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dass Sie heute bei mir vor­bei­schauen würden. Darf ich Ihnen etwas anbieten? Kaf­fee, Tee? Ein biss­chen was Stärkeres, bevor wir in den Ob­duk­tionsraum gehen?“

      „Kaffee“, brummte Thomas, während Sarah im Anschluss höf­lich um einen Tee bat. Die Polizisten setzten sich, Schwarz hob den Hörer vom Apparat, bestellte bei seiner Sekretärin zwei Kaffee und – nachdem er sich bei Sarah erkundigt hatte – einen Roibush-Vanille-Tee. Dann umrun­dete er den Schreib­tisch und nahm ebenfalls Platz.

      „Sie hatten ja sicher eine ähnlich kurze Nacht wie ich, des­we­gen verstehen Sie bestimmt“, sein Blick blieb auf Tho­mas haf­ten, „dass ich den übel zugerichteten Herrn, den Sie ges­tern aufgetan haben, noch nicht unters Messer ge­nom­men habe. Doch wie ich Sie kenne, wollen Sie ohnehin erst ein­mal über das Mädchen sprechen, habe ich Recht?“

      „Da liegt unser Fokus, genau“, antwortete Sarahs Partner. „Dass das Mädchen sich in der Gewalt des Toten befunden haben muss, ist durch die Indizien hinreichend, durch die Blutanalysen und DNA-Vergleiche eindeutig belegt. Wir ha­ben eine einigermaßen genaue Vorstellung, was gestern Abend passiert ist und gehen auch davon aus, dass sie es war, die ihren Peiniger in Notwehr getötet hat. Hier können Sie uns vielleicht später Gewissheit verschaffen. Wir haben die Waf­fe, die das Mädchen bei sich führte, mitgebracht.“

      „Fall gelöst!“, witzelte Schwarz, stand auf, ging zu dem Buffet, das rechts von seinem Schreibtisch stand und kam mit einer Flasche Dalwhinnie und drei Nosing-Gläsern zu­rück.

      „Auch ein Schlückchen?“, bot er an und reichte, während Thomas angewidert das Gesicht verzog, Sarah den Whisky, die das Etikett neugierig begutachtete. Schwarz freute sich wie ein kleines Kind, als sie nickte und mit zwei Fingern an­deutete, dass der Dram aber klein ausfallen sollte.

      Schwarz goss ein, verstöpselte den Single Malt und stellte die Flasche zurück. Natürlich war dem Rechtsmediziner klar, dass die Ermittlungen jetzt erst so richtig anliefen und zunächst vordringlich die Identität des unbe­kannten Mäd­chens geklärt und das gesamte Umfeld der Er­eig­nisse aufge­deckt werden musste.

      „Ich habe gehört, dass Sie Satanisten hinter der Entführung und Beinahe-Opferung vermuten“, warf er deswegen ein. „Haben Sie da schon konkrete Anhaltspunkte?“

      Er hob sein Glas an die Nase, um die Düfte, die dem Trink­ge­­fäß entströmten, einzufangen und beobachtete, wie Sarah ihrerseits etwas schüchterner an dem Whisky schnüffelte und dann vorsichtig probierte.

      „Ihr erstes Mal? Dafür ist dieser Highland Malt genau das Richtige, er…“

      „Ich möchte Sie nur ungern unterbrechen“, grätschte Tho­mas hinein, der offensichtlich einem ausschweifenden Vor­trag über das schottische Nationalgetränk Einhalt gebieten wollte. „Aber Sie fragten gerade nach Anhaltspunkten. Hier sind welche.“

      Er reichte dem Rechtsmediziner ein Tablet über den Tisch.

      „Nach links wischen.“

      Schwarz nahm das Gerät entgegen, setzte sein Glas ab und begann, die Tatortfotos zu studieren. Während er damit be­schäftigt war, öffnete sich die Tür und die Sekretärin trat ein, stellte ein Tablett mit Kaffee und Tee sowie einigen Plätzchen auf den Tisch und huschte, ohne ein Wort zu sagen, wieder aus dem Büro.

      „Und? Interessant, oder?“, fragte Sarah nach einer Weile der Stille.

      „Dasselbe wollte ich Sie in Bezug auf den Dalwhinnie auch gerade fragen“, entgegnete Schwarz. „Aber das hat Zeit. Las­sen Sie mich eins vorwegschicken: Wenn Sie eine Abtei­lung für Okkultismus, Esoterik oder was Ähnliches ha­ben, brau­chen Sie diese nicht zu bemühen.“

      „Nein?“, fragte Sarah erstaunt.

      „Nein. Sie wissen das nicht, aber ich verfüge nicht nur über das Medizinstudium und den Facharzt für Rechtsmedizin, sondern habe mich im Rahmen meines Ethnologiestudiums auch mit Religionen, Okkultismus, Riten und Ritualen be­schäftigt. Und das, was Sie mir gerade zeigen ist, Sie ver­zei­hen den Ausdruck, ziemlicher Bullshit.“

      „Sie sehen darin keine Sekte oder einen Teufelskreis oder so etwas?“, hakte Thomas ein.

