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erreichte und Gladys und Eoghan ihre Hände zum Himmel erhoben. Was dann geschah, war so schnell vorüber, dass ich erst im Nachhinein verstand, was ich gesehen hatte.

      Ein Blitz schoss direkt aus dem Himmel hinab auf die Erde und bildete eine Art silbrig schimmernde Kuppel über dem Steinkreis. Im nächsten Moment hörte ich die Trommeln und die Kuppel begann, im Takt der Schläge zu pulsieren. Weiße, gestaltlose Wellen breiteten sich kreisförmig durch den Wald aus, als wäre er die spiegelnde Oberfläche eines Sees, in den man einen Stein geworfen hatte.

      Es war atemberaubend. Mit geweiteten Augen schaute ich hinab auf die Kuppel über dem Cloch Ciorcal, während ich zu fassen versuchte, was Illusion und was Realität war.

      Der Schlag der Trommeln verlangsamte sich unmerklich, bis er schließlich ganz verstummte und die Kuppel wieder ruhig über den Steinen verharrte. Einige Augenblicke schien der gesamte Wald zu erstarren; keine Bewegung, kein Geräusch, nicht einmal ein Windhauch war spürbar.

      Dann, in der Zeit eines Blinzelns, erloschen alle Lichter und die Kuppel fiel in Sekundenbruchteilen in sich zusammen. Dunkelheit senkte sich über das Tal wie über eine erloschene Kerze. Nur schemenhaft umriss das Mondlicht die Zeder und den Steinkreis. Die Hexen waren verschwunden.

      Ich konnte nicht sagen, wie lange ich noch auf dem Felsvorsprung lag und versuchte, zu begreifen, was ich eben gesehen hatte. Eine Berührung am Arm brachte mich schließlich zurück in die Wirklichkeit.

      "Und, habe ich zu viel versprochen?" Conan setzte sich neben mir auf und ich drehte den Kopf, um ihn ansehen zu können.

      "Es war..." Mir fiel kein Wort ein, das dieses Gefühl auch nur ansatzweise erfasst hätte.

      "Ich weiß", sagte Conan. "Unbeschreiblich."

      Ich nickte. Erneut versank das Gespräch in Schweigen und ich fragte mich, ob die Hexen mittlerweile ins Dorf zurückgekehrt waren. Der Wald lag so unberührt vor uns, als hätte das Ritual nie stattgefunden; nur der vereinzelte Ruf einer Eule oder das Knacken von Ästen im Unterholz durchbrach die Stille.

      "Was hatte es mit dieser Kuppel auf sich?" Meine Stimme hallte über den Felsvorsprung. Ruckartig hob Conan den Kopf und an seiner desorientierten Miene erkannte ich, dass ich ihn aus seinen Gedanken gerissen hatte. Nur einen Moment später war er wieder er selbst.

      "Die Kuppel ist Teil des Schutzzaubers, der den Wald vor Schattenwesen und anderen Eindringlingen bewahrt. Solange die Kuppel existiert, ist es Unwissenden unmöglich, sich in die Nähe des Dorfes zu verirren."

      Ich runzelte die Stirn. Etwas an seinen letzten Worten ließ mich innehalten. Schattenwesen. Ich war mir sicher, dass ich das Wort irgendwo schon einmal gehört hatte, doch ich konnte mich beim besten Willen nicht daran erinnern, was ...

      "Es sind Wesen, die nicht im Licht dieser Welt geboren wurden", erklärte Conan, ohne mit der Wimper zu zucken. So viel zu seinem Talent für Telepathie. "Schattenwesen können in dieser Welt nur existieren, wenn sie durch Zauber und Beschwörung zum Leben erweckt wurden."

      Er unterbrach sich selbst, um meinen Blick aufzufangen. "Tut mir leid, aber ich konnte nicht anders, als deine Gedanken zu lesen."

      "Ich hoffe, das wird nicht zur Gewohnheit", gab ich zurück. Ich konnte nicht verhindern, dass sich meine Lippen zu einem Schmunzeln verzogen. "Zumindest nicht, solange ich mich nicht revanchieren kann."

      "Keine Sorge." Ein verschmitztes Funkeln lag in seinem Blick. "Wenn du weiterhin solche Fortschritte machst, können wir bald alle unsere Gespräche in Gedanken führen."

      Ich setzte zu einer Erwiderung an, hielt jedoch inne, bevor ich etwas sagen konnte. Ich wusste nicht genau, woran es lag, doch irgendetwas an seinen Worten brachte mich ins Stocken.

      "Du hast Angst", stellte Conan nüchtern fest.

      "Und du stöberst schon wieder in meinem Kopf herum", entgegnete ich und versuchte mich auf meinen Schutzschild zu fokussieren. Vergeblich.

      "Willst du darüber sprechen?" Conans Blick ruhte auf mir und der letzte Rest Konzentration verpuffte. Zwar sträubte sich alles in mir gegen die Richtung, die dieses Gespräch einschlug, doch wenn ich meine Gedanken sowieso nicht vor Conan verbergen konnte, war es sinnlos, zu schweigen.

