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Höllenteufel. Andre Rober
Читать онлайн.Название Höllenteufel
Год выпуска 0
isbn 9783754176665
Автор произведения Andre Rober
Жанр Языкознание
Издательство Bookwire
„Ich bin Melanie Escher, Psychologin vom Jugend- und Sozialamt Freiburg. Hier wartet eine kleine Patientin auf mich?“
Sie streckte ihre Hand aus, die sowohl von Dr. Wiese als auch von Professor Schwarz unter Nennung ihres jeweiligen Namens ergriffen wurde. Beiden fiel das am Hals hervorlugende Etikett auf, das verriet, dass sich die Psychologin zu dieser nachtschaffenden Stunde in aller Eile angezogen hatte und daher den Merinopullover falschherum trug. Die Dame vom Jugendamt bemerkte die Blicke der Ärzte, so scheu und kurz sie auch gewesen sein mochten. Sie lächelte breit.
„Meine Socken passen sicher genauso nicht zueinander und von dem Rest wollen wir gar nicht erst sprechen“, sagte sie mit einem schelmischen Grinsen. „Wo ist denn nun die Kleine?“
„Gleich hier drüben.“
Wiese geleitete Escher in das Nebenzimmer, wo immer noch die Krankenschwester neben dem unbekannten Mädchen saß und ihre Hand auf deren Unterarm liegen hatte.
„Sie kommen gerade rechtzeitig“, informierte Wiese. „Wir sind mit unserer Arbeit fertig und werden die Patientin auf Station verlegen, da ist es sicher gut, wenn Sie auf dem Weg dorthin schon dabei sind.“
Die Psychologin nickte, war mit ihrer Aufmerksamkeit jedoch schon voll bei dem Mädchen, das apathisch mit gestütztem Oberkörper in dem Bett lag. Escher blieb zunächst am unteren Ende des Bettes stehen.
„Hallo“, sagte sie mit fast seidiger Stimme und legte ihre Hand sacht auf den Knöchel des Mädchens. „Ich bin Melanie. Ich werde zunächst einmal bei dir bleiben und wenn du schläfst auf dich aufpassen. Ist dir kalt? Soll ich dich ein wenig zudecken?“
Sie trat an das Bett heran, und erst jetzt drehte sich das Gesicht etwas und das Paar grüne Augen blickten zu Melanie Escher. Es sollte bei dem seelenlosen Blick bleiben, das Kind zeigte keine weitere Reaktion. Die Psychologin legte die Hand vorsichtig auf dessen Schulter und sowohl Dr. Wiese als auch Schwarz wussten, dass sie über die Körperlichkeit eine Verbindung zu dem Mädchen aufzubauen versuchte, ohne ihm zu nahe zu treten oder, schlimmer, etwas zu triggern, das mit dem Erlebten zusammenhing. Da keine erkennbare zurückschreckende oder abweisende Reaktion erfolgte, beließ Escher die Hand auf der Schulter, als sie mit der anderen in ihrer voluminösen Tasche kramte und nach einigem Suchen ein Kinderbuch zum Vorschein brachte. Der kleine Klabautermann war auf dem Cover zu lesen.
„Magst du Geschichten mit Piraten und Schatzkarten?“, erkundigte sie sich, doch abermals verweigerte das Mädchen eine Reaktion.
„Können wir auf die Station? Dort ist es kindgerechter und nicht so steril wie hier“, beendete sie den Versuch, jetzt schon zu der Patientin vorzudringen.
Wiese nickte.
„Kinderstation, Zimmer 314“, antwortete sie. „Medizinisch ist es nicht notwendig. Soll ich der Patientin trotzdem etwas geben, damit sie schläft?“
Escher schüttelte den Kopf.
„Nein. Später, wenn wir feststellen, dass sie traumabedingt nicht schlafen kann, dann vielleicht. Aber nicht im Moment. Vielleicht kann ich ja schon etwas in Erfahrung bringen.“
„Wenn dies der Fall sein sollte, dokumentieren Sie bitte alles haarklein“, schaltete sich Schwarz ein. „Ich kenne die Kollegen, die diesen Fall bearbeiten sehr gut und sie legen viel Wert darauf, jede scheinbar noch so unbedeutende Information zu erhalten.“
„Das werde ich“, versprach die Psychologin.
„Morgen im Laufe des Vormittags werden sie sicher persönlich herkommen, um die Patientin, soweit es die Umstände zulassen, zu befragen.“
„Aber nur, wenn ich dabei bin, und in dem Maße, wie ich das erlaube!“
Zum ersten Mal lag etwas Schärfe in der Stimme Eschers, doch Schwarz beruhigte die Psychologin.
