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      „Nein, gar nicht gut. Sehr schädlich. Es kann Kopfschmerzen auslösen, wenn man den Strahlen zu lange ausgesetzt wird.“

      „Und jede Nacht über einen längeren Zeitraum? Wir müssen davon ausgehen, dass das Gerät schon länger dort montiert war.“

      Wrobel schaute zerknirscht. „Es gibt Berichte darüber, dass die Amerikaner und auch die Russen während des kalten Krieges unliebsame Zeitgenossen damit traktiert haben. Über Kopfschmerzen und Übelkeit sind die Menschen bis hin zu Depressionen manipuliert worden.“

      „Manipuliert klingt harmlos“, sagte Hell düster.

      „Der Mensch ist des Menschen Wolf.“

      „Kann man bei der Obduktion feststellen, ob jemand über einen längeren Zeitraum“, versuchte er, eine Frage zu formulieren, „…ich meine, geht das?“ Hell kratzte sich nervös hinter dem Ohr. Er spürte, wie sein Herz heftiger zu schlagen begann.

      „Nein, das kann ich dir nicht beantworten. Das musst du die Kollegen von der Abteilung ‚Totenstarre‘ fragen“, versuchte Wrobel zu scherzen.

      Eine Weile blieb es still.

      „Ist denn bekannt, dass auch die Stasi solche Methoden angewandt hat?“ Hell war bei der Frage unwohl, aber sie stand im Raum.

      „Wenn es die Russen getan haben, haben es die Freunde vom Ministerium für Staatssicherheit sicher auch im Angebot gehabt“, antwortete er bitter.

      „Danke Tim, das müssen wir definitiv wissen. Und wir müssen auch wissen, was für einen Schaden dieses kleine Mistding dort anrichten konnte.“

      „Ich werde Heike Böhm damit beschäftigen, das herauszufinden. Sie hat übrigens sofort erkannt, um was es sich handelte.“

      Tim Wrobel hob eine fragende Augenbraue.

      „In Ordnung. Danke noch einmal.“

      „Schon gut. Immerhin geht es um einen Kollegen.“ Fast erwartete Hell, dass er Tränen in den Augen Wrobels sah. Doch der hatte sich in der Gewalt. Sein Gesicht glich allerdings einer Maske.

      *

      Es war noch reichlich Zeit für eine Observierung. Wendt saß in Oliver Hells Mercedes und der stand in der Straße, in der Harald Jochheim wohnte. Nicht direkt vor seinem Haus, sondern am Anfang einer Nebenstraße, von wo aus er das Haus des Mannes gut einsehen konnte. Nach einer Stunde hielt er es nicht mehr aus. Die Hitze war beinahe unerträglich geworden. Jedenfalls so schnell gewöhnte sich kaum ein menschlicher Organismus an solche Temperaturen. Fünfunddreißig Grad. Keine Temperatur für eine Observierung von einem Auto aus. Das Gefühl ungenauer Erwartung und sein naiver Optimismus nagten zudem an seinem Gehirn. Er nahm einen Schluck aus der Cola, die auf dem Beifahrersitz lag. Die Brause war mittlerweile auch schon pisswarm. Er schraubte die Flasche angewidert wieder zu.

      Für eine leere Sekunde betrachtete er die Flasche, wie sie vom Sitz rollte und in den Fußraum plumpste. Als er wieder hochschaute, sah er Jochheim, der gerade sein Haus verließ. Wendt erschrak.

      Der Mann schaute sich auf der letzten Treppenstufe um, wie es Agenten in den Filmen der fünfziger Jahre taten. Nur trug er keinen Trenchcoat, an dem er einen Kragen hochschlagen konnte. Er trug nur ein helles T-Shirt über einer Bermuda-Shorts. Sein Blick fiel auf den Mercedes. Und darüber hinweg. Wendt rührte sich nicht. Er durfte nicht auffallen. Dabei war ein PKW mit einem Bonner Kennzeichen hier in der Straße sicher ebenso auffällig wie ein Einsatzfahrzeug der Polizei.

