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Theresa: »Kann ich nicht finden. Ich könnte mir eine andere Nase in diesem Löwengesicht gar nicht denken – – Sie erinnert vielleicht etwas an Michelangelo – ich glaube, da liegt irgendeine Ähnlichkeit. Und die Stirn, diese gewaltige offene Stirn!«

      »Du hast ihn dir aber gut angeschaut, Theresa.«

      »Oh, gar nicht. Eigentlich weiß ich gar nicht mehr, wie er aussieht. Ich habe nur so eine ungefähre Idee.«

      »Groß, schlank?« fragte Giulietta.

      »Klein, derb!« konnte sich Gallenberg nicht enthalten einzuwerfen.

      Theresa mußte sich besinnen: »Klein? Bestimmt nicht. Imponierend. Riesenmäßig!«

      »Wie interessant!« kam es von den Lippen Giuliettas. »Elegant, gut gekleidet?«

      »Salopp, plebejisch, wie seine Manieren«, fuhr Gallenberg heraus.

      Giulietta stampfte zornig mit dem Fuß: Gallenberg –!«

      Und Josephine: »Er ist freilich in allen Stücken anders wie Sie, Graf!«

      »Gott sei Dank!« rief Giulietta, »ich will es hoffen. Ihr macht mich furchtbar neugierig!«

      Und Theresa ergänzte: »Er ist eben in allem bedeutend, originell und neuartig, ungewöhnlich. Ganz wie seine Musik. Drum hat er Gegner und Feinde.«

      »Aber auch Freunde!« betonte Josephine.

      »Ein Bär!« piepste der etwas verlebte Jüngling.

      »Besser ein Bär als ein Stutzer«, gab Giulietta zurück. »Schade, daß ich ihn nicht kenne.«

      Das eigensinnige Köpfchen, von der Prachtfülle des rotblonden Haares umwellt, warf sich zurück, eine verwegene Idee blitzte in dem pikanten Gesicht auf, darin allerhand Teufeleien ihr verführerisches Wesen trieben. Giulietta fühlte sich jederzeit zu verwegenen Schelmenstreichen aufgelegt; sie spielte gern mit dem Feuer und wußte ihre Koketterie in vollendete Unschuld zu kleiden. Nur einen Augenblick lang tauchte der lose Schalksgeist in dem Antlitz der reizenden jungen Hexe auf. Dann bezwang sie sich auch schon zu einer gut geheuchelten Unbefangenheit.

      »Ach!« seufzte sie, »ich sollte auch eigentlich etwas tun für mein arg vernachlässigtes Klavierspiel. Es ist doch jammerschade darum!«

      Gallenberg ergriff lebhaft die kostbare Gelegenheit: »Gräfin, bei Ihrem bewundernswerten Talent – ich würde mich glücklich schätzen, wenn ich Ihnen dabei nützlich sein könnte – – –«

      Giulietta lachte spöttisch und warf sich in den Sessel weit zurück, indem sie ihn durch die gesenkten Wimpern ziemlich hochmütig anblickte. Geringschätzung lag in ihrer Gebärde und in ihren Worten: »Sie wollen mir Unterricht geben, hahaha! Es klingt wirklich komisch. Ich fürchte außerdem, daß ich bei Ihnen gar nichts lernen würde – – Warum? Weil ich mir von Ihnen gar nichts sagen ließe und stolz auf meine alten Fehler wäre, nur um Sie zu ärgern.«

      Der Gehänselte war jetzt gekränkt und schwieg. Das blasse faltige Gesicht nahm den Ausdruck eines ungezogenen, trotzenden Knäbleins an. Es rührte die Grausame nicht im mindesten; sie freute sich vielmehr, daß sie seine Eitelkeit verwundet hatte.

      »Nein,« sagte Giulietta, »ich habe eine andere Idee. Wie wäre es, meine Geliebten, wenn ihr mich mitnehmen würdet zu Beethoven. Wenn wir zu dritt kommen und ihm recht schön tun, dann kann er nicht nein sagen. Und wenn es ihm zuviel ist, dann kann er ja wählen: eine von uns dreien!«

      Jetzt war die Überraschung und Betretenheit auf Seite der Schwestern.

      »Ja – wenn du glaubst«, sagte etwas gedehnt Josephine.

