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vorübergehend war. Die Rebellen mochten glauben, sie hätten sie von ihrem Thron vertrieben und das Mädchen konnte gern weiterhin denken, es hätte eine ernsthafte Chance gegen sie. Doch Morrigan war noch lange nicht bereit, aufzugeben. Und sie hatte die Antworten auf die Fragen, die die Welt dieser bemitleidenswerten Menschen auf den Kopf stellen würden.

       Kapitel 1

      Der Feuerball verfehlte meinen Kopf nur um Haaresbreite. Reflexartig wich ich aus und riss meinerseits die Hände nach oben. Magie kribbelte in meinen Fingerspitzen und im Bruchteil eines Augenblickes entflammte die Luft in meiner Handfläche. Ich zögerte nicht.

      Mit atemberaubender Geschwindigkeit jagte ich die Kugeln quer über die Lichtung auf die junge Frau. Feuer erhellte die Stoffbahnen, die den Platz umgrenzten und umriss die Züge der Frau, die mir gegenüber im Ring stand.

      Ich hatte gut gezielt – die Feuerbälle hielten direkt auf ihren Brustkorb zu. Kurz, bevor das Feuer sie jedoch erreichte, hob sie die Hände abwehrend vor den Körper. Die Flammen erloschen noch im selben Moment.

      "Du lernst schnell." Auricas Mundwinkel hoben sich und offenbarten ein schmales Lächeln. "Wenn du so weitermachst, solltest du bald auf dem Level eines Novizen des dritten Jahres sein."

      Atemlos grinste ich. Das Lob der sonst so wortkargen Hexenmeisterin spornte mich stärker an als erwartet. "Nochmal von vorn?"

      Aurica nickte. "Versuch diesmal, dem Feuer mehr Geschwindigkeit zu verleihen. Idealerweise sollte der Ball den Gegner treffen, bevor dieser überhaupt reagieren kann."

      Ich ging zurück in meine Ausgangsposition, während Aurica einige Schritte nach hinten trat und die Hände erhob. Langsam begannen wir, uns zu umkreisen.

      "Fokussiere dich nicht auf Äußeres", wiederholte Aurica, während ihr Blick mich durchbohrte. "Konzentriere dich auf den Fluss der Magie. Wenn dein Gegner –"

      Sie kam nicht dazu, ihren Satz zu beenden, denn in diesem Moment startete ich den Angriff. Rasend strömte die Magie durch meinen Körper, bis er vibrierte und ich an der Grenze dessen war, was ich kontrollieren konnte. Abwechselnd riss ich meine Handflächen in die Luft und setzte Aurica so einem Kugelhagel aus, den sie zwar abwehren, jedoch nicht entgegnen konnte. Es kostete mich alle meine Kraft, den Rausch der Magie zu bändigen und schon nach kurzer Zeit war ich so atemlos, dass ich die Hände sinken ließ. Diesen Moment nutzte Aurica, um ihrerseits in die Offensive zu gehen. Ein Wall aus Flammen schoss vor mir in die Höhe und hatte mich zu schnell umzingelt, als dass ich hätte fliehen können. Hitze trieb mir Tränen in die Augen und verwandelte die Luft in ein flammendes Inferno. Mit letzter Kraft flüsterte ich meinen Befehl an den Wind.

      Zuerst war die Veränderung kaum spürbar. Einzig die Magie, die zwischen mir und dem Feuerwall flirrte, ließ mich wissen, dass der Wind meine Worte verstanden hatte. Schneller und schneller strömte die Magie durch mich hindurch, bis ich kaum noch stehen konnte. Eine kalte Böe erfasste mich und trieb mir die Gänsehaut über den Rücken. Nach und nach wurde die Luft dünner. Keuchend kauerte ich mich ins Gras und hielt den Atem an.

      Augenblicke später waren die Flammen endlich erloschen.

      "Hey." Empört trat Aurica zu mir. "Das war gegen die Regeln."

      "Tut mir leid." Ich rappelte mich auf.

      "Immerhin scheint Amrian dir ja ein paar nützliche Tricks beizubringen." Aurica schmunzelte. "Den Sauerstoff aus der Umgebungsluft zu separieren und so das Feuer zu ersticken? Nicht schlecht."

      Ich brachte ein schmales Lächeln zustande. "Danke."

      Es war selbst nach den zwei Wochen, die wir nun hier waren, ungewohnt, Komplimente von der sonst so unerbittlichen Hexenmeisterin zu erhalten. Aurica war als Hexe des Feuers eine der jüngsten Meisterinnen des Zirkels und es war nicht besonders schwer zu erraten, dass ihr Ehrgeiz und ihre Disziplin für diese Stellung verantwortlich waren. Während der ersten Unterrichtsstunden hatte ich das Gelände nicht selten mit Brandblasen und angesengten Haarspitzen verlassen, doch Aufgeben war nicht länger eine Option. Der Gedanke an Morrigan und alles, was auf dem Spiel stand, wog zu schwer.