      Jochheim ging in die entgegengesetzte Richtung davon. Aber nur so weit, bis er sein Auto erreichte. Er hantierte mit seinem Schlüssel, warf sich in den grünen Audi A4 und startete den Motor. Er fuhr langsam an seinem Haus vorbei und steuerte den Audi auf Wendt zu. Als er auf der Höhe angekommen war, fuhr die Seitenscheibe herunter. Zu sehen war sein faltiges, sonnengegerbtes Gesicht. Grau melierte Schläfen, kurz geschnittenes Haar. Graue Augen voller Hinterlist.

      Jochheim grinste Wendt frech an. Wendt blieb ruhig sitzen, die Hände auf dem Lenkrad.

      „Sie sind verbrannt, mein Lieber. Von welcher Behörde auch immer Sie sind, die sollten jemanden schicken, der nicht schon nach zehn Minuten auffällt wie ein rosa Elefant. Einen schönen Tag noch der Herr.“ Die Seitenscheibe fuhr hoch und Jochheim gab Gas. Wendt sah die grinsende Visage des Mannes verschwinden.

      „Wieso?“, dachte er und schlug ärgerlich mit den Händen gegen das Lenkrad. Die Antwort gab er sich direkt selber. Diese Menschen waren es gewohnt, Argwohn gegen jeden und alles zu hegen. Das hielt sie am Leben. Sie hatten eine Art siebten Sinn entwickelt. Fluchtmechanismen. Schutzinstinkt.

      Dennoch. Wendt hatte die Ratte aufgescheucht. Das war nicht der Plan und Hell würde sicher nicht amüsiert sein. Aber es ließ sich nun nicht mehr ändern. Der Mann hatte mitbekommen, dass man an ihm dran war. Es war jetzt halb vier Uhr an diesem Mittwochnachmittag. Keine Wolke war am blauen Himmel zu sehen. Wendt war müde und er wünschte sich nichts sehnlicher, als eine Dusche. Für die Fahrt zurück nach Bonn musste er vorerst mit der Klimaanlage Vorlieb nehmen. Seine Gedanken beschäftigten sich nur mit dem kalten Wasser auf seiner erhitzten Haut.

      Daher war er unaufmerksam.

      *

      „Das sieht ja alles ganz respektabel aus“, stellte Karl-Heinz Überthür fest und schob die Unterlippe hoch.

      „Dann wartet also noch niemand auf eine Erklärung?“, fragte Hell mit einem neutralen Tonfall. Er schaute sich ein wenig verwundert im Kreis der Kollegen um.

      „Nein, wir stehen am Anfang der Ermittlungen. Wir haben zwei Fälle. Wir haben erkannt, dass Staatsanwalt Gauernack mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit einem Verbrechen zum Opfer gefallen ist. Wir haben sogar bereits einen Verdacht, der in Richtung Stasi deutet. Das ist für einen Tag schon eine Menge“, sagte Überthür und kratzte sich im Nacken.

      „Das hilft uns sehr, wenn Sie das so sehen, Herr Überthür. Ich muss gestehen, dass ich schon eine Art Druck verspüre“, sagte Hell.

      Überthür schaute zu ihm herüber. „Druck ist gut, Druck hilft. Er macht uns schlagkräftig. Weil er unser Denken beflügelt. Wir müssen schnell herausfinden, woher dieser vertrackte Emitter stammt.“

      Hell glaubte seinen Ohren nicht zu trauen. Auch Rosin und Klauk schauten ein wenig verwirrt. War das wirklich der überhebliche, anmaßende Mensch, den Hell ihnen beschrieben hatte?

      „Wie ist eigentlich der Stand in Sachen ‚Oskar‘?“, wollte Überthür dann plötzlich wissen. Er schob den Daumen gegen seine Lippen.

      „Es gibt eine Menge Hinweise aus der Bevölkerung auf das Phantombild, aber keiner hat uns bisher irgendwie weiter gebracht“, sagte Rosin.

      „Okay“, antwortete Überthür nur. Sie hatte gehofft, dass er wenigstens eine weitere kleine Reaktion zeigen würde. Doch die blieb aus.

      „Wir sehen uns morgen früh wieder. Haben wir Glück, gibt es bis dahin neue Hinweise. Ich werde dann ebenfalls nach Hause fahren und die letzten Tropfen eines exzellenten portugiesischen Whiskeys genießen.“

      Er verschwand, ohne sich groß zu verabschieden.

      „Der war ja richtig nett“, sagte Klauk.