Скачать книгу

du bereit bist, liegt allein bei dir", sagte sie und sah mich so durchdringend an, dass mir flau im Magen wurde. "Das Training – alles hier – ist deine Entscheidung und nur du kannst bestimmen, wie schnell und wie weit du diesen Weg gehen willst."

      Ihre Hände schlossen sich fester um meine und Wärme prickelte meine Arme empor. Sidonys Magie trug das wohlige Gefühl von Kaminfeuer und Kräutern in sich.

      "Es ist vernünftig, Angst zu empfinden. Nur, wenn wir wissen, was wir fürchten, können wir beginnen, uns dieser Furcht zu stellen. Und nur, wenn wir uns der Furcht stellen, werden wir wachsen."

      Zögernd erwiderte ich ihren Blick. "Was, wenn das alles nicht genug ist? Was, wenn alles, das ich in den letzten Monaten versucht habe, am Ende nicht ausreicht?"

      "Es wird ausreichen." Sidonys Lippen verzogen sich zu einem Lächeln. "Du darfst nur nicht aufhören, daran zu glauben. Hoffnung ..."

      "... ist die stärkste Waffe im Krieg gegen die Dunkelheit", beendete ich das Sprichwort des Zirkels. "Ich weiß."

      Ich atmete tief und straffte die Schultern. Auch, wenn es schwerfiel, an ein Happy End zu glauben, war Hoffnung das Einzige, das mir blieb. Hoffnung und der Wille, sie irgendwann in Realität zu verwandeln.

      Als hätte Sidony meine Gedanken gelesen, drückte sie mir in diesem Moment ein weiteres Buch in die Hand.

      "Am besten beginnst du mit der Triskele. Seite zweihundertfünfzig. Ich suche inzwischen die restlichen Zutaten zusammen."

      Einen Moment lang beobachtete ich Sidony dabei, wie sie zwischen den Regalen herumwirbelte, bevor ich mich dem Buch zuwandte, das in meinen Armen schwer wurde. Mit einer Handbewegung legte ich es auf dem Tisch ab und begann zu blättern. Die Seite, die Sidony genannt hatte, zeigte die Zeichnung dreier Spiralen, die sich im Uhrzeigersinn wanden und in der Mitte zu einer Art Dreieck zusammenwuchsen. Laut dem nebenstehenden Text handelte es sich um ein Symbol der Unendlichkeit. Es stand für die Einheit von Leben, Tod und Geburt beziehungsweise für Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft.

      "Bei Tränken und Elixieren garantiert die Verwendung dieses Symbols eine lange Haltbarkeit", hörte ich Sidony rezitieren. "In bestimmten Fällen wird außerdem die katalysierende Wirkung genutzt."

      Unwillkürlich schmunzelte ich. Sie würde es auch nie lassen können, sich einzumischen.

      Ich angelte das Säckchen mit Salz von der anderen Ecke des Tisches und machte mich daran, die Zeichnung der Triskele aus dem Buch so exakt wie nur möglich auf den dunklen Holzboden in Sidonys Hütte zu übertragen. Gerade, als ich die letzte Spirale gezogen hatte und zufrieden mein Werk betrachtete, trat Sidony zu mir.

      "Wunderbar", murmelte sie, den Arm voller Einmachgläser. "Dann können wir ja richtig loslegen."

      Ich verzog die Lippen, doch Sidony ging nicht weiter darauf ein. Stattdessen arrangierte sie die Gläser auf dem Tisch, bevor sie mir einen dunklen Samtbeutel zuwarf.

      "Was ist das?", fragte ich, während ich die grün schimmernden Kristalle in meine Hand schüttete.

      Sidony, die mir gerade den Rücken zuwandte und einen weiteren Wälzer heranzog, ließ sich von meiner Frage nicht im Geringsten stören.

      "Fluorit", antwortete sie, ohne sich umzudrehen. "Der Stein der Konzentration. Er wird das Ritual katalysieren und dafür sorgen, dass das Elixier so wirkungsvoll wie möglich ist."

      Vorsichtig berührte ich die Steine auf meiner Handfläche. Ober- und Unterseite waren glattgeschliffen, doch an den Rändern konnte man noch immer das Gestein erkennen, in dem das Mineral ursprünglich gewachsen war.

      Nach und nach verteilte ich die Steine auf die Enden der Triskelspiralen. Ich kam gar nicht erst dazu, mich wieder aufzurichten, denn in diesem Moment trat Sidony zu mir.

       "Hier." Sie reichte mir eine breite Kerze. "Die gehört in die Mitte der Triskele. Sie muss eine Stunde lang brennen, um den Raum vollends zu reinigen."

      "Was ist das für ein Geruch?" Forschend zog ich die Brauen zusammen und hob die Kerze näher an mein Gesicht. "Rosmarin?"