„Sie denken zu sehr in Klischees“, sagte er. „Die Kollegen werden sogar auf Ihre Anwesenheit bestehen und selbstverständlich einfühlsam agieren.“
Escher quittierte das Statement mit einem Nicken.
„Also zumindest Frau Hansen“, fügte Schwarz noch mit einem Augenzwinkern hinzu.
Kapitel V
In dem Holzhaus im tief verschneiten Wald herrschte emsiger Umtrieb. Nachdem der Hundeführer ihre Position mitgeteilt und man einen einigermaßen gut zugänglichen Punkt in der Nähe der Hütte ausfindig gemacht hatte, mussten die drei Polizisten geschlagene anderthalb Stunden warten, bis die Spurensicherung bei ihnen eingetroffen war. Da auch Sarah und Thomas dem Tatort keine weiteren eigenen Spuren hinzufügen wollten, hatten sie sich zu dem Kollegen und dessen Hund in den wärmsten Raum gesellt und sich über dies und jenes unterhalten. Über das Einkochen von Himbeermarmelade über Einsteins allgemeine Relativitätstheorie bis hin zu der Tatsache, wie einfach es für Terroristen sei, Senfgas aus verschiedenen Allzweckreinigern selbst herzustellen.
Doch jetzt erhellten die Blitze zweier Kameras die Räume, mit denen die Techniker jedes Objekt, jedes Möbelstück und jede Spur dokumentierten, bevor sie Beweismaterial bewegten, eintüteten oder gar Einrichtungsgegenstände verrückten, um gegebenenfalls Corpora Delicti freizulegen. Auch Luminol und Schwarzlicht kamen zum Einsatz, ganz zu schweigen von Unmengen von unterschiedlichen Fingerabdruckpulvern, mit dem die Techniker Klinken, Flächen und Artefakte bepinselten. Aufmerksam verfolgten Sarah und Thomas die Arbeiten, während der Kollege der Hundestaffel begann, sich zu verabschieden.
„Sicher“, murmelte Thomas fahrig, doch Sarah bedankte sich und wünschte ihm und Connor einen guten Heimweg und eine erholsame Rest-Nacht.
„Friedhelm, seid ihr mit dem Schrank dort fertig? Auch innen?“, fragte ihr Partner einen regelrechten Hünen in weißem Overall und deutete auf das Highboard.
„Mhmmm“, nickte der Gefragte und wandte sich wieder dem Altar zu, an dem er mit Wattestäbchen versuchte, mögliche DNA-Spuren zu sichern.
„Dann schauen wir mal“, ermunterte Thomas Sarah und öffnete die Tür, die dem seltsamen Thron gegenüberlag. Erwartungsgemäß befand sich dahinter ein Fernseher, ein älteres Flachbildgerät, auf dessen Bedientasten sich fluoreszierendes Fingerabdruckpulver befand. Darunter konnten er und seine Partnerin sowohl einen DVD-Player als auch einen VHS-Recorder erkennen. Thomas schaltete Fernseher und Player ein. Sogleich switchte das TV-Gerät auf den Player als Bildquelle.
Auf dem Bildschirm waren zunächst nur Dunkelheit und das leicht flackernde Licht einer Kerze zu erkennen. Nach einigen Sekunden trat aus dem schwarzen Hintergrund eine Gestalt in den Kerzenschein. Sie trug eine Art Kutte und die Maske, die Sarah und ihr Partner zuvor schon auf dem Sideboard hatten liegen sehen. Vor sich hielt die Person mit beiden Händen den seltsamen Dolch, den das rothaarige Mädchen bei sich gehabt hatte. Je näher die Gestalt dem Aufnahmegerät kam, desto deutlicher konnte man gemurmelte Worte vernehmen, die Sarah als ein Sammelsurium aus Latein, Altgriechisch und einer ihr unbekannten Sprache identifizierte. Fast musste Sarah lachen, denn das Intro zu dem Video erinnerte sie stark an Horrorfilme aus den sechziger Jahren.
„Fehlt nur noch Orgelmusik und die Ankündigung von Vincent Price“, flüsterte sie mit einem Seitenblick auf ihren Partner, der sofort lächelte. Er nahm die Fernbedienung und schaltete das Video ab.
„Ich möchte mir nicht vorstellen, was da noch so alles zu sehen ist. Vor allem aber will ich es nicht hier an diesem grotesken Ort ansehen. Das machen wir morgen im Präsidium.“ Er blickte an einen Teil der Wand, wo in einer Höhe von etwa einem Meter achtzig massive Ringe in der Wand verankert waren. An diesen waren verschließbare Metallschnallen