      Während ich einen Schluck aus dem Trinkschlauch nahm, begutachtete Aurica die Brandlöcher in den feuchten Stoffbahnen, die den Trainingsplatz umspannten. Die Lichtung war weit genug vom Dorf entfernt, doch die Gefahr, einen der tief hängenden Äste der umstehenden Bäume zu erwischen und versehentlich einen Waldbrand auszulösen, war Bedrohung genug, um den knapp zwei Meter hohen Schutz aus Stoff zu errichten. Eine Bewegung in meinem Augenwinkel ließ mich den Kopf heben. Ein Vogel schwang sich aus den Wipfeln der Bäume und glitt sanft über die Lichtung, bevor er zwischen den Stämmen verschwand. Über uns färbte sich der Himmel bereits rosa. Ein Blick auf die Taschenuhr, die Raymond mir kurz nach meiner Ankunft in Ciaora geschenkt hatte, bestätigte meine Vermutung.

      "Ich muss los", rief ich Aurica über die Lichtung hinweg zu, während ich meinen Umhang überwarf und nach dem Trinkschlauch griff. Meine Mentorin Sidony erwartete mich bereits in einer Viertelstunde am anderen Ende des Dorfes und das Grummeln meines Magens erinnerte mich einmal mehr daran, dass ich in der Zwischenzeit noch irgendwo etwas Essbares auftreiben sollte. Ich war schon halb zwischen den Stoffbahnen verschwunden, als Aurica mir zunickte.

      "Wir sehen uns morgen."

      Ich hatte die Tür der Hütte gerade hinter mir zugezogen, als ich den lilafarbenen Nebel bemerkte. Kaum eine Handbreit entfernt von meinen Fußspitzen türmten sich die Schwaden übereinander. Abrupt hielt ich inne.

      "Wallace?"

      Auf meine Nachfrage tauchte zuerst der Kopf und nur Augenblicke später der Körper des Frosches aus dem Nebel.

      "Mylady." Er deutete eine Verbeugung an, bevor er den Kopf hob und ein zufriedenes Grinsen zur Schau stellte. "Wie ich sehe, habt Ihr meinen Rat beherzigt."

      Es dauerte einen Moment, bis ich begriff, wovon er sprach.

      "Haben die Hexen Euch gut aufgenommen?"

      "Sie haben uns schon erwartet." Ich erinnerte mich genau daran, wie wir zwei Wochen zuvor ausgehungert und am Ende unserer Kräfte ins Dorf gestolpert waren. Zwei der Hexen hatten uns bereits im Wald abgepasst und uns ohne auch nur eine Frage zu stellen zu Gladys, der Vorsteherin des Zirkels geführt. Nur zwei Tage später hatten Conan und ich mit dem Training begonnen. "Calideya – die Hexe der Wahrheit – hatte eine Vision, die unsere Ankunft und die Kräfte offenbarte."

      Wallace nickte, bevor er mich vom Kopf bis zu den Zehenspitzen musterte. "Wenn ich raten müsste, würde ich behaupten, Ihr steht nicht aus Spaß vor dieser Tür?"

      Seiner Geste folgend drehte ich mich um, nur um mir darüber klarzuwerden, warum ich die Hütte eigentlich verlassen hatte.

      "Verdammt", murmelte ich, während ich einen Blick auf meine Taschenuhr warf. Es war bereits viertel nach sechs – mein Unterricht bei Sidony startete in diesem Moment. Eilig stopfte ich die Uhr zurück in die kleine Tasche, die an meiner Hüfte befestigt war, bevor ich mich wieder an Wallace wandte.

      "Ich muss weiter zum Training", erklärte ich, während ich in einen Laufschritt verfiel. "Weshalb seid Ihr hier? Ist bei den Rebellen alles in Ordnung?"

      Es dauerte kaum zwei Sekunden, bis Wallace sich wie gewohnt auf meiner Schulter materialisierte.

      "Den Rebellen geht es bestens", entgegnete er dann. "Wusstet Ihr, dass sie vor ein paar Tagen das Schloss eingenommen haben? Wenn sie sich geschickt anstellen, könnte ihnen schon bald die Führung des Landes unterliegen."

      "Was ist mit Morrigan?" Nachdem wir fast zwei Wochen von der Außenwelt abgeschnitten gewesen waren, erfüllten Wallace' Worte mich nun mit nervöser Erwartung. Wir waren zwar sichergegangen, dass der Späher der Königin uns nicht bis zum Dorf gefolgt war, doch ich vertraute nicht darauf, dass das genügte. Um ehrlich zu sein, hatte ich jeden einzelnen Tag der letzten beiden Wochen damit gerechnet, dass Morrigans Männer das Dorf überrannten.

      "Die Königin ist untergetaucht", nahm Wallace mir nun die Bedenken. "Doch ich würde nicht damit rechnen,

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