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Stelle verharrte, von der aus er das Licht entdeckt hatte.

      „Und tut sich dort etwas?“, fragte Sarah, als sie ihren Partner erreicht hatte.

      „Hat man uns entdeckt?“

      Thomas schüttelte den Kopf.

      „Gerührt hat sich bisher nichts. Keine Silhouette hinter dem Fenster, keine Tür, die sich geöffnet hat oder Ähnliches. Viel­leicht ist niemand da. Oder aber man hat un­sere Taschen­lam­pen nicht bemerkt. Steuert der Hund die­se Hütte dort an?“

      Der Hundeführer drehte sich um.

      „Ja, Connor zieht schnurstracks in Richtung dieses Fensters. Von dort ist das Mädchen gekommen. Oder sie lief in der Nä­he daran vorbei.“

      „Dann sehen wir uns das einmal genauer an“, entschied Tho­mas und setzte seinen Weg fort. Sarah und der Hunde­führer folgten ihm. Alle behielten das flackernde Licht und dessen Umgebung scharf im Blick und als Thomas seine Waffe zog, durchlud und vor sich hielt, taten Sarah und der Kollege es ihm gleich. Es hatte mittlerweile aufgehört zu schne­ien und als sich das Trio plus Vierbeiner bis auf knappe fünfzig Meter angenähert hatten, konnten sie erkennen, dass es sich bei dem Gebäude um eine Waldhütte handelte, ein­stöckig, aber doch recht groß. Anhand der Anzahl der un­beleuchteten Fenster mochten es drei, vielleicht sogar vier Räume sein. Einer davon, am rechten Ende des länglichen Gebäudes, war möglicherweise eine Küche oder zumindest mit einer Möglichkeit zu heizen ausgestattet, denn an der rechten Seitenwand ragte ein Kamin in die Höhe. Dass dieser in Betrieb war, erkannten die Polizisten erst jetzt, offen­sichtlich hatte eine leichte Brise den angenehmen Geruch von Buchenfeuer von ihnen weggetrieben. Außerdem war in diesem Raum ein leich­tes Flackern zu erkennen, deutlich dezenter als in dem Fenster am anderen Ende des Hauses; es entsprang wohl ei­nem Ofen oder Herd. Die Hütte befand sich nicht auf einer Lichtung, sondern war von Wald um­geben. Wahr­schein­lich hatte man nur eine Anzahl Bäume gefällt, um Platz für die Behausung zu schaffen. Allerdings verriet eine relativ schma­le Schneise, die sich neben der Hüt­te im Dunkel verlor, dass dieser Ort auch mit dem Auto zu erreichen war. Sicher nicht mit einem gewöhnlichen Fahr­zeug, aber mit einem tauglichen Geländewagen und der rich­tigen Berei­fung moch­­te dieser Weg durchaus befahrbar sein. Und wenn der Anschein nicht trog, hatte ein solches Auto vor nicht allzu lan­ger Zeit den Weg benutzt; es waren zwei pa­rallele Ver­tiefungen zu erahnen, wo der Neuschnee ein biss­chen we­niger an Höhe erreicht hatte, als auf dem Rest der Fläche.

      „Sie gehen einmal um das Haus und klären ab, ob es eine weitere Tür gibt“, wies Thomas den Hundeführer an. „Und sorgen Sie dafür, dass der Hund nicht Laut gibt!“

      Der Angesprochene nickte, vermittelte dem Australian She­ph­erd mittels einer Geste, dass er nicht mehr anschlagen muss­­te, und entfernte sich von Thomas und seiner Partnerin.

      „Was glaubst du, erwartet uns da drinnen?“, fragte Sarah ihren Kollegen. Ihre Stimme war nicht mehr als ein leises Flüs­tern.

      „Keine Ahnung!“, lautete die lakonische Antwort.

      „Meinst du, wir finden dort tatsächlich Spuren, die auf die Anwesenheit des Mädchens hindeuten?“

      Thomas wandte sich ihr zu und rümpfte die Nase.

      „Ich habe mehrere Ideen, wie es da drin aussehen könnte, und keine davon gefällt mir sonderlich.“

      Kapitel IV

      Professor Doktor Schwarz, Leiter der Rechtsmedizin an der Uni Freiburg, sah mit hoffnungsvollen Augen auf die junge Ärztin, die aus dem Behandlungszimmer kam, sich kurz umsah und dann auf ihn zuschritt.

