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Sagenbuch der Bayrischen Lande. Alexander Schöppner
Читать онлайн.Название Sagenbuch der Bayrischen Lande
Год выпуска 0
isbn 9783742772664
Автор произведения Alexander Schöppner
Жанр Языкознание
Издательство Bookwire
angekommene Wallfahrtszug schließt sich zu
einem Kreise und es empfängt hier ein Kötztinger
Bürgerssohn, der nach dem Urtheile und der Auswahl
des Magistrates und des Pfarrers vor Anderen als tugendreich
gehalten wird, aus der Hand des Geistlichen
ein aus Flieder, rothem Band und Silberdraht geflochtenes
Ehrenkränzchen um den linken Arm. Es
gehen verschiedene Ueberlieferungen über die Entstehung
dieses Rittes; unter andern die folgende. Noch
bedeckte der Urwald die Gegend und ringsher
herrschte finsteres Heidenthum. Unten im Thale von
Chammerau aber bestand schon eine Christenkirche,
zu welcher Steinbühl weit oben in der Bergwaldung
als Tochterkirche gehörte. Es geschah nun, daß der
Chammerauer Pfarrherr noch nächtlicher Weile in seinen
Filialbezirk gerufen wurde, es verlangte ein Sterbender
nach der letzten Wegzehrung. Weil aber die
Heiden nicht nur, sondern auch grimmige Raubthiere
den Pfad unsicher machten, entschlossen sich unterwegs
die jungen Männer von Kötzting freiwillig, dem
Geistlichen zu Pferd ein Schutzgeleite zu geben. Mit
anbrechendem Tage brach eine Heidenschaar hervor
und des Priesters Leben sammt dem Allerheiligsten
schien in Gefahr. Da wurden die Gottlosen von den
Kötztinger Jünglingen hart angefallen und in hitzigem
Kampfe theils erschlagen, theils zur Flucht in die
Wälder getrieben. Von solch mannhafter That soll das
erwähnte Ehrenkränzlein ein Erinnerungszeichen sein.
92. Sagen von Chameregg.
C h a m e r e g g unweit C h a m e r a u im
Bayerwalde. – A. M ü l l e r u. B. G r u e b e r a.a.O. S.
297.
Wenn man über den Grund innerhalb des Wallgrabens
hinschreitet, dröhnt es dumpf unter den Füßen,
als ob man über ein Gewölbe schritte. Daher die Sage
von dem verschütteten Burgkeller, in welchem auf
steinernen Gantern uralter Rheinwein liege, ohne
Reife und Dauben, von seinem eigenen Weinsteine
gefaßt. Auch Schätze läßt das Landvolk hier vergraben
sein und gibt an, zur Herbstzeit, an stillen Tagen,
wo kein Lüftchen sich spüren lasse, drehe oft das auf
dem Boden liegende Laub von freien Stücken sich im
Wirbel herum, und es funkle dann vor den Augen der
Zuschauer wie Gold. Eine Frau, die eines Tages im
Burggraben Streu sammelte, hatte den Muth, mit dem
Rechen in das tanzende Laub zu schlagen, und es
sprangen drei Goldstücke hinweg, die jene aufraffte,
während der übrige Haufen sich schnell wieder in
dürre Blätter verwandelte.
Wie eine andere Sage erzählt, waren Chameregg,
die Burg auf dem benachbarten Lamberge, Chamerau,
Buchberg und Püdenstorf einst gefürchtete Raubnester.
Fünf Brüder hausten in diesen Schlössern und
fügten, vom Sattel und Stegreife lebend, den vorübergehenden
Handelsleuten viel Unheil zu. Wenn sie
Beute oder Feindesgefahr witterten, verständigten sie
sich von ihren Wartthürmen herab gegenseitig durch
Sprachrohre. Endlich erhoben sich, des ewigen Unfriedens
müde, die wehrhaften Männer der Grafschaft
und trieben die Unholde von dannen.
93. Der Drachenstich zu Furth im Walde.
In der O b e r p f a l z . – A. M ü l l e r ' s Beiträge zur
Gesch. u. Topogr. von F u r t h in Verh. des hist. Ver.
f.O.u.R. 1846, X. Bd. S. 162. Vaterl. Mag. von Dr. Fr.
M a y e r . München 1840. S. 353.
Dieses Fest, welches alljährlich am Sonntage nach
dem Frohnleichnamsfeste begangen wird, verdankt
seinen Ursprung wahrscheinlich einer jener alten
Lindwurmssagen, die ehedem fast in allen Gebirgsländern
unter dem Volke verbreitet waren. Das
Schauspiel, welches zum Nutzen der Wirthe, Bäcker
und Metzger noch immer sehr viele Zuseher aus der
Umgegend herbeizieht, geht in den ersten Nachmittagsstunden
des genannten Tages auf dem großen
Stadtplatze vor sich. Die auftretenden Personen sind:
Ein Rittersmann zu Pferd, in Harnisch und Blechhaube,
umgeben von einer Schaar Trabanten, dann eine
Königstochter aus unbekanntem Lande, welche zum
Zeichen ihres hohen Standes ein Goldkrönlein auf
dem Haupte trägt und mit so viel Silbergeschnür und
Schaumünzen behängt ist, als man nur immer auftreiben
kann. Eine Ehrendame, die »Nachtreterin« genannt,
begleitet die Prinzessin. Letztere nimmt auf
einer erhabenen Bühne Platz, und ihr gegenüber stellt
sich in einiger Entfernung der Drache auf, ein gräuli-
ches Ungethüm, dicken, ungestalten Leibes, freilich
nur ein Holzgerippe, mit bemalter Leinwand überzogen
und von zwei im Innern verborgenen Männern
bewegt. Ein dichtes Gewühl sammelt sich jedesmal
um diese abenteuerliche Erscheinung, und dann macht
sich der Drache bisweilen den Jux, mit weit aufgesperrtem
Rachen unter die Menge zu rennen, die eilig
zurückweicht und dabei in den possirlichsten Lagen
über einander purzelt. Der Hauptspaß aber ist, wenn
es dem Ungethüm gelingt, eine Böhmin aus dem Haufen
herauszupacken und ihr mit den Zähnen die breite
Tellerhaube vom Kopfe zu reißen.
Inzwischen sprengt der Ritter zur Prinzessin heran,
und es entspinnt sich zwischen beiden nachfolgender
Dialog in altväterischen Knittelversen:
R i t t e r .
Grüß Gott, grüß Gott, ihr königliche Tochter mein!
Was macht ihr auf diesem harten Stein?
Mich dünkt's, ihr seid ganz trauervoll,
Die Sach', die Sach' steht nicht gar wohl.
P r i n z e s s i n .
Ach, edler treuer Rittersmann!