      Und nach einer Pause Theresa:

      »Übrigens: warum auch nicht? Wenn er uns nur nicht alle wegschickt.«

      Giulietta lachte spitzbübisch auf: »Nun, nun, ich will euch nicht eifersüchtig machen.«

      »O durchaus nicht«, sagten die beiden Schwestern etwas verlegen; »es steht ja jedem frei, ihn zu bitten – – wir haben nicht mehr Recht auf ihn als jede andere – –«

      »Nein, nein, es war nur so eine Laune«, sagte Giulietta, die sich an der Verwirrung aller drei weidete. »Es ist besser, ihr geht allein. Ich habe mir's schon wieder anders überlegt!«

      Der Graf hatte sich erhoben, um sich förmlich zu verabschieden. Zu Giulietta gewendet, sagte er: »Gräfin, wenn Sie den Rivalen vorziehen, dann werde ich ihn zum Duell herausfordern.«

      Ganz bestürzt und erschrocken suchten die Schwestern den Grafen umzustimmen: »Wie, Sie wollen ihm ein Leid antun? Ja, warum denn eigentlich? Was hat er Ihnen denn getan? Weshalb wollen Sie ihn denn fordern?«

      »Ich werde ihn fordern!« betonte der junge Graf und stellte sich in Positur. »Ich oder er!«

      »Ach Sie!« sagte Giulietta wegwerfend. »Sie sind viel zu schwach, einen Säbel zu führen!«

      »Ich sprach nicht von Säbeln, auch nicht von Pistolen«, erwiderte der Graf mit düsterer Entschlossenheit; »ich werde ihn zu einem Klavierwettkampf herausfordern und ihn besiegen. Und der Sieger wird Ihr Meister werden! Gilt es?«

      »Es gilt!« rief Giulietta übermütig. »Ich schlage ein in die Wette und bin selbst der Kampfpreis!« Und sie schlug in die Hand ein, die ihr der Anbeter hinreichte.

      »Ach so!« atmeten die Schwestern erleichtert auf, »wenn's das ist, dann ist uns nicht mehr bange!«

      »Auf Wiedersehen also beim Grafen Fries!« Eine Verbeugung, und der Graf ging.

      Der Graf gehörte zur Partei der Mozartianer, die sich gegen das Spiel der Neuerer verschworen hatten. Die Gegensätze unter den Virtuosen wurden durch Klavierwettkämpfe ausgetragen, das gehörte zur musikalischen Mode der Zeit. Das Palais des Grafen Fries war der Schauplatz, wo solche Kämpfe der Klaviermatadoren mit besonderer Vorliebe veranstaltet wurden und immer von einem großen Kreis von Kunstfreunden besucht waren.

      Kaum war Gallenberg fort, kam Franz Graf von Brunszvik heim, der Bruder Theresas und Josephinens. Der stattliche Kavalier mit offenen sympathischen Gesichtszügen, in der kleidsamen ungarischen Attila prächtig anzusehen, war als guter Cellospieler in seinen Kreisen berühmt; er gehörte zu den stillen Verehrern des Meisters, ohne ihm noch persönlich näher getreten zu sein, und freute sich über die Absicht der Schwestern, bei dem Künstler Unterricht zu nehmen. Das Widerstreben der Mama, die wieder erschienen war, war bald besiegt; daß auch der Sohn dafür war, der alles bei ihr galt, hatte wenigstens ihren lauten Protest verstummen gemacht. Innerlich war sie nicht überzeugt, sie war zu adelsstolz, um an dem Gehaben des Meisters Gefallen zu finden; da sie nun Grund hatte zu zweifeln, ob das »van« wirklich Adelsprädikat war, wie viele stillschweigend annahmen, war sie erst recht in ihrem Widerwillen bestärkt.

      »Er mag ja ein guter Künstler sein, das will ich nicht leugnen,« meinte sie, »aber er ist nicht ebenbürtig, und weil er so tut, ist er mir doppelt unangenehm.«

      Als nun die Jugend um sie her hell auflachte, fügte sie seufzend hinzu: »Ich bin eine alte Frau und kann mich in den verkehrten Zeitgeist durchaus nicht finden; ich fürchte, die Welt steht nicht mehr lang, wenn es so fortgeht«, was neues Gelächter auslöste.

      Natürlich wurde dem Bruder Franz brühwarm die Geschichte mit der beabsichtigten Herausforderung Beethovens durch Gallenberg zu einem Klavierwettkampf erzählt.

      Franz meinte, Gallenberg sei ein nicht zu unterschätzender Virtuose, der Beethoven vielleicht an Präzision in der Wiedergabe gedruckter Noten überträfe, während der Meister eben Musik mache und durch das wundervolle Legato, den beseelten Ton, der seine besondere Stärke ist, alles Dagewesene überträfe. Aber das wichtigste bei solchem Klavierwettspiel sei eben das freie Phantasieren, und darin habe Beethoven überhaupt noch nicht seinesgleichen gefunden.

      »Also mit dem neuen Löwenritter anzubandeln, der auf allen Turnierplätzen seine Gegner ausgestochen und zusammengedroschen, ist eine

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