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zu können und am anderen Tage, als er befragt wurde, wie die Sache abgelaufen, trübselig zugab: »Der Kerl hat den Satan im Leib; so spielen hab ich noch nicht gehört – es ist einfach nicht aufzukommen dagegen!«

      »So ist es bisher allen gegangen mit ihm«, schloß Franz; »nun, ich wünsche Gallenberg, daß er nicht mit einer tüchtigen Schlappe abzieht.«

      Die schöne Kusine hatte währenddessen mit eigentümlichem Lächeln zur Decke geblickt, sie schien in Träumereien verloren, ihre Gedanken gingen geheime, ungewöhnliche, vielleicht gefährliche Wege, und sie wußte wohl, daß sie diesen Gedanken auf solchen Wegen nachziehen werde.

      Nur auf die letzte Bemerkung Franz von Brunszviks gab sie ein Echo, indem sie, obschon halb im Selbstgespräch, plötzlich sagte:

      »Nun, mir kann es ja recht sein!«

      »Ist dir nichts aufgefallen an der Guicciardi«, fragte Josephine, als Giulietta fort war.

      »Daß sie ihren Bräutigam schlecht behandelt«, erwiderte Theresa.

      »Nein,« entrüstete sich Josephine, »daß sie neidisch und eifersüchtig ist auf uns!«

      »Auf uns?!«

      »Ja, auf uns! Beethoven wegen!«

      »Aber Pepi!«

      »Das laß ich mir nicht nehmen! Gefallsüchtig ist sie! Mannstoll! Die ist zu allem fähig! Du wirst sehen, mit der werden wir noch was erleben!«

      »Du träumst, Pepi! Ein guter Kerl ist sie. Sie mag halt den faden Gallenberg nicht, das kann ich verstehen.«

      »Nein, Theresa, das ist es nicht! Den möcht' ich auch nicht. Aber siehst du nicht, daß sie nach allem lüstern ist, was sie nicht hat? Auf Abenteuer ist sie erpicht; hast du das nicht bemerkt?«

      »Ach, Kindereien!«

      Theresa war an den Flügel herangetreten und blätterte in den Noten. Der lange Faltenwurf des blauen Gewandes, in der Mitte von einem breiten Silbergürtel umschlossen, ließ sie größer erscheinen, als sie war, und verhüllte den etwas verwachsenen Rücken, die Folge eines Sturzes vom Pferde, den sie als Kind erlitten, so vollkommen, daß nichts davon zu merken war. So bildete die Gestalt in dem weichen Spiel des Gewandes eine klingende Linie voll unbewußten Adels vom Fuß bis zum stolzen Nacken unter der dunklen Haarkrone. Die sanfte Schönheit der großen Gesichtszüge war trotz der heiteren Stirn von leiser Schwermut gehoben, die sinnend über den kühn zusammenschließenden Augenbrauen thronte. Melancholisch, fast schmerzlich war der Mund, der Schweigen verhieß und doch beredt war und nur das eine unausgesprochene Wort zu verraten schien: Entsagen. Man konnte sie nicht ansehen, ohne von Teilnahme und Rührung ergriffen zu sein.

      Anders war Josephine. Beweglicher, lebensfroher, temperamentvoller. Sie konnte nicht leicht hinterm Berg halten, wenn sie etwas auf dem Herzen hatte. Sie war ganz Gefühl und sehr entschieden in ihren Zu- und Abneigungen. Auf die Guicciardi hatte sie nun einmal einen Pik. Ganz aufgeregt war sie mit einem Male.

      »Falsch ist sie, sage ich dir! Oh, die ist falsch! Wir nehmen sie nicht mit, hörst du? Sie führt etwas im Schild, was sie natürlich nicht sagt. Oh, ich traue ihr nicht. Nimm dich nur in acht vor ihr. Sie ist gefährlich. Weißt du was?«

      Sie trat nahe an Theresa heran, und im Ton eines großen Geheimnisses:

      »Verliebt ist sie!«

      »So,« sagte Theresa ziemlich gleichmütig, »verliebt ist sie? Etwa in Gallenberg?«

      »Ach was, du bist aber fischblütig, Theresa, merkst du denn gar nichts?!« Ganz ärgerlich konnte Josephine über die allzu kühle Schwester werden. »Natürlich nicht in Gallenberg, den sie erbarmungslos zappeln läßt wie eine Fliege, die sich in einem Spinnennetz verfangen hat.«

      »In wen denn sonst? Etwa in Franz?«

      »Ganz gefehlt!« Und nun leise, ganz geheimnisvoll: »In Beethoven!« Jetzt mußte Theresa wirklich lachen.