      "Es ist nichts weiter." Ich seufzte und rief mir Sidonys Worte von heute Morgen ins Gedächtnis. Die Angst durch Hoffnung ersetzen – nichts anderes versuchte ich seit dem Moment, als ich in Ciaora gelandet war. Hoffnung, dass nichts so schlimm war, wie es schien. Hoffnung, dass ich irgendwann einen Rückweg finden würde. Hoffnung, dass ich die Erwartungen erfüllen und notfalls die Götter, das Schicksal oder was immer erforderlich war, auf meine Seite ziehen würde. Doch alles, was bisher aus meinen Hoffnungen geworden war, war ein Leben in ständiger Furcht und Fähigkeiten, von denen ich offenbar gerade einen Bruchteil kontrollieren konnte.

      "Nicht alles, was im ersten Moment wie ein Fluch scheint, ist es auch auf den zweiten Blick." Ich musste Conan nicht ansehen, um zu wissen, dass er gerade auf seine im Schoß gefalteten Hände starrte. Die Geste war etwas, das er tat, seit wir bei den Hexen angekommen waren. Jedes Mal, wenn die Sprache auf die Bestie oder den Fluch kam, senkte er seinen Blick auf dieselbe Weise und begann, seine Finger ineinander zu verflechten.

      "Als ich mich das erste Mal verwandelt habe, dachte ich, mein Leben würde enden." Seine Stimme war leise, doch ich verstand jedes Wort. "Ich war gerade auf dem Rückweg von dem Herrenhaus, in der ich tagsüber gearbeitet habe. Ich hatte schon den ganzen Tag lang ein flaues Gefühl im Magen und je weiter ich lief, desto schlimmer wurde es. Der Weg führte durch ein kleines Waldstück und irgendwann war mir so übel, dass ich mich ins Gebüsch schlug. Mir ist nicht aufgefallen, dass ich auf einer Lichtung stand, bis ich mich aufrichtete und das grelle Licht des Vollmonds direkt in mein Gesicht schien. Die Schmerzen begannen nur einen Augenblick später. Es fühlte sich an, als würden meine Knochen sich strecken und mein Inneres von innen heraus zerschlitzen – als ob meine Haut plötzlich zu eng für meinen Körper wäre und mein Rückgrat sich unter der Spannung bog. Ich wollte schreien, doch alles, was aus meiner Kehle kam, war ein dunkles Grollen und schließlich ein animalisches Heulen. Spätestens in diesem Moment wusste ich, dass etwas nicht stimmte."

      Seine Stimme verhallte und ich hob den Kopf. Zum ersten Mal fanden meine Augen die seinen und in seinem Blick erkannte ich all das Leid, das er seitdem erfahren hatte. Instinktiv streckte ich eine Hand aus, bis meine Fingerspitzen seinen Arm streiften. Bevor ich jedoch etwas sagen konnte, schüttelte er den Kopf.

      "Nein." Seine Mundwinkel zuckten. "Das ist nicht das, worauf ich eigentlich hinauswollte."

      Wieder unterbrach er sich und strich sich eine rotbraune Locke aus der Stirn. Es war offensichtlich, dass er nach den richtigen Worten suchte.

      "Ich bin ein Gestaltwandler", setzte er schließlich an. "Die längste Zeit, seit ich diesen Teil von mir kenne, war ich in der Gestalt eines Monsters gefangen. Und ich hatte Angst. Himmel, du kannst dir nicht vorstellen, wie viel Angst ich hatte. Die Kontrolle zu verlieren – zuerst über meinen Körper und später über meinen Willen – das war eines der schlimmsten Dinge, die ich je erfahren habe. Aber ich hatte keine Wahl."

      Ich zuckte zusammen, als er sich plötzlich nach vorn beugte und mein Kinn mit seinen Fingern anhob. "Ich weiß, dass du nicht gern darüber sprichst, wie es dir wirklich geht. Ich kann es dir nicht einmal vorwerfen – ich habe ja selbst lang genug geschwiegen. Aber ich will, dass du weißt, dass ich es verstehe. Ich weiß, wie es ist, die Kontrolle über sein Leben zu verlieren. Ich weiß, wie es ist, Angst zu haben. Und ich würde dich nie dafür verurteilen, wenn du dasselbe empfindest."

      Ich versank im tiefen Grün seiner Augen, während seine Worte wie Leuchtfeuer durch meine Seele flackerten. Was Conan durchgemacht hatte, vermochte ich mir nicht einmal ansatzweise auszumalen. Seine Ehrlichkeit traf mich völlig unvorbereitet und ließ mich mit einer Mischung aus Bewunderung, Ehrfurcht und dem Bedürfnis zurück, mein Innerstes vor ihm offenzulegen. Seit Susan hatte ich mit niemandem mehr offen darüber gesprochen, wie ich mich fühlte. Was nützte es schließlich, Schwäche einzugestehen, wenn alles, wofür man kämpfte, am seidenen Faden hing?

      "Woher

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