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      Das Grinsen in Thomas` Gesicht und das verschmitzte Kräu­seln der Lippen seitens Schwarz machten Sarah ihren Faux­pas bewusst.

      „Entschuldigung“, stammelte sie. „Ich wollte nicht…also kei­­neswegs war es meine Absicht…“

      Schwarz schob anstatt einer Antwort die Whiskyflasche über den Tisch.

      „Nehmen Sie sich noch einen“, forderte er Sarah auf, und es fiel ihm sicht­lich schwer, einen Lachanfall zu unterdrücken. Zwar hat­te Sarah sofort begriffen, dass sie dem Rechts­mediziner keines­falls auf den Schlips getreten war. Be­züg­lich des Wahr­heits­gehalts seiner Aussage war sie aber immer noch nicht über­zeugt, ob er ihr einen Bären aufbinden wollte. Schwarz schien ihre Gedanken zu lesen.

      „Ja, meine liebe Frau Hansen, das ist wirklich so. Dabei führt eine Mutation auf Chromosom 16 zur Veränderung des Me­lanocortinrezeptors. Der Rezeptor wird blockiert und das hat zwei Auswirkungen: Erstens, das Pigment Phäomelanin, das zur roten Färbung der Haare führt, wird vermehrt herge­stellt. Zweitens, durch die Blockade kann Melanocortin nicht mehr an dem spezifischen Rezeptor andocken und deswe­gen seine schmerzreduzierende Wirkung nur zum Teil ent­falten. Witzig, oder?“

       „Ja, tatsächlich witzig“, antwortete Sarah und schob den Dal­whinnie erleichtert zurück.

      Kapitel VI

      Stefan Wellner stand am Fenster und folgte mit seinen Blicken den Flocken, die im Wind umherstieben, um nach et­lichen Kapriolen zu ihresgleichen auf den Boden zu fallen und die dichte, weiße Pracht um ein weiteres winziges Stück­chen anwachsen zu lassen. Während er an seiner Богатыри sog und den Rauch mit viel Luft inhalierte, schweif­­te sein Blick über die friedliche, fast märchenhaft an­mutende Park­anlage des Anwesens. Der mittlerweile sicher einen Drei­viertel­meter hoch liegende Schnee verwischte die Konturen der Beete, Sträucher, Bänke und Wege, so dass nicht zu er­kennen war, wie verwahrlost sich der riesige Gar­ten tat­säch­lich darstellte. Die Besitzer des Schlösschens, Well­­­ners Ar­beits- und Auftraggeber, hatten kein Interesse daran, ih­ren Besitz in das preziöse Kleinod zu ver­wan­deln, das es mit ein wenig Aufwand wieder hätte wer­den können. Eigentlich eine Schande, dachte Wellner, denn er hatte etwas übrig für malerische Plätze. Und man musste weiß Gott kein Fach­mann sein, um das Potential dieses ab­gelegenen Orts zu er­ken­nen. Die Frage, warum eine solche Anlage zehn Kilo­me­ter von der nächsten Behausung inmit­ten der fast mys­tischen Tannenhaine des Schwarzwalds er­richtet worden war, hatte ihn beschäftigt, aber nicht so sehr, als dass er sich die Mühe gemacht hätte, einmal etwas über die Geschichte des Hauses zu googeln. Darüber, warum es perfekt geeignet für die Machenschaften seiner Bosse war, brauchte er nicht lange zu sinnieren. Sein Blick blieb an dem Mercedes G hän­gen, den er am Vorabend mühsam vom Schnee befreit hatte. Noch war er gut zu erkennen, sollte es aber so weiter­schneien, würde es abermals sehr viel Mühe kosten, ihn wieder frei­zuräumen, ganz zu schweigen von der Auffahrt, die er dank der extremen Offroad Eigenschaften des Gefähr­tes hatte benut­zen können, ohne zuvor die motor­getriebene Schnee­fräse einsetzen zu müssen. Am bes­ten war es, er über­wand seine Unlust, das Haus zu verlas­sen und machte sich die Mühe, den Mercedes in eine der zahl­reichen Garagen zu stellen. Lieber jetzt noch einmal raus in die Kälte und am nächsten Tag ein schneefreies Fahrzeug vorfin­den, als in Herr­­gottsfrühe das Auto auszugraben. Immerhin wur­de die Verbindungsstraße regel­mäßig geräumt, aber die gut andert­halb Kilometer bis dahin vom Schnee zu befreien, stellte einen nicht zu unterschät­zenden Aufwand dar. Die Vor­stellung, bei diesem Wetter mehrere Stunden hinter der Frä­se herzu­gehen, nur um das möglicherweise drei Tage spä­ter erneut tun zu müssen, miss­fiel Wellner sehr. Er hatte sogar überlegt, zu einem Baumarkt zu fahren, um den G mit einer Art Sperrholzpflug auszustatten und zweimal am Tag den Weg bis zur Land­straße abzufahren. Aber dies wieder­um hät­te ein deutlich ausgeprägteres Geschick erfordert als je­nes, über das er selbst verfügte, und so hatte er den Gedan­ken schnell ad acta gelegt.

