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Tarzan dem Löwen seine Wünsche mitteilte, grenzte ans Unheimliche. Der Gehorsam, den eine Vereinigung von Ernst und Liebkosung dem Löwenjungen abgewonnen hatte, war bei dem erwachsenen Tier zur festeingewurzelten Gewohnheit geworden. Auf Tarzans Befehl durchmaß er weite Strecken und holte eine Antilope oder ein Zebra herbei, ohne das Fleisch anzurühren. Selbst lebende Tiere hatte er schon apportiert, ohne sie zu verletzen.

      Um diese Zeit kamen dem Affenmenschen wieder einmal sich mehrende Gerüchte über eine im Westen und Süden seiner Länder ihr Unwesen treibende Räuberbande zu Ohren. Es waren schlimme Geschichten, wie Nachrichten über Elfenbeinraub, Sklavenjagden und Misshandlungen, so böse, wie sie seit des Scheich Omar Ben Kadir Tagen die Ruhe in der wilden Dschungel des Affenmenschen nicht mehr gestört hatten. Dazu gesellten sich bald noch andere Erzählungen von einer Art, dass Tarzan nachdenklich und erstaunt die Brauen zusammenzog. Dann hörte er einen vollen Monat lang nichts mehr von den Gerüchten aus dem Westen.

      Die früheren Geschehnisse hatten das Vermögen der Greystokes bis auf einen ziemlich kargen Rest aufgezehrt.

      »Jane«, sagte er eines Abends zu seinem Weib, es sieht so aus, als ob eine neue Expedition nach Opar im Kalender stände.

      »Ich schaudere schon bei dem Gedanken daran«, sagte sie. »Ich will nicht, dass du fortgehst. Schon zweimal bist du aus jener Stadt des Grauens knapp mit dem Leben davongekommen.«

      »Es ist völlig ungefährlich, Jane«, beruhigte er sie. »Das letzte Mal schlich mir Werper heimlich nach und mit ihm auf der einen und dem Erdbeben auf der anderen Seite war es ums Haar um mich geschehen. Aber diesmal ist nicht die mindeste Aussicht, dass mir wieder eine solche Verkettung von Umständen in die Quere kommt.«

      »Du willst doch nicht allein gehen, John?«, fragte sie. »Du nimmst doch Korak mit?

      »Nein«, sagte er. »Ich nehme ihn nicht mit. »Er muss hier bei dir bleiben, denn meine weiten Züge sind wirklich für dich gefährlicher als für mich. Ich werde mir fünfzig Waziri als Träger mitnehmen, um das Gold zu befördern, mit diesen kann ich genug davon mitbringen, um für eine lange Zeit damit auszukommen.«

      »Und Dschadbalja«, fragte sie, »wirst du ihn wenigstens mitnehmen?«

      »Nein, er bleibt besser zurück. Korak kann sich um ihn kümmern und ihn gelegentlich mit auf die Jagd nehmen. Ich will ohne Behinderung und rasch reisen, und es würde für ihn eine zu große Anstrengung werden – Löwen wandern nicht gern viel im heißen Sonnenbrand, und da wir meist bei Tage unterwegs sind, würde Dschadbalja vermutlich nicht lange mithalten können.«

      Tarzan zog also wieder einmal aus und machte sich auf den weiten Weg, der nach Opar führte. Hinter ihm marschierten fünfzig riesige Waziri, die Blüte des kampfgewohnten Stammes, der Tarzan zum Häuptling erwählt hatte. Jane und Korak standen auf der Veranda des Bungalows und winkten ihr Lebewohl, während von der Rückseite das dröhnende Brüllen Dschadbaljas, des goldenen Löwen, an des Affenmenschen Ohren drang. Weithin beim Ausmarsch begleitete ihn noch Numas Stimme, hin über die gewellte Ebene, bis die Entfernung sie endlich ins Nichts verschlang.

      Da sich Tarzans Reisegeschwindigkeit nach dem langsamsten seiner Schwarzen richten musste, machte sein Marsch keine so unverhältnismäßig raschen Fortschritte. Für ohne Gepäck dahinziehende Leute, wie die seinen waren, lag Opar etwa fünfundzwanzig Tagemärsche entfernt, aber der Rückweg würde bedeutend langsamer vor sich gehen, da sie dann mit den Goldbarren beschwert waren. Aus diesem Grunde hatte der Affenmensch zwei volle Monate für seine Unternehmung angesetzt. Seine Safari, die sich nur aus erprobten Kriegern zusammensetzte, gestattete ihm in der Tat äußerst schnelles Marschieren. Sie brauchten sich nicht mit Mundvorräten zu beschweren, denn sie waren alle geübte Jäger und kamen durch ein Land, in dem es von Wild wimmelte – sie hatten also keine Veranlassung, sich mit dem lästigen Gepäck weißer Jagdliebhaber zu beschweren. Eine Boma aus Dornengestrüpp und ein paar Laubzweige lieferten ihnen nachts das Quartier, während Speer und Pfeil, verbunden mit den gewaltigen Fähigkeiten ihres großen, weißen Häuptlings, dafür sorgten, dass sie nicht mit leerem Magen zu wandern brauchten. Tarzan hoffte, mit den mitgenommenen, besonders ausgewählten Leuten den Weg bis Opar in einundzwanzig Tagen zurückzulegen.

