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N i e d e r b a y e r n . – A. M ü l l e r u. B. G r u e b e r

       der bayerische Wald S. 109.

       In einer hohlen Eiche des Bannwaldes von Engelsberg

       hatte ein frommer Hirt das Bildniß der Himmelskönigin

       aufgestellt. Täglich in den Abendstunden fand

       sich dort die Burgfrau ein, um der Gottesmutter ihr

       Leid zu klagen. Anna, so hieß sie, lebte in unglücklicher

       Ehe, denn ihr Gatte war rauhen Gemüthes, über

       dem blutigen Waffenspiele und der wilden Lust der

       Jagd und des Trinkgelages die Pflege der häuslichen

       Freuden vernachlässigend. Wenn die arme Dulderin

       betete, kniete immer der Hirt ihr zur Seite; so wollte

       sie es, damit er sein Flehen mit dem ihrigen vereinige.

       Doch der Weltsinn faßt die Reinheit solcher Seelenverwandschaft

       nicht; er kann Mann und Weib sich

       nicht nähern sehen, ohne an Unerlaubtes zu denken.

       Ein Knappe im Schlosse, dem guten Hirten gram, flüsterte

       dem Eheherrn schlimmen Verdacht in's Herz.

       Dieser, dem falschen Buben nur zu willig Gehör leihend,

       eilt in den Wald hinaus, sieht das Paar an der

       Gnadenstätte knieen, reißt in blinder Zorneswuth das

       Schwert aus der Scheide und trennt mit gewaltigem

       Hiebe der Gattin die Hand vom Arme. Ohne einen

       Laut der Klage auszustoßen, hob Anna voll Vertrauen

       auf die mächtige Fürbitte Mariens, den blutigen

       Stumpf gegen Himmel, und im Augenblicke war die

       Hand wieder an ihrer Stelle. Nur ein rother Streifen,

       rings um das Handgelenk sich ziehend, blieb als

       Denkzeichen der gräßlichen Verwundung zurück. Der

       Ritter, dem das Walten der höhern Mächte so augenfällig

       sich kund gethan, ging in sich, änderte sein wildes

       Leben und war fortan ein frommer, christlicher

       Hausvater. Die Kirche, welche an der Wunderstätte

       errichtet wurde, nannte das Volk in seiner Sprachweise

       »Maria Handlab.«

       87. Der Schatz auf dem Hohenbogen.

       Sage vom B u r g s t a l l , Gipfel des

       H o h e n b o g e n s im B a y e r w a l d e . A.

       M ü l l e r s u. B. G r u e b e r s bayer. Wald. S. 265.

       Von diesem Schatze gehen wunderliche Sagen. Er

       liegt hundert Lachter unter dem Burgstall in einem

       kupfernen Kessel. Alle hundert Jahre einmal wird ein

       Mensch geboren, der ihn unter gewissen Bedingnissen

       zu heben vermag. Ein solcher war ein Hirte von

       Schwarzenberg, welcher eines Tages seine Heerde auf

       der sogenannten kleinen Ebene am Flusse des Burgstallkegels

       weidete. Als er Abends eintreiben wollte,

       vermißte er ein junges Rind, und nach einigem Suchen

       hörte er es hoch oben im Walde Laut geben. Er

       stieg eilig den Burgstall hinan und war schon nahe

       dem Gipfel, als plötzlich eine wunderschöne, aber

       seltsam und fremdartig gekleidete Jungfrau vor ihm

       stand und ihn mit einschmeichelnder Stimme anredete:

       »Du kommst zu guter Stunde hieher. Wisse, daß es

       in meiner Hand liegt, dich zum reichsten Manne im

       Lande zu machen. Ich kann dir offenbaren, auf welche

       Weise du den unter unsern Füßen vergrabenen Schatz

       heben magst.« Der Hirt, welchen beim ersten Anblikke

       der Erscheinung ein heimliches Grauen beschlichen

       hatte, faßte Muth und entgegnete, daß er bereit

       sei, die Unterweisung zu vernehmen. Freudig fuhr die

       Jungfrau fort: »Finde dich heute über acht Tage zu

       Beginn der Mitternachtsstunde am Fuße des Burgstalls

       ein, begleitet von zwei Priestern, welche die Beschwörungen

       zu sprechen wissen. Ihr werdet den

       Schatz erhoben auf dem Gipfel des Berges liegen

       sehen. Schreitet nur muthig darauf los und laßt euch

       nicht irren, was euch immer in den Weg trete, sähe es

       auch noch so schrecklich aus; denn es ist eitel Blendwerk

       des Bösen, das euch weder an Leib noch Seele

       schaden kann. Bist du an die Schatztruhe herangekommen,

       so greife mit beiden Händen keck in den

       Goldhaufen ein, und er ist dein für immer. Aber wehe,

       so du durch die Künste Satans dich zur feigen Flucht

       bewegen ließest, wehe dann mir! Abermal müßt' ich

       hundert Jahre umherirren und könnte nicht zur ewigen

       Ruhe eingehen. Siehe dieses zarte Reis!« hier wies sie

       auf ein dem Boden entsprossendes Ahornbäumchen,

       »es muß zum starken Baume heranwachsen, aus seinem

       Stamme müssen Bretter geschnitten und diese zu

       einer Wiege gefügt werden; der Knabe, welcher in

       dieser Wiege ruhen wird, muß Mann geworden sein,

       dann erst darf ich wieder auf Erlösung hoffen. Gedenke

       der unaussprechlichen Leiden einer armen Seele

       und erbarme dich meiner, wie du willst, daß Gott der

       Herr sich deiner erbarme!«

       In den letzten Worten lag der Ausdruck eines so

       herzzerreißenden Jammers, daß der Hirt davon auf's

       Tiefste ergriffen ward und mehr durch den Wunsch,

       so große Pein zu lindern, als durch die Begierde nach

       den verheißenen Reichthümern zu dem Wagnisse der

       Schatzhebung sich getrieben fühlte. Eben wollte er

       der Jungfrau seinen Entschluß kund geben, als sich

       die Gestalt derselben in leichten Nebelflor auflöste,

       den der Abendwind über den Gipfel des Burgstalls

       hinwegtrieb. Aus dem Gebüsche aber, an welchem die

       Erscheinung gestanden, kam das verlorene Rind hervor

       und folgte willig seinem Herrn auf den Weideplatz

       hinab.

       Des andern Tages hatte der Hirt nichts eiliger zu

       thun, als nach Neukirchen zum Kloster der Franziskaner

       zu gehen, und dem Pater Guardian den wunderbaren

       Vorfall zu berichten. Dieser hielt mit den Vätern

       Rath, was in der Sache zu thun sei, und man kam zu

       dem Entscheide, daß es sich hier um die Erlösung

       einer armen Seele und einen Triumph über den Satan

      

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