gewesen war, einen Dämon in ihrem Zimmer stehen zu sehen. Ob er das gewesen war? Was wollte er ihr damit sagen? Überhaupt fragte sie sich, wie viel von seinen Worten gelogen gewesen waren und ob er wirklich dieses blöde Orakel suchte. Es klang mehr wie ein Vorwand, aber sie konnte auch nicht wissen, ob der Dämon nicht vielleicht doch irgendeine wichtige Frage hatte. Und was war mit Ila? Schließlich schien die Frau den Schatten recht gut zu kennen. Wenn er der Unterwelt entsprang, konnte das immerhin erklären, wie sie sich vielleicht getroffen haben konnten, trotz des horrenden Altersunterschieds. Zunächst hatte sie gedacht, dass jetzt alles klar sei, aber leider waren die Dinge doch nicht so eindeutig, wie sie zunächst gedacht hatte.
Machairi seufzte. »Was genau denkst du, was ich dir jetzt hier tun könnte, was ich nicht schon längst hätte tun können?« Etwas genervt wirkte er allmählich schon und das vertraute Messer tanzte wieder durch den Handschuh. Es war fast beruhigend. Außerdem hatte er recht. Einen Fluchtweg gab es nicht und wenn er sie morgen – ob sie wollte oder nicht – in die Unterwelt hinabzerren würde, konnte es nicht schaden sich vorzubereiten.
Leén schluckte und riss sich zusammen. Vorsichtig kam sie wieder vor, hinaus aus dem Wasserfall, und trat etwas steif auf die Wiese. Er hatte sich nicht von der Stelle bewegt, stand noch immer ganz ruhig dort, wo er sie auf die Füße gezogen hatte, und das Messer war wieder verschwunden. Ganz genau beobachteten die schwarzen Augen sie und sie stellte die einzige Frage, die für sie wirklich entscheidend war. Wenn er die nicht beantwortete, würde sie sich so querstellen, wie sie konnte, bevor sie sich in die Unterwelt hinabbringen ließ. »Wozu brauchst du mich?«, fragte sie und sah ihn direkt an, auch wenn sie noch immer gerne vor ihm davongelaufen wäre. Sie hatte beschlossen mutig zu sein.
Einen Moment lang war es still auf der Lichtung. Dann ließ sich Machairi mal einmal dazu herab, seine melodische Stimme zu benutzen, um eine Antwort zu geben, die er eigentlich für sich behalten wollte. »Du bist unser Weg zurück. Ich habe hier noch zu viel zu tun, um zu riskieren, dort festzusitzen.« Es klang ehrlich. Ehrlicher als das meiste, was er je gesagt hatte. Einzig seine Meinung über den Schwertkampf hatte einst das gleiche Maß an Ehrlichkeit gehabt. Es war für einen kurzen Moment, als würde man durch die schwarzen Augen durch ein Fenster sehen, wo sonst nur undurchdringliche Mauern aufragten. Es war ein Funke Menschlichkeit, der den Dämon weniger furchteinflößend wirken ließ. Sie glaubte ihm. Das konnte sie nicht verhindern und es drückte ihre Angst zurück.
»Na gut«, sagte sie, auch wenn sie sich selbst nicht verstand. Sie konnte sich nicht wehren, wenn seine Entscheidung feststand, und trotz allem spürte sie, dass sich ein Teil von ihr daran festhalten wollte, dass sie den falschen Schluss gezogen haben konnte. Also blieb sie stehen, dachte nicht länger an Flucht und fügte sich untypisch mutig in seine Pläne. Sie musste ihre Beherrschung verbessern. »Dann hilf mir trainieren.«
Rennen
Gwyn konnte sich nicht entscheiden, ob er sich heimisch oder fremd fühlte an diesem Ort. Er war noch nie in einem reinen Zhakidorf gewesen und er wurde als einziger mit Ehrlichkeit willkommen geheißen. Das seltsam dumpfe Gefühl in seiner Brust war dadurch nicht gewichen. Es war noch immer so stark wie auf dem Schiff und die Anwesenheit der anderen machte es eher noch schwieriger zu ertragen. Sie führten ihm immer wieder vor Augen, dass irgendetwas in ihm nicht mehr so funktionierte, wie es sollte. Auf der einen Seite blieb das Gefühl, dass er es verdient hatte, sich schlecht zu fühlen. Auf der anderen Seite wurde es noch schlimmer dadurch, dass er wusste, dass er nicht funktionierte.