      „Physisch gesehen geht es der Patientin bis auf die leichten Erfrierungen und eine mittelschwere Unterkühlung gut“, be­gann sie ohne Umschweife. „Sie weist bis auf die eindeutigen Fesselspuren an Hand- und Fußgelenken keinerlei äußere Verletzungen auf, hat guten Pupillenreflex, Greifreflex, re­agiert auf Ansprache mit Drehung des Kopfes. Sie ist gefügig bezüglich meiner Anweisungen, ich meine, sie tut, was ich ihr zeige. Aber sie spricht nicht! Es ist ein mittelschwerer Zu­stand von Lethargie. Sie reagiert nicht auf Fragen, die eine Antwort oder Geste wie Nicken oder Kopfschütteln erfor­dern. Wenn ich sie bitte, den Arm zu heben, tut sie nichts, bis ich ihr den Arm führe. Das lässt sie aber bereitwillig zu.“

      Schwarz runzelte die Stirn. Diese Art, auf ein Trauma zu re­agieren, kam, neben einer in unterschiedlichen Ausprä­gun­gen auftretenden Lethargie, gelegentlich vor.

      „Nicht ungewöhnlich“, sagte er. „Wir wissen zwar nicht, was ihr widerfahren ist, aber die Kollegen vor Ort vermuten, dass es etwas Schreckliches gewesen sein muss. Sie haben die Kleidung ja ebenfalls gesehen. Nichtsdestotrotz müssen wir so schnell wie möglich mit der Beweissicherung anfangen. Ich habe leider derzeit keine medizinische Mitarbeiterin. Wür­den Sie mich unterstützen?“

      „Natürlich! Aber gestatten Sie mir eine Frage. Sie erinnern sich nicht an mich?“

      Der Rechtsmediziner musterte die Ärztin einen Moment eindringlich.

      „Ja, Sie kommen mir irgendwie bekannt vor“, gab er von sich. „Sie saßen sicher während des Studiums in einem mei­ner Kurse zum Thema Rechtsmedizin?“

      Die Frau lachte.

      „Ja, das auch. Außerdem haben Sie mich mündlich geprüft. Vier Jahre ist das her, damals wog ich satte 20 Kilo mehr, hatte noch kurzes Haar und war blond.“

      Jetzt klickte es bei Schwarz.

      „Saskia Fichter!“, brach es aus ihm heraus. „ich erinnere mich! Ich gab Ihnen damals eine Eins.“

      Die Ärztin wiegte den Kopf ein wenig hin und her.

      „Eine Eins minus“, korrigierte sie und lächelte. „Und dass ich nicht mehr Fichter heiße, sondern Wiese, hat es Ihnen ne­ben den Haaren sicher nicht leichter gemacht.“

      Der Rechtsmediziner nickte zustimmend.

      „Ja, das stimmt. Brünett steht Ihnen aber gut! Nun, dann sind Sie ja geradezu prädestiniert, die Beweise abzunehmen. Eine Frage vorweg: Haben Sie das Mädchen schon gynä­ko­logisch untersucht?“

      Dr. Wiese nickte.

      „Ja, und zwar ohne Befund. Ich meine, keinerlei Anzeichen eines sexuellen Missbrauchs. Das Hymen ist intakt, sie ist de­finitiv noch Jungfrau.“

      „Gott sei Dank!“, entfuhr es Schwarz. „Wenigstens ist ihr das erspart geblieben. Einen Moment bitte.“

      Er griff nach seinem Handy, das stummgeschaltet in seiner Kitteltasche vibrierte.

      „Ja, Mustafa?“, meldete er sich und lauschte dem Gegen­über.

      „Haben Sie Bierman schon Bescheid gegeben?“, hakte er nach.

      Das Gespräch war kurz. Als Schwarz aufgelegt hatte, sah er mit ernster Miene zu Dr. Wiese hinüber.

      „Das war ein Mitarbeiter des kriminaltechnischen Labors, dem schon eine Blutprobe gebracht wurde. Er ist schnell und gut, und er hat herausgefunden, dass es sich bei dem Blut auf der Kleidung des Mädchens und auf dem Messer, das es bei sich trug, eindeutig um menschliches Blut handelt! Ich wage mir gar nicht auszumalen, was die Kleine hat ansehen müs­sen!“

      „Schrecklich!“, pflichtete Dr. Wiese bei. „Wollen wir los­le­gen?“

      Sie schritt voran und führte den Rechtswissenschaftler zu dem Behandlungsraum, aus dem sie kurz zuvor gekommen war. In dem einzigen Bett lag mit aufgerichtetem Oberkörper das etwa vierzehn Jahre alte Mädchen unter einer Schicht war­mer Decken, und ein Bedienmodul, das am Bett hing, zeig­­­te an, dass auch eine Heizdecke in Betrieb war. Außer ei­ner Fingermanschette, welche die Sauerstoffsättigung und den Puls auf einen Monitor übertrug, war die Patientin an keine weiteren Geräte angeschlossen. Die Schwester, die ne­ben der Jugendlichen auf der Bettkannte saß und ihr die freie Hand hielt, sah auf, als die beiden Ärzte

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