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Maltesische Märchen Gedichte und Rätsel. Dr. Hans Stumme
Читать онлайн.Название Maltesische Märchen Gedichte und Rätsel
Год выпуска 0
isbn 9783742750839
Автор произведения Dr. Hans Stumme
Жанр Языкознание
Издательство Bookwire
Wanderweges dieser Märchen nach Malta liefern uns
diese reinen Äusserlichkeiten der Nomenklatur ganz
und gar nicht, ebensowenig als das die Sprachform
der in diesen Märchen vorkommenden Eigennamen8
tut. Ein Märchen (Nr. VIII »Leila und Keila«) spielt
übrigens direkt in der Welt des Islam, – im »Türkenlande
« (pajîs ittórok), was indes ganz allgemein ein
Land muhammedanischer Bevölkerung, bedeutet,
denn dem Malteser ist jeder Muhammedaner ein
»Türke«, und ein Neger, der aus muslimischen Landen
stammt, ist ihm ein »schwarzer Türke« (vgl. S.
31, Z. 11 = Malt. Stud. S. 25, Z. 28). In diesem im
»Türkenlande« spielenden Märchen wird das orientalische
Milieu ganz gut geschildert (und dennoch mag
gerade diese Erzählung aus Italien stammen): ein Pascha
(im Text übrigens gvernatûr, also ital. g o v e r -
n a t o r e ), der kein Gehalt von seinem sultân erhält,
bedrückt des lieben Mammons wegen seine Untergebenen;
auch einen armen Tischler beraubt er, muss
aber infolge des listigen Vorgehens der beiden Mädchen
Léĭla und Kéĭla das erpresste Gut wieder herausgeben.
Das ist das Sujet der Erzählung. Dabei hören
wir denn, dass »die türkischen Frauen nach ihrem Ge-
setze ihr Gesicht vor keinem Manne, ausser vor ihrem
Ehemanne, unverschleiert zeigen dürfen« (S. 28, Z.
20), dass der Vater seine heiratsfähige Tochter »heiraten
lassen soll, wie es der Koran (ilqorân) gebietet«
(dies. S., unten), dass der Pascha einen Harem
(h. árem) hat (S. 29, unten) und dass dieser Machthaber
vor Amtsentsetzung bangt, da er »ein junges
Mädchen dahin gebracht hat, dass sie ihm ihr Gesicht
ohne Schleier zeigte« (S. 30, oben). Aber der Erzähler
gerät in diesem Märchen gelegentlich auch in europäisches
Milieu: die beiden Mädchen besprechen ihren
Plan (S. 27, letzt. Abschn.) in einem Winkel in der
K i r c h e (knîsja), und das Programm des statthalterlichen
Hochzeitsfestes ist: Trauung in der Kirche,
Musik, kleine Zecherei (»man trank Verschiedenes«)
und Ball (S. 29, l. Abschn.). Ball findet übrigens an
verschiedenen Stellen meiner Sammlung statt (vgl. S.
10 Z. 11 oder Nr. XIII). – Im allgemeinen sind die erzählenden
Stücke meiner Sammlung in Milieu und
Kolorit ganz und gar e u r o p ä i s c h (und gelegentlich
g a n z m o d e r n e u r o p ä i s c h oder g a n z
m o d e r n m a l t e s i s c h ); und das betrifft nicht
bloss die Nummern, welche Vorfälle schildern, die
sich auf Malta ereignet haben sollen, oder Geschichten
erzählen, in denen christliche Priester eine, meist
nicht sehr beneidenswerte Rolle spielen, sondern es
betrifft auch die allgemein menschlichen Phantasie-
stücke der Märchen. Da kommen denn z.B. in Nr. II
(dem maltesischen »Dornröschen«) eine Kindtaufe
mit folgendem Frühstück, sowie Gesangsvortrag mit
Klavierbegleitung vor; in IV (»Die drei Wünsche«)
der »black pudding« der Malteser (die
ma3 –
3 –
îta-Blutwurst); in XII (»Der Vogel, der durch
seinen Gesang das Alter um ein Jahr verjüngt«)
Checks, Spielkarten, ein christlicher Friedhof mit Kapelle
und ein Dampfer; in XV (»Dschahan«) »gutes
Malteser Tuch«, ferner das vom Muhammedaner verabscheute
Schwein, das in Dschahans Hause in grossen
Ehren steht und zum Hochzeitsfeste mitgebracht
wird, sowie ein Revolver; in XVII (»Der Affe, der ein
Mädchen entführte«) ein Dampfer; in XX (»Margherita
«) ein ganz modern maltesischer Materialwarenladen.
Dazu liesse sich noch vieles hinzufügen. Namentlich
wird auch immer das k a t h o l i s c h e Milieu
in Schilderung und Sprachform betont; man beachte
in dieser Hinsicht (neben schon oben gesagtem)
speziell folgendes: aller Augenblicke wird die Messe
erwähnt (vgl. besonders Nr. XXV »Dschahan und die
Kichererbse«); die Bestimmung der Tageszeit geschieht
nach dem A v e m a r i a (S. 83 Z. 9); die
Namen G i u s e p p e und M a r i a 9 wiederholen sich
ausserordenlich oft, – mit ihnen werden gelegentlich
Personen angerufen, die der Anrufende zum ersten
Male zu sehen bekommt (so 89, 18; 91, 21 sowie Z.
31 und öfter)10; an einer Stelle (S. 83, Z. 21) vernehmen
wir von dem Aberglauben, dass der Mörder den
Leichnam des Ermordeten nicht der Erde übergeben
könne, wenn er nicht einen R o s e n k r a n z bei sich
habe11; ein andermal (S. 81, 1) wird uns vom
B a m b i n o , dem »Christkindchen«, oder genauer
von einem Gebrauche erzählt, das Bambino in Wachs
nachzubilden und in einer Kiste oder Schachtel im
Zimmer aufzustellen. Um so auffälliger ist es, dass
die gute Katholikin, welche mir Nr. XIV »Die sieben
Schläfer« erzählte, diese schöne christliche Legende
in einer Weise verballhornt hat, die J o h n K o c h ,
den wissenschaftlichen Bearbeiter dieses Stoffes12,
sicherlich ärgern würde. Dass es sich um c h r i s t l i -
c h e Jünglinge handelt, wird durch die Fassung des
Berichtes im Munde meiner Malteserin leider unmöglich,
denn ihr Bericht dehnt den Schlaf der Jünglinge
auf 7000 Jahre aus; übrigens geraten die Aufwachenden
bei dieser maltesischen Fassung der Legende in
gut christlich-europäisches Milieu: man holt, um die
Leute zu examinieren, erst einen Schutzmann
(pulu3 –îa), dann den Polizeiinspektor (ispettûr), und
zum Schlüsse – als die Geisteskräfte dieser immer
noch versagen – den klügsten Mann der Ortschaft,
den Kaplan (kappellân); als der