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und riss ihn wieder aus dem Fieber.

       Was geschieht mit mir? Ich habe Wunden, die für drei Tode reichen – und bald habe ich auch kein Blut mehr, nur noch Feuer und flüssige Asche, die durch meine Adern strömen …

      Er öffnete zitternd wieder seine Augen, als Schritte über die Wiese auf ihn zukamen. Zeit schien vergangen zu sein.

       Mutter? Vater? Kommt ihr mich endlich holen?

      Das Mädchen tauchte in seinem Blickfeld auf, blieb stehen und kniete sich nach einem kurzen Zögern neben ihn ins Gras. Sie hob eine Schale vor sein Gesicht.

      »Ich habe Wasser für dich.«

      Er wollte ihr antworten, doch seine Stimme versagte, noch bevor er seinen Mund zu öffnen versuchte. Sie stellte die Schale neben ihm ins Gras, doch als er sich nicht rührte, verstand sie.

      Zögerlich fasste sie in seinen Nacken und hob seinen Kopf etwas an. Sie legte den Rand der Schale an seine Lippen, doch das Wasser lief aus seinem Mundwinkel und sein Kinn herab, ohne dass er auch nur einen Schluck trinken konnte.

      Sie befeuchtete ihre Finger mit dem Wasser und strich ihm über die Lippen, um das eingetrocknete Blut zu lösen, das sie verklebt hatte.

      »Ich wusste nicht, dass man zu schwach sein kann, um seine Lippen zu öffnen«, murmelte sie und setzte wieder die Schale an. Sie flößte ihm das Wasser in kleinen, fürsorglichen Schlucken ein, es rann mehr seine Kehle hinunter, als dass er trank.

      Das kühle Nass linderte seine Schmerzen und ließ die Flammen kleiner werden, die in ihm brannten. Er fühlte, wie mit jedem Schluck ein Hauch seiner Kraft zurückkehrte.

      Als sie die Schale von seinen Lippen nahm, war sein Durst nicht im Mindesten gestillt. Am liebsten hätte er ihr Handgelenk gepackt und sie zu sich gezogen, doch sein Arm zuckte nur kurz, als er versuchte ihn anzuheben.

      »Willst du noch mehr?«

      Anstatt zu antworten, deutete er ein Nicken an und sie setzte die Schale wieder an. Sie gab ihm Wasser, bis das Gefäß leer war, und stellte es dann neben sich ins Gras.

      »Du hättest dich vorhin nicht so überanstrengen sollen. Kannst du sprechen oder willst du erst noch mehr trinken?«

      Er schüttelte leicht den Kopf. »Danke …«, krächzte er und musste sich bemühen, nicht vor seiner eigenen Stimme zu erzittern. »… dass du zurück … gekommen bist. Ich hatte nicht … damit gerechnet …«

      Er musste alle paar Worte eine lange Pause einlegen, in der sein röchelnder Atem ging. »Ich kann mich nicht … erinnern, wann ich das letzte Mal … etwas getrunken habe …«

      Sie beugte sich etwas näher und zog die Brauen hoch. In der Dunkelheit reflektierten sich erneut seltsam fremde Lichtpunkte in ihren Augen. Ihm wurde nur langsam klar, dass es seine eigenen sein mussten, die so blau schimmerten.

      Sie strich ihm ein paar Haare aus dem Gesicht und ließ dann seinen Kopf zurück auf die Wurzel sinken. »Warum seid ihr hierhergekommen?«

      Er sah ihr nicht länger in die Augen, sondern richtete seinen Blick auf die dunkle See. »Unsere Heimat … wurde von Feinden zerstört. Die Flucht aufs offene Meer war unsere einzige Chance. Unser Schiff wurde von heftigen Stürmen gepackt und wir verloren die Orientierung. Meine Leute … wollen ein neues Leben aufbauen und den Schrecken hinter sich lassen. Zumindest dachte ich das, bis ich erschossen wurde.«

      Sie presste die Lippen zusammen. Er hatte den Eindruck, dass sie wirklich versuchte, sich seine Situation vorzustellen. Dass sie dabei so unzufrieden wirkte, bekräftigte ihn, weiter zu erzählen.

