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Höllenteufel. Andre Rober
Читать онлайн.Название Höllenteufel
Год выпуска 0
isbn 9783754176665
Автор произведения Andre Rober
Жанр Языкознание
Издательство Bookwire
Das Grinsen in Thomas` Gesicht und das verschmitzte Kräuseln der Lippen seitens Schwarz machten Sarah ihren Fauxpas bewusst.
„Entschuldigung“, stammelte sie. „Ich wollte nicht…also keineswegs war es meine Absicht…“
Schwarz schob anstatt einer Antwort die Whiskyflasche über den Tisch.
„Nehmen Sie sich noch einen“, forderte er Sarah auf, und es fiel ihm sichtlich schwer, einen Lachanfall zu unterdrücken. Zwar hatte Sarah sofort begriffen, dass sie dem Rechtsmediziner keinesfalls auf den Schlips getreten war. Bezüglich des Wahrheitsgehalts seiner Aussage war sie aber immer noch nicht überzeugt, ob er ihr einen Bären aufbinden wollte. Schwarz schien ihre Gedanken zu lesen.
„Ja, meine liebe Frau Hansen, das ist wirklich so. Dabei führt eine Mutation auf Chromosom 16 zur Veränderung des Melanocortinrezeptors. Der Rezeptor wird blockiert und das hat zwei Auswirkungen: Erstens, das Pigment Phäomelanin, das zur roten Färbung der Haare führt, wird vermehrt hergestellt. Zweitens, durch die Blockade kann Melanocortin nicht mehr an dem spezifischen Rezeptor andocken und deswegen seine schmerzreduzierende Wirkung nur zum Teil entfalten. Witzig, oder?“
„Ja, tatsächlich witzig“, antwortete Sarah und schob den Dalwhinnie erleichtert zurück.
Kapitel VI
Stefan Wellner stand am Fenster und folgte mit seinen Blicken den Flocken, die im Wind umherstieben, um nach etlichen Kapriolen zu ihresgleichen auf den Boden zu fallen und die dichte, weiße Pracht um ein weiteres winziges Stückchen anwachsen zu lassen. Während er an seiner Богатыри sog und den Rauch mit viel Luft inhalierte, schweifte sein Blick über die friedliche, fast märchenhaft anmutende Parkanlage des Anwesens. Der mittlerweile sicher einen Dreiviertelmeter hoch liegende Schnee verwischte die Konturen der Beete, Sträucher, Bänke und Wege, so dass nicht zu erkennen war, wie verwahrlost sich der riesige Garten tatsächlich darstellte. Die Besitzer des Schlösschens, Wellners Arbeits- und Auftraggeber, hatten kein Interesse daran, ihren Besitz in das preziöse Kleinod zu verwandeln, das es mit ein wenig Aufwand wieder hätte werden können. Eigentlich eine Schande, dachte Wellner, denn er hatte etwas übrig für malerische Plätze. Und man musste weiß Gott kein Fachmann sein, um das Potential dieses abgelegenen Orts zu erkennen. Die Frage, warum eine solche Anlage zehn Kilometer von der nächsten Behausung inmitten der fast mystischen Tannenhaine des Schwarzwalds errichtet worden war, hatte ihn beschäftigt, aber nicht so sehr, als dass er sich die Mühe gemacht hätte, einmal etwas über die Geschichte des Hauses zu googeln. Darüber, warum es perfekt geeignet für die Machenschaften seiner Bosse war, brauchte er nicht lange zu sinnieren. Sein Blick blieb an dem Mercedes G hängen, den er am Vorabend mühsam vom Schnee befreit hatte. Noch war er gut zu erkennen, sollte es aber so weiterschneien, würde es abermals sehr viel Mühe kosten, ihn wieder freizuräumen, ganz zu schweigen von der Auffahrt, die er dank der extremen Offroad Eigenschaften des Gefährtes hatte benutzen können, ohne zuvor die motorgetriebene Schneefräse einsetzen zu müssen. Am besten war es, er überwand seine Unlust, das Haus zu verlassen und machte sich die Mühe, den Mercedes in eine der zahlreichen Garagen zu stellen. Lieber jetzt noch einmal raus in die Kälte und am nächsten Tag ein schneefreies Fahrzeug vorfinden, als in Herrgottsfrühe das Auto auszugraben. Immerhin wurde die Verbindungsstraße regelmäßig geräumt, aber die gut anderthalb Kilometer bis dahin vom Schnee zu befreien, stellte einen nicht zu unterschätzenden Aufwand dar. Die Vorstellung, bei diesem Wetter mehrere Stunden hinter der Fräse herzugehen, nur um das möglicherweise drei Tage später erneut tun zu müssen, missfiel Wellner sehr. Er hatte sogar überlegt, zu einem Baumarkt zu fahren, um den G mit einer Art Sperrholzpflug auszustatten und zweimal am Tag den Weg bis zur Landstraße abzufahren. Aber dies wiederum hätte ein deutlich ausgeprägteres Geschick erfordert als jenes, über das er selbst verfügte, und so hatte er den Gedanken schnell ad acta gelegt.
