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Höllenteufel. Andre Rober
Читать онлайн.Название Höllenteufel
Год выпуска 0
isbn 9783754176665
Автор произведения Andre Rober
Жанр Языкознание
Издательство Bookwire
„Wenn er das Mädchen da hineingehängt hätte, wäre sie mit der Zeit erstickt. Die Fesseln waren also, wenn überhaupt, nur kurzzeitig in Gebrauch.“
„Die Vorstellung ist trotzdem quälend! Egal wie lange oder wie kurz jemand so etwas ausgesetzt wird.“
Thomas nickte bestätigend und sprach einen Mitarbeiter der Spurensicherung an, der eine digitale Spiegelreflexkamera mit einem aufgesetzten Systemblitz in eine Beweistüte packen wollte.
„Warten Sie bitte kurz! Darf ich die mal haben?“
Der Kollege übergab ihm die Kamera. Thomas orientierte sich kurz, schaltete sie nach wenigen Momenten an und drückte den Knopf für die Bildwiedergabe. Schon das erste Bild war erschreckend. Erschreckend grausam. Erschreckend ästhetisch. Tatsächlich war das rothaarige Mädchen zu sehen, wie es in dem weißen Gewand vor der weißen Wand in den Fesseln hing. Allerdings war auf dem Boden ein Holzschemel zu erkennen, auf dem sie sich gerade eben noch mit den Zehenspitzen abstützen konnte. Die High Key Aufnahme, auf der sich lediglich die blasse Haut, einige Falten in dem Gewand und das fast feuerrote Haar sowie die grünen Augen des Mädchens von dem gleißenden Weiß abhoben, strahlte eine Magie aus, der man sich als Betrachter schier nicht entziehen konnte! Der Mann hinter der Kamera hatte gewusst, was er tat! Thomas klickte sich durch eine ganze Serie ähnlicher Bilder, dann schaltete er die Kamera aus und übergab sie zurück an den Kollegen der Spurensicherung.
„Komm“, sagte er an Sarah gewandt. „Wir schauen zu, dass wir noch ein paar Stunden Schlaf bekommen. Das wird morgen ein langer Sonntag.“
„Guten Morgen allerseits“, begrüßte Thomas Bierman die Anwesenden Karen Polozek, Nico Berner und Hans Pfefferle, als er mit Sarah im Schlepptau den kleinen Konferenzraum betrat.
„Da wären wir fünf mal wieder beisammen. Gröber scheint unsere Arbeit zu gefallen“, setzte er hinzu, legte einen recht dünnen Aktenordner auf den Tisch und ließ sich am Kopfende nieder. Sarah ließ ebenfalls ein Guten Morgen verlauten und suchte sich den Platz neben ihrer Kollegin, die freudig lächelnd bereits den Stuhl vom Tisch weggerückt hatte.
„Er kommt später vielleicht dazu. Hätten wir Sommer, wäre er wohl auf dem Golfplatz. Aber ich habe keine Idee, was er bei diesen Wetterbedingungen am Sonntagmorgen so macht. Skifahren wird er ja wohl kaum“, kündigte Thomas den eventuellen Besuch des nicht übermäßig beliebten Ressortleiters an. „Zum derzeitigen Stand wird er schlimmstenfalls einen Schwall heiße Luft verbreiten, also können wir sicher einige Zeit konzentriert und ungestört arbeiten.“
Auf allen Gesichtern zeichnete sich ein süffisantes Lächeln ab, wussten alle um das zwanghafte Geltungsbedürfnis und die bisweilen unkontrollierten Anfälle ihres cholerischen Chefs.
„Also gut“, eröffnete Thomas das Meeting. „Es ist fünf nach elf, den vorläufigen Bericht haben schon alle gelesen, nehme ich an. Irgendwelche Fragen?“
Sein Blick machte die Runde.
„Wie geht es dem Mädchen?“, fragte Karen und in ihrer Stimme schwang Besorgnis mit.
Sarah, die Thomas genau beobachtete, konnte sehen, dass die Frage ihrer empathischen Kollegin nicht zu den Themen gehörte, die er hier und jetzt besprechen wollte, doch er riss sich zusammen und antwortete sachlich.
„Sie hat die Nacht augenscheinlich gut überstanden und ohne ein Sedativum verabreicht bekommen zu haben, sehr lange geschlafen. Sarah hat eben mit der behandelnden Ärztin telefoniert.“
Ein erleichtertes Nicken, das auch von Hans Pfefferle aufgegriffen wurde, quittierte diese Information.
„Hat sie bereits irgendetwas gesagt? Spricht sie überhaupt unsere Sprache?“, hakte Karen nach.