Er hatte sich einen müden Dank abgerungen, als Katyre ihm sein Zimmer gezeigt hatte. Seither saß er nun also in der Ecke und lauschte seinem Gedankenchaos, das ihn beinahe in den Wahnsinn trieb.
Dann war da noch das Endziel der Reise und die Tatsache, dass niemand ihn erwähnt hatte, auch wenn Mico deutlich dazu angesetzt hatte. Er fragte sich, ob Machairi ihn wohl mitgenommen hätte, wenn er nicht so versagt hätte. In dem Zusammenhang fragte er sich auch, ob er das wollte. Jeder bei Verstand würde ihm sagen, dass er sich freuen sollte, dem Schicksal entgangen zu sein, aber ein seltsamer Teil von ihm wünschte sich, mitkommen zu dürfen. Es war schließlich eine ganz besondere Form von Vertrauen, auf eine solch gefährliche Mission mitgenommen zu werden, und er war mehr als einmal versucht gewesen zu sagen, dass er sogar als Köder, Opfergabe oder Zahlungsmittel mitgekommen wäre. Eigentlich gab es nur eine Sache, die er wirklich wollte, die sein verzweifelter Kopf nicht verzerrt hatte. Gwyn wollte, dass Machairi ihm verzieh. Wenn ihn das sein Leben kostete, war es ihm das wert.
Es war ein waghalsiger, wahnsinniger und geradezu dummer Gedanke und irgendwo in seinem Inneren beschwerte sich seine Vernunft, dass krankhafter Todeswunsch zwar eine gute Voraussetzung für Jobzufriedenheit bei Machairi war, aber trotzdem viel zu oft im Sterben endete.
Gwyn blickte durch das helle Zimmer, in dem ein Bett, ein Schrank und ein kleiner Tisch standen. Es sah aus wie ein Zimmer in einer gemütlichen Gaststätte: nett, aber austauschbar. Das Holzhaus, in dem sie einquartiert worden waren, kam einem Gästehaus gleich, dabei hätte er nicht gedacht, dass sich irgendjemand hierher verirrte, schließlich gab es nicht einmal einen Hafen.
Wenn er ehrlich war, wusste Gwyn selbst nicht so recht, weshalb er sich am liebsten von allen fernhalten wollte. Schließlich hatte ihm keiner der anderen etwas getan und er hatte keinen echten Grund, um sich auch zurückzuhalten, wenn Machairi nicht dabei war. Trotzdem fühlte es sich an, als würde er irgendein Verbot brechen, sobald er den Mund aufmachte, und dann wurde plötzlich alles noch schwieriger auszuhalten. Er war zu viel für sich selbst und sobald er sich nach außen präsentieren musste, drohte das fragile Gebilde, das er seine Psyche nannte, zusammenzubrechen. Kaum hatte er den Gedanken beendet, fühlte er sich nur noch schlechter. Gwyn schämte sich. Er schämte sich für alles, was er tat, dachte und getan hatte. Nichts schien er richtig machen zu können. Nicht vor sich selbst und nicht vor anderen und diese Tatsache wollte ihn schier in den Wahnsinn treiben. Wie konnte man sich nur selbst so sehr im Wege stehen? Manchmal war es ihm, als stünde sein altes Ich belustigt über ihm, um ihm zu sagen, dass er sich mal zusammenreißen sollte. Doch dann erinnerte er sich wieder, dass sein altes Ich mehrere sehr dumme Entscheidungen auf einmal getroffen hatte und es für notwendig gehalten hatte, hunderte Menschen zu verbrennen, und der Kreislauf begann von vorne.
Stöhnend vergrub er das Gesicht in den Armen, während die Vögel vor dem Fenster zwitscherten und die zauberhafte Andersartigkeit dieses Ortes durch das Fenster hereingetragen wurde. Aus einem sicherlich völlig bescheuerten Grund machte dieser perfekte Ort seine Melancholie noch etwas schlimmer. Hauptsächlich, weil er wusste, dass er sich hier unter normalen Umständen unheimlich wohl gefühlt hätte, unter Zhaki und an einem Ort, der vor Magie nur so zu vibrieren schien. Die ganze Zeit wollte er sagen, dass er sich leer fühlte, aber eigentlich fühlte er sich nicht leer – eher im Gegenteil. Er schien geradezu zu platzen