      "Weihrauch", entgegnete Sidony, ohne den Blick von den Konserven zu wenden. Ich nickte und ging zwischen den Linien aus Salz auf die Knie. Vorsichtig platzierte ich die Kerze im Herzen der Triskele und fokussierte den Docht. Es erforderte kaum ein Fingerschnippen, um das Feuer erwachen zu lassen.

      In diesem Moment gab Sidony ein Seufzen von sich. Als ich mich umdrehte, schüttelte sie den Kopf.

      "Was ist?"

      "Die Tollkirschen." Sidony streckte mir ein Konservenglas entgegen. Es war leer, bis auf eine einsame dunkle Kugel, die über den Boden rollte. "Ich habe völlig vergessen, neue einzulegen."

      "Das Rezept basiert auf dem Extrakt." Ich durchquerte den Raum und blätterte durch die Seiten des Rezeptbuches, ohne zu finden, wonach ich suchte. "Wie es aussieht, gibt es keine Alternativen."

      "Belladonnaextrakt ist eines der wirksamsten Gifte. Es zu ersetzen würde unberechenbare Nebenwirkungen mit sich bringen."

      "Dann werde ich besser losgehen und Nachschub besorgen." Ich erinnerte mich an die Lichtung, die Sidony mir während der ersten Tage hier gezeigt hatte. Kurzentschlossen griff ich nach dem groben Leinensack, in dem sich Messer und eine Schnur zum Bündeln befanden. "Bin im Handumdrehen wieder da."

      Meine Schritte raschelten im Laub, als ich mich von Sidonys Hütte entfernte. Fast unmerklich war der Sommer dem Herbst gewichen. Der Wald, der das kleine Dorf umgrenzte, war von ersten Gold- und Rottönen gesprenkelt und ein frischer Wind wirbelte die herabgefallenen Blätter in bunten Reigen über den moosigen Boden. Tief atmete ich die frische Luft, bevor ich dem schmalen Pfad ins Unterholz folgte. Mit einer Hand nestelte ich an meinem Mieder und zog den Brief hervor. Nachdem ich mich ein weiteres Mal versichert hatte, dass mir niemand gefolgt war, setzte ich den Sack ab und hob den Brief ins Licht. Das Papier war dünn, doch ein schweres Wachssiegel prangte auf der Vorderseite. Das Wappen war kaum erkennbar und ich hoffte, dass ich mit meiner Vermutung richtig lag.

      Mit klopfendem Herzen brach ich das Siegel und entfaltete die Nachricht. Worte quollen in krakeliger Handschrift über das Papier und ich überflog die Absätze, bis ich das Ende erreicht hatte. Erst, als ich den Namen erblickte, atmete ich auf. Das flaue Gefühl in meiner Magengegend verschwand so schnell wie es gekommen war und ließ nichts als das freudige Kribbeln der Aufregung zurück. Der Brief stammte von Susan.

      Evangeline,

      In der Hoffnung, der Frosch hat nicht gelogen und meine Worte erreichen dich tatsächlich, schreibe ich dir diese Zeilen.

      Dein Brief hat uns alle in Hochstimmung versetzt. Wir sind so froh, dass es dir und Conan gut geht und ihr in Sicherheit seid. Auch wir haben gute Nachrichten. Morrigans Männer haben sich aus Lasket und Gantyre zurückgezogen und wir haben nun die Oberhand über den Westen des Landes. Überall entstehen Bürgerwehren und die Bauern lehnen sich gegen die Fürsten auf. Raymond hat mich zu seiner Beraterin berufen und gemeinsam mit Ruby arbeiten wir an einer Strategie, mit der wir den Osten und Süden des Landes ebenfalls für uns gewinnen können. Die aufflammenden Proteste sind unsere Chance.

      Nach tagelangem Kampf haben wir gestern außerdem einen Sieg auf dem Schloss feiern können. Morrigan ist mit den letzten verbliebenen Soldaten geflohen und untergetaucht. Unsere Spione gehen bereits den Spuren nach, doch vorerst scheint es, als würde sie uns das Feld überlassen. Wir sollten dennoch vorsichtig bleiben.

      Noch heute Nacht haben wir die Gefangenen, die zu Unrecht eingesperrt waren, freigelassen. Wir haben Richard in der Zelle gefunden, die du beschrieben hast. Allerdings wird es wohl noch einige Tage dauern, seinen Vater ausfindig zu machen. Bis dahin kommt er in Rowans Zimmer im Hauptquartier unter. Die beiden scheinen sich überraschend gut zu verstehen.

      Ich hoffe, dir und Conan geht es gut. Auch, wenn mir das Leben am Schloss nicht im Geringsten fehlt, vermisse ich unsere Gespräche. Aber mit etwas Glück hat das Versteckspiel bald ein Ende und Ciaora wird frei sein. Ich verdanke dir und den Rebellen mehr, als ich in Worte zu fassen vermag.

      Raymond

Скачать книгу