„Hat sie nicht“, sprang Sarah ein, „und das mit der Sprache ist ein guter Ansatz. Dr. Wiese, die Ärztin, geht zwar davon aus, dass ihre Apathie und das damit verbundene Schweigen auf die erlittenen Traumata zurückzuführen sind. Dr. Schwarz jedoch hat bei der Auswertung der gestern angefertigten Bilder in Bezug auf ihre Zähne eine Vermutung aufgestellt. Die meisten Problemstellen sind wohl nie richtig behandelt worden, aber immerhin hat ihr Gebiss eine Plombe aufzuweisen, von der Schwarz sicher ist, dass sie nicht in Mitteleuropa angefertigt und platziert wurde. Da ja auch in Polen, Tschechien und der Slowakei seit etlichen Jahren erstklassige zahnmedizinische Arbeit geleistet wird, tippt er entweder auf Russland oder Weißrussland beziehungswiese auf den Balkan.“
„Wie gehen wir in Bezug auf das Mädchen weiter vor?“, wollte Nico Berner wissen.
Da Thomas dabei war, die losen Seiten aus dem Aktenordner zu sortieren, antwortete abermals Sarah:
„Vorausgesetzt, wir sind nicht in der Lage, zeitnah ihre Eltern zu ermitteln, wird sie noch mindestens zwei Tage in der Klinik unter der Obhut von Frau Dr. Wiese und dem Jugendamt bleiben. Die zwei werden auch entscheiden, wann und in welcher Intensität wir mit der Kleinen arbeiten dürfen. Wir hoffen, dass wir heute Nachmittag ein erstes Gespräch wagen können. Bis dahin werden die Damen auf jeglichen Hinweis, der zu Klärung ihrer Identität und Herkunft beitragen kann, achten. Derweil“, sie nahm Thomas das Blatt, welches er ihr hinhielt, aus der Hand, „haben wir ihre Beschreibung und Portraitbilder.“
Sie legte den Steckbrief auf den Tisch und wartete darauf, dass ihr Partner etwas dazu sagen würde. Da dieser jedoch keine Anstalten machte, die sich aus dem Blatt Papier ergebende Aufgabe zu delegieren, nahm Sarah es zum Anlass, selbst aktiv zu werden.
„Wer kümmert sich um die Recherche?“, fragte sie, da sie als jüngstes Mitglied des Teams nicht befugt und auch nicht gewillt war, eine Anweisung zu erteilen. Selbst wenn sie, so ihre Überzeugung, von Thomas dafür Rückendeckung bekommen hätte.
„Ich mach das“, meldete sich sofort Karen Polocek eifrig zu Wort. „Ich gehe die Vermisstendatenbanken durch und nehme Kontakt zu den anderen Behörden und den Kollegen im Ausland auf.“
Sarah schob ihr das Papier über den Tisch, blickte fragend zu Thomas, der ein kaum wahrnehmbares Nicken des Einverständnisses zeigte.
„Du wirst mit den Kollegen heute nicht viel Glück haben. Genauso wenig verspreche ich mir Erfolg bei der Identifizierung des Toten. Fingerabdrücke können wir zwar durchlaufen lassen, aber was die Besitzverhältnisse bezüglich der Waldhütte angeht et cetera, müssen wir ebenfalls bis morgen warten, genau wie bei den genauen Ergebnissen der Spusi. Zurückverfolgung der elektronischen Geräte anhand der Seriennummern macht auch erst Sinn, wenn morgen die Geschäfte wieder geöffnet haben. Für die Überprüfung der Funkzellen im Bereich der Hütte brauchen wir einen Beschluss. Hans, das machst du morgen. Ich denke, was im Moment am produktivsten ist, wäre die Durchsicht der DVDs vom Tatort. Vielleicht können wir da etwas ermitteln, was uns weiterbringt.“
Er suchte den Augenkontakt mit jedem Einzelnen, und nachdem niemand eine Frage hatte, legte er seine Dokumente zurück in den Schnellhefter.
„Okay, wir können es uns leisten, jeweils zu zweit das Material zu sichten. Ich habe die Discs im Büro. Nico, holst du die Scheiben für Hans und dich dort ab? Sarah und ich übernehmen den Rest.“
Drei Minuten später saßen die beiden an Sarahs Schreibtisch. Thomas hatte seinen Bürostuhl um den Tisch herumgerollt und sich so positioniert, dass sie einen guten Blick auf den Computermonitor hatten. Er öffnete das DVD-Laufwerk des Desktops und legte die CD ein, die sich in der Hütte im Player befunden hatte. Noch bevor Sarah die Aufnahme startete, kam Nico Berner ins Büro. Ohne ein Wort zu sagen zeigte Thomas auf einen Stapel DVDs, die er auf seinem Schreibtisch für ihn bereitgestellt hatte.
„Schon was gesehen? Ist es übel?“, fragte er.
Sarah schüttelte den Kopf, während Thomas letzte Anweisungen zu den Beweisstücken gab.
„Schwerpunkt