      „Nein!“, sagte Schwarz bestimmt. „Ich sehe eine Mi­schung aus sehr verschiedenen okkulten Strömungen. Da ha­­ben wir Zeremoniengegenstände aus dem Voodoo, Bilder, die dem Sa­tanismus entspringen, sowie Anleihen aus der ägyp­ti­schen Mythologie um Thot. Und die Zeichen des kel­tischen Ok­kultismus haben in dem Pentagramm weiß Gott nichts zu suchen!“

      „Und daraus schließen Sie was genau?“, fragte Sarah.

      „Das ist keine Sekte oder ernst zu nehmende okkulte Gesell­schaft, die die Hütte so eingerichtet hat. Das ist jemand oder sind meh­rere, die meinen, sie seien Teil eines mystischen Or­dens, Erben einer Bestimmung oder so etwas. Oder jemand, der den parapsychologischen oder esoterischen Geschichten ein­fach nur ver­fallen ist und seinen Fantasien materiellen Aus­­druck verleihen will. Dabei hat er so ziem­lich aus jeder Zi­vilisation alles zusammengetragen, das in irgendeiner Weise eine Verbindung zum Übernatürlichen mit sich bringt. Aber einem Geheimbund sind Sie definitiv nicht auf die Spur ge­kommen. Auch keiner Gruppierung, die es mit ihrer, nennen wir es Neigung zum Okkulten, wirklich ernst meint. Das hier sind eher ein paar durchgeknallte Spinner, die absolut keine Ah­nung von dem haben, was sie tun.“

      „Irgendwie erleichtert mich das“, entfuhr es Sarah, als sie sich in dem Sessel zurücklehnte. „Denn wenn wir es mit ei­ner professionellen Gruppierung zu tun hätten, wäre es für uns deutlich schwieriger, zu ermitteln. Ganz zu schweigen von der Gefahr, die davon ausgehen könnte. Vielleicht war es nur ein Einzeltäter, den unsere mutige kleine Dame ins Jenseits hat schicken können.“

      „Das wird sich ja dann herausstellen.“

      Der Unterton in Thomas‘ Reaktion war eher skeptisch.

      „Aber da wir beim Thema sind, Dr. Schwarz, was können Sie uns über das Mädchen berichten?“

      Sachlich und detailliert informierte der Rechtsmediziner die beiden Polizisten über die Stunden mit Dr. Wiese und die Ergebnisse, zu denen ihre Untersuchungen geführt hatten.

      „Das ist der Stand dieser Nacht, heute habe ich noch nichts Neues gehört“, schloss er den Vortrag.

      „In Ordnung, um das Mädchen kümmern wir uns im An­schluss. Wir haben schon Nachricht von Frau Dr. Wiese, die Nacht ist wohl friedlich verlaufen. Was für ein tapferes, klei­nes Ding. Unglaublich, dass sie es trotz Betäubung ge­schafft hat, sich gegen ihren Entführer zu wehren. Wir haben schon vermutet, dass er sie vielleicht bei Bewusstsein, nennen wir es beim Wort, opfern wollte und sie deswegen dazu in der Lage war.“

      Seit Sarah gehört hatte, dass keinerlei sexuelle Handlungen an dem Kind vorgenommen worden waren, und sie auch keine sons­tigen Verletzungen aufwies, war sie deutlich rede­freudiger geworden.

      „Nun, was den Angriff auf ihren Entführer anging, habe ich eine eigene Theorie. Nein, Erklärung. Ich bin mir sicher, dass es sich so verhält.“

      „Und das wäre?“, wollte Thomas wissen.

      „Ich gehe einfach einmal davon aus, dass der Tote im Keller kein Anästhesist gewesen ist, sondern als Laie ver­sucht hat, sein Opfer mit einem entsprechenden Medikament zu se­dieren oder ganz zu betäuben. Da er unerfahren ist, und er seine Gefangene zumindest für eine gewisse Zeit am Le­ben halten will, ist er mit der Dosierung, die er angewendet hat, sehr vorsichtig gewesen.“

      „Und Sie glauben, dass er übervorsichtig war, und des­we­gen das Mittel nicht in ausreichender Menge verabreicht hat?“, unter­brach Sarah Schwarz.

      „Nicht ganz“, lächelte dieser. „Unter normalen Umständen hätte die Dosierung vielleicht gepasst. Aber was er sicher nicht wusste, ist der Umstand, dass man bei rothaarigen Men­schen bis zu zwanzig Prozent mehr Anästhetikum ver­abrei­chen muss, um sie in Morpheus` Schoß zu schicken. Das wür­de mei­­ner Meinung nach erklären,

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