      »Ich glaube, du siehst Gespenster, Pepi! Den kennt sie ja gar nicht!«

      »Nun eben drum!«

      »Das verstehe ich nicht.«

      »Ach!« Ganz ungeduldig konnte Josephine werden. »Sie hat uns ausgefragt und sich ein Bild gemacht. Aber das allein ist es natürlich nicht. Die Wahrheit ist die: sie vergönnt uns ihn nicht!«

      »Uns?!« Nein, die Pepi war wirklich drollig. Theresa traute ihren Ohren nicht. Und sie betonte nochmals: »Uns?! Ja, was geht er uns an? Wir kennen ihn doch selber kaum! Mir scheint, Pepi, du bist mehr eifersüchtig auf die Guicciardi, als sie auf uns, wenn sie es überhaupt ist!«

      »Geh, du verstellst dich nur! Das ist nicht schön von dir, Theresa! Aber jetzt sag' ich dir auch nichts mehr!« Josephine konnte es nicht fassen: »Entweder bist du wirklich so ahnungslos, oder – – –«

      Theresa streifte die Schwester mit einem raschen fragenden Blick, als wollte sie sagen: hat die wirklich auch Feuer gefangen – Liebe auf den ersten Blick? Sie schüttelte den Argwohn alsogleich ab und lächelte schon wieder:

      »Kinder seid ihr, alle zwei! Närrische Kinder.«

      »Kindische Narren, alle drei!« erwiderte Josephine und lachte.

      Theresa hatte sich ans Klavier gesetzt und sang mit wohlklingender Stimme eine der beliebten Mode-Arien:

      »Mich heute noch von dir zu trennen

      Und dieses nicht verhindern können,

      Ist zu empfindlich für mein Herz!«

      IV. Kapitel.

      Schon von frühem Morgen an war der Meister mit wahrem Bienenfleiß tätig; der Vormittag brachte allerlei Besuche, das Vorzimmer war von Menschen angefüllt, sechs bis acht Personen, die geduldig warteten, bis sie der alte Diener in das Allerheiligste vorließ, nachdem sie angemeldet waren: Orchesterdirektoren, der Mozartschüler Süßmayer, Schuppanzigh; mancher mußte unverrichteter Dinge wieder abziehen, wenn der Meister nicht bei Laune war.

      Nur der alte Krumpholz, Violinist im alten Hoftheater, hatte jederzeit Zutritt. Er hatte ein feines, richtiges Gefühl für Tonkunst, ein untrügliches Gehör; in der Lehrzeit bei Haydn war er der eigentliche heimliche Berater, dem Beethoven, der sonst sehr zurückhaltend war mit seinen neuen Schöpfungen, alles vorspielte und jede Idee mitteilte. Ihm war der Meister von Herzen zugetan als seinem musikalischen Intimus; wogegen er erklärte, daß er von Haydn eigentlich nichts lernen konnte, und daher den Wunsch Haydns, er möge auf seine durch Lichnowskys Vermittlung bei Artaria erschienenen Trios unter seinem Namen die Bemerkung »Schüler Haydns« setzen, rundweg ablehnte. Das war zugleich auch die Antwort auf den bekannten Vorbehalt des Altmeisters gegen das dritte Trio.

      Krumpholz, sein Narr, wie ihn der Meister wegen seiner Verzückung und Anhänglichkeit nannte, war mit dem Musiker und Sänger Czerny erschienen, der seinen begabten Sohn Karl mitgebracht hatte; der Meister sollte diesen in die Lehre nehmen.

      Als sie in das Zimmer eintraten, kam ihnen Beethoven entgegen, in langhaariges, dunkelgraues Zeug gehüllt, so daß der junge Karl Czerny glaubte, Robinson Crusoe vor sich zu sehen, der eben seine Knabenlektüre bildete und seine Phantasie mächtig anregte. Wattebauschen steckten in seinen Ohren, der Meister klagte über Sausen im Ohr, dann über Koliken, die ihm zusetzten. Die Kompositionen zu seiner ersten öffentlichen Akademie seien knapp vor der Aufführung fertig geworden, während er unter heftigen Leibschmerzen, seinem alten Übel, litt; ein Arzt habe ihm Landaufenthalt verschrieben, ein anderer Pillen; dieser kalte Bäder, jener lauwarme.

      Nach den Klagen über die verschiedenen Miseren führte der Meister seine Besucher ans Klavier heran und bedeutete dem Vater Czerny, indem er ihm ein Manuskript reichte: »Ich hab's kürzlich niedergeschrieben – eben jetzt brennt ein lustiges Feuer im Ofen, sehen Sie, und da soll es hinein.«

      »Nun wir wollen einmal sehen«, sagte Krumpholz, der Narr, und las mit dem alten Czerny das Blatt durch und las

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