      In der dritten Woche seines Marsches stieß Tarzan, der seinen Schwarzen weit voraus nach Wild suchte, eines Nachmittags auf den Körper Baras, des Hirsches, dem ein federgefiederter Pfeil in der Flanke saß. Augenscheinlich war Bara in einiger Entfernung von dem Platze, an den er sich zum Sterben geschleppt hatte, verwundet worden, denn der Sitz des Geschosses zeigte an, dass die von ihm verursachte Wunde nicht sofortigen Tod zur Folge gehabt haben konnte. Was aber die Aufmerksamkeit des Affenmenschen besonders erregte, ehe er noch nahe genug gekommen war, um eine eingehende Prüfung anzustellen, war die Bauart des Pfeiles. Im gleichen Augenblick, in dem er ihn aus dem Körper des Hirsches zog, erkannte er seine Herkunft und fühlte die gleiche Verwunderung, wie sie in uns aufsteigen würde, wenn wir in der Stadt dem Kopfschmuck eines Swazi-Eingeborenen begegnen würden. Der Pfeil war genau so einer, wie man ihn in irgendeinem Geschäft für Sportartikel in jeder Großstadt der Welt kaufen kann – ein Pfeil, wie er für die Übung im Bogenschießen im Park oder im Vorstadtgarten gekauft wird. Nichts konnte weniger in das Herz des wildesten Afrika hineinpassen als dies törichte Kinderspielzeug, und doch, dass es sein Werk getan hatte, bewies Baras toter Körper, obgleich der Affenmensch sah, dass der Schaft nicht von der geübten Hand eines Wilden abgeschossen sein konnte.

      Tarzans Neugierde und gleichzeitig damit sein angeborener Dschungel-Argwohn waren erwacht. Tarzan ging alsbald Baras Fährte in umgekehrter Richtung nach, um womöglich die Herkunft des Jägers festzustellen, der Bara getötet hatte. Die stark schweißende Spur ließ sich leicht verfolgen und der Affenmensch wunderte sich, dass der Jäger seine Beute nicht verfolgt und eingeholt hatte. Tarzan stellte fest, dass Bara eine weite Strecke flüchtig gegangen war, so dass die Sonne schon ziemlich tief im Westen stand, ehe er auf die ersten Anzeichen des Wildschützen stieß. Aber die Art der Fußspuren bereitete ihm ebenso große Überraschung wie der Pfeil. Er prüfte sie sorgfältig, beugte sich tief herunter und untersuchte ihre Witterung mit seinem feinfühligen Geruchssinn. So unwahrscheinlich, ja, so unmöglich es schien, die nackten Fußspuren waren die eines Weißen – eines hochgewachsenen Mannes, wahrscheinlich ebenso groß wie Tarzan selbst. Was für ein nackter Weißer konnte das hier in Tarzans Dschungel sein, der Tarzans Wild mit dem zierlichen Pfeil eines Bogenschießclubs schoss? Unglaublich war es, dass es einen solchen geben sollte, und doch erinnerte sich der Affenmensch wieder der dunklen Gerüchte, die er vor Wochen gehört hatte.

      Entschlossen, das Rätsel zu lösen, folgte er der Spur des Fremden, einer regellosen Fährte, die sich offenbar ziellos durch der Dschungel dahinwand, wohl, wie Tarzan vermutete, durch die Unkenntnis eines unerfahrenen Jägers hervorgerufen.

      Aber die Nacht brach herein, ehe er die Lösung des Rätsels gefunden hatte, und pechschwarze Finsternis herrschte bereits, als der Affenmensch seine Schritte wieder nach dem Lager lenkte.

      Tarzan wusste, dass seine Waziri auf Fleisch warteten, und wollte ihre Erwartung keinesfalls täuschen, obgleich er eben jetzt entdeckt hatte, dass er nicht der einzige Fleischjäger war, der in dieser Nacht im Revier jagte.

      So holte sich denn Tarzan seine Beute, eine fette Antilope, einem enttäuschten rasenden Löwen fast unter der Nase weg. Dem anspringenden Numa mitten im Wege stehend, warf sich der Affenmensch die Beute auf die Schulter, schwang sich leicht auf die unteren Zweige der Bäume und verschwand geräuschlos in der Nacht, nachdem er die tobende Katze noch lachend verhöhnt hatte.

      Ohne Mühe fand er das Lager seiner hungrigen Leute, die nicht einen Augenblick daran gezweifelt hatten, dass er mit Fleisch für sie zurückkommen werde.

      Früh am nächsten Morgen machte sich Tarzan wieder nach Opar auf den Weg, aber während er seine Waziris anwies, weiterhin den kürzesten Weg zu nehmen, verließ er sie, um allein seine Nachforschungen nach dem geheimnisvollen Wesen anstellen zu können, von dessen Anwesenheit ihm der Pfeil und die Fußspuren Kunde gegeben hatten. Sobald er wieder an den Fleck gekommen war, an dem ihn die Dunkelheit gezwungen hatte, seine Untersuchung einzustellen, nahm er die Fährte des Fremden wieder auf. Bald stieß er abermals auf einen Beweis für die Anwesenheit dieser

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