      Ein Holzscheit, der hinter ihm im Kachelofen lautstark knack­­te, lenkte seine Aufmerksamkeit weg von der winter­lichen Land­schaft drau­ßen zurück in den Raum, in dem er sich befand. Er trat neben seinen massigen Hochlehner und drückte den Stum­mel sei­ner russischen Zigarette in einem Messingascher aus. Dann nahm er sich den Stapel an Rei­se­pässen, der auf dem riesigen Eichenschreibtisch lag, setzte sich in den thronarti­gen, reich verzierten Stuhl und begut­achtete das oberste der Doku­mente.

      Maria Palijewa, siebzehn Jahre alt. Geboren in Boriwske, Ukra­ine. Haare mittelblond, Augen blau, Größe 1,69 m.

      Das Bild in dem Pass zeigte ein etwa fünfzehnjähriges, auf­fallend hübsches Mädchen, das unbekümmert in die Linse der Kamera lächelte. Vor seinem inneren Auge sah Wellner die junge Frau, die gemeinsam mit den anderen zwei Ukra­inerinnen zwei Stockwerke über ihm in der „Wohnung“ ein­gesperrt war. Die ungefähr zwei Jahre, die seit Aufnahme des Fo­tos im Ausweis vergangen waren, hatten Maria reifen lassen, ohne sie ihrer natürlichen Schönheit zu berauben - im Gegen­teil!

      Wellner atmete tief durch, legte den Pass beiseite und blät­terte in dem nächsten.

      Daria Kowalewa, dreiundzwanzig. Haarfarbe braun, Augen braun, Größe 1,73. Ebenfalls aus einem Ort in der Ukraine, von dem er nie gehört hatte: Tschuhujiw, etwa vierzig Kilo­meter südöstlich von Charkiw. Und auch sie ein echter Hin­gucker, aber das waren sie schließlich alle. Zumindest die­je­ni­gen, die seine Bosse als „im fickbaren Alter“ bezeich­neten. Dies galt nach Wellners Maßstäben allerdings für das nächs­te Mädchen nicht:

      Tiana Vasileva, dreizehn Jahre alt, Haarfarbe rot, Augenfarbe grün, 1,53. Geboren in Targowischte, Bulgarien. Zu sehr Kind, als dass man von sexueller Attraktivität sprechen könnte. Aber nicht unansehnlich. Und Wellner wusste, dass sie ihrer Haarfarbe wegen eine „Bestellung“ war und der Kunde auch nicht vorhatte, sie wegen sexueller Dienstleistung zu ordern. Oder zumindest nicht ausschließlich. Sein Vorhaben war wohl weitaus perverser, denn er hatte den Full Service ge­bucht. Dies bedeutete, dass er sie zu gegebener Zeit zu­rück­geben würde, ohne dass ihr Zustand dabei eine Rolle spielte. Wellner war lange genug im Geschäft, um nahezu voll­kommen abge­härtet zu sein, doch in ihrem Fall hatte er einen leichten Kloß im Hals, denn er wusste, dass er das Mädchen ver­mutlich endgültig entsorgen musste…wie schon so manche junge Frau zuvor.

      Nermina Suthampong, die kleine Thai aus Pattaya blickte ihm aus dem nächsten Dokument entgegen, einundzwanzig Jah­re jung, 1,56 groß, Haare schwarz, Augen dunkelbraun. Sie war wohl das Mädchen, in das sich Wellner verliebt hätte, wä­re sie nicht Ware seiner Auftraggeber gewesen. Die sie­ben­undzwanzig Jahre Altersunterschied hätten ihm nun wirk­lich nichts ausgemacht! Er warf die restlichen fünf Rei­se­pässe auf den Tisch vor sich, griff zu der Flasche Mineral­wasser, schenkte sich ein Glas ein und leerte es in einem Zug.

       Wellner wandte seine Aufmerksamkeit einem Stapel ande­­­rer Dokumente zu. Dass er Importware entgegen­nahm, ver­­sorg­­te und bei Laune hielt, um sie bei Abruf weiterzu­schleu­sen, war seinerzeit der Bestandteil der geschäftlichen Abma­chung gewesen. Eine Abmachung, die ihm aufge­zwun­­gen wurde, nachdem er bei den falschen Leuten Schul­den ge­macht hatte. Das Modell habe bereits Schule gemacht, er könne durch seine Arbeit den erheblichen Geldbetrag, mit dem er bei den Männern aus Russland in der Kreide stand, recht schnell abarbeiten, sozusagen als eine Art Fran­chise­nehmer. Widerwillig, aber ohne erkennbare Alternative hat­te er angefangen, zumeist einzelne junge Frauen bei sich auf­zu­nehmen. In der Regel blieben sie nur einige Tage, bis sie von ebenso unangenehmen Männern wieder abgeholt wur­den, wie die, die sie zuvor bei ihm abgeliefert hatten. Nicht nur die Schuldenlast konnte er so bedienen, er bekam auch Spe­sen, die ihm erlaubten, sein bescheidenes Leben zu finan­zieren. Mit der Zeit schien das Geschäft zu expandieren: Die Lie­ferungen kamen regelmäßiger und öfter. Die Männer wa­ren nach und nach besser gekleidet, und die Fahrzeuge, mit denen die Mädchen gebracht wurden, sahen teurer aus. Als zum

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