      »Mein Vater wollte euch kein Land … streitig machen, wir hatten euer Dorf nicht gesehen und die Seherin segnete den Ort … Aldo ist kein kriegerischer Anführer, aber jetzt, da ich von Pfeilen … durchbohrt wurde und mein Bruder meinen Platz einnimmt …«

      »Du hast einen Bruder? Warum ist er nicht hier, um dir zu helfen oder um zu trauern, wenn sie dich doch für tot halten?«

      »So eine Art Mensch … ist mein Bruder nicht. Er ist jünger als ich, aufbrausend und … meinte immer, ich sei zu besonnen, um ein guter Rätor zu werden … aber jetzt, wo sein älterer Bruder getötet und zum Dämon geworden ist … bin ich schon gespannt, wie er auf meinen Tod reagieren wird …«, murmelte er und bemerkte ihren fragenden Blick. »Er erkundet die Wälder zusammen mit einigen Jägern … müsste bald zurück sein …«

      »Könnte er sich gegen mein Volk richten? Würde er einen Kampf gegen uns wagen?«

      »Er könnte versuchen, so etwas anzuzetteln … wenn er glaubt, dass ihr die Pfeile … auf mich geschossen habt.«

      Das Mädchen schwieg und Wut kochte in ihm hoch.

      »War es einer von deinen Leuten, Mädchen? Wart ihr es, die diese Pfeile abgefeuert und mich zu dem hier gemacht haben?« Er nickte abfällig zu seinem Körper hinunter.

      Sie schüttelte wild den Kopf. »Nein! Die Sukrani lieben den Frieden! Außerdem habe ich mir einen der Pfeile angesehen«, sagte sie und deutete ins Gras. »Sie sind nicht so gemacht wie unsere.«

      Mit einem Stirnrunzeln streckte er fordernd die Hand danach. »Zeig mir einen.«

      Als sie sich nicht regte, versuchte er beschwichtigend zu lächeln. »Bitte.«

      Doch beim Anblick des Pfeiles fiel jegliches Lächeln von ihm ab und Eiseskälte rann seinen Rücken hinab. Er starrte auf die blutverkrustete Metallspitze.

      »Es war jemand von meinen Leuten«, murmelte er kaum hörbar. Eine Hitze flammte in seiner Brust auf und vermischte sich mit tiefer Verzweiflung.

      Seine Finger umkrallten den verdammten Pfeil und er knirschte mit den Zähnen, wollte diese schreckliche Erkenntnis nicht wahrhaben. Doch es blieb ihm keine Wahl.

      »Ihr solltet euch wappnen. Ich kann nicht für die anderen übersetzen oder vermitteln … Sie würden nur denken, ich lüge.«

      Das Mädchen nickte nachdenklich. »Danke, dass du so ehrlich zu mir warst.« Sie stand auf und lief in den Wald, von wo sie wenig später mit der Schale voll kaltem, klarem Quellwasser zurückkehrte, das sie ihm einflößte.

      Er atmete erleichtert auf, als er den letzten Schluck getrunken hatte und sich erfrischter und wacher fühlte.

      »Wird es nicht bemerkt werden, dass du die Nacht über fort bist?«, fragte er diesmal ohne Pausen der Erschöpfung und sie schüttelte den Kopf.

      »Ich bin die Tochter eines Jägers, ich kann kommen und gehen, wann ich will, da ich oft in der Dämmerung jage und in der Dunkelheit zu den guten Plätzen wandere.«

      »Hast du keine Angst alleine nachts im Wald?«

      Sie lachte, bemerkte dann aber, dass seine Frage ernst gemeint gewesen war. »Wieso sollte ich davor Angst haben? Die Wölfe und Bären meiden uns, solange wir ihren Höhlen nicht zu nah kommen. Wir Jäger sind schon von klein auf Tag und Nacht draußen, das macht für uns keinen Unterschied.«

      »Was ist mit den anderen deines Volkes? Könnten sie auch herkommen?«

      Sie zögerte. »Nein, ich denke nicht. Ich bin beauftragt worden, dich zu beobachten. Ich habe die schärfsten Augen und soll berichten. Die anderen dürfen nicht herkommen.«

      »Dann bist du auch nur hier, um darauf zu warten, dass ich sterbe? Ich dachte, du wolltest, dass ich geheilt werde?«

      »Unsere Schamanen haben die Geister befragt, nachdem ich ihnen von deinem Unfall berichtet hatte. Sie sagten, dass du von einem Fluch befallen wurdest und nun kein Mensch mehr bist.«

      »Hast du ihnen auch gesagt, dass du mich zum Baum gebracht hast?«

      Nachdenklich betrachtete sie seine Gestalt. »Ich … ein anderer Jäger hat entdeckt, dass du hier bist, bevor ich die Chance dazu hatte. Sie sind sich jetzt sicher, dass du ein Dämon bist, der von den Fremden erschaffen wurde, um unseren Hara–Baum zu besetzen.«

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