Ein Holzscheit, der hinter ihm im Kachelofen lautstark knackte, lenkte seine Aufmerksamkeit weg von der winterlichen Landschaft draußen zurück in den Raum, in dem er sich befand. Er trat neben seinen massigen Hochlehner und drückte den Stummel seiner russischen Zigarette in einem Messingascher aus. Dann nahm er sich den Stapel an Reisepässen, der auf dem riesigen Eichenschreibtisch lag, setzte sich in den thronartigen, reich verzierten Stuhl und begutachtete das oberste der Dokumente.
Maria Palijewa, siebzehn Jahre alt. Geboren in Boriwske, Ukraine. Haare mittelblond, Augen blau, Größe 1,69 m.
Das Bild in dem Pass zeigte ein etwa fünfzehnjähriges, auffallend hübsches Mädchen, das unbekümmert in die Linse der Kamera lächelte. Vor seinem inneren Auge sah Wellner die junge Frau, die gemeinsam mit den anderen zwei Ukrainerinnen zwei Stockwerke über ihm in der „Wohnung“ eingesperrt war. Die ungefähr zwei Jahre, die seit Aufnahme des Fotos im Ausweis vergangen waren, hatten Maria reifen lassen, ohne sie ihrer natürlichen Schönheit zu berauben - im Gegenteil!
Wellner atmete tief durch, legte den Pass beiseite und blätterte in dem nächsten.
Daria Kowalewa, dreiundzwanzig. Haarfarbe braun, Augen braun, Größe 1,73. Ebenfalls aus einem Ort in der Ukraine, von dem er nie gehört hatte: Tschuhujiw, etwa vierzig Kilometer südöstlich von Charkiw. Und auch sie ein echter Hingucker, aber das waren sie schließlich alle. Zumindest diejenigen, die seine Bosse als „im fickbaren Alter“ bezeichneten. Dies galt nach Wellners Maßstäben allerdings für das nächste Mädchen nicht:
Tiana Vasileva, dreizehn Jahre alt, Haarfarbe rot, Augenfarbe grün, 1,53. Geboren in Targowischte, Bulgarien. Zu sehr Kind, als dass man von sexueller Attraktivität sprechen könnte. Aber nicht unansehnlich. Und Wellner wusste, dass sie ihrer Haarfarbe wegen eine „Bestellung“ war und der Kunde auch nicht vorhatte, sie wegen sexueller Dienstleistung zu ordern. Oder zumindest nicht ausschließlich. Sein Vorhaben war wohl weitaus perverser, denn er hatte den Full Service gebucht. Dies bedeutete, dass er sie zu gegebener Zeit zurückgeben würde, ohne dass ihr Zustand dabei eine Rolle spielte. Wellner war lange genug im Geschäft, um nahezu vollkommen abgehärtet zu sein, doch in ihrem Fall hatte er einen leichten Kloß im Hals, denn er wusste, dass er das Mädchen vermutlich endgültig entsorgen musste…wie schon so manche junge Frau zuvor.
Nermina Suthampong, die kleine Thai aus Pattaya blickte ihm aus dem nächsten Dokument entgegen, einundzwanzig Jahre jung, 1,56 groß, Haare schwarz, Augen dunkelbraun. Sie war wohl das Mädchen, in das sich Wellner verliebt hätte, wäre sie nicht Ware seiner Auftraggeber gewesen. Die siebenundzwanzig Jahre Altersunterschied hätten ihm nun wirklich nichts ausgemacht! Er warf die restlichen fünf Reisepässe auf den Tisch vor sich, griff zu der Flasche Mineralwasser, schenkte sich ein Glas ein und leerte es in einem Zug.
Wellner wandte seine Aufmerksamkeit einem Stapel anderer Dokumente zu. Dass er Importware entgegennahm, versorgte und bei Laune hielt, um sie bei Abruf weiterzuschleusen, war seinerzeit der Bestandteil der geschäftlichen Abmachung gewesen. Eine Abmachung, die ihm aufgezwungen wurde, nachdem er bei den falschen Leuten Schulden gemacht hatte. Das Modell habe bereits Schule gemacht, er könne durch seine Arbeit den erheblichen Geldbetrag, mit dem er bei den Männern aus Russland in der Kreide stand, recht schnell abarbeiten, sozusagen als eine Art Franchisenehmer. Widerwillig, aber ohne erkennbare Alternative hatte er angefangen, zumeist einzelne junge Frauen bei sich aufzunehmen. In der Regel blieben sie nur einige Tage, bis sie von ebenso unangenehmen Männern wieder abgeholt wurden, wie die, die sie zuvor bei ihm abgeliefert hatten. Nicht nur die Schuldenlast konnte er so bedienen, er bekam auch Spesen, die ihm erlaubten, sein bescheidenes Leben zu finanzieren. Mit der Zeit schien das Geschäft zu expandieren: Die Lieferungen kamen regelmäßiger und öfter. Die Männer waren nach und nach besser gekleidet, und die Fahrzeuge, mit denen die Mädchen gebracht wurden, sahen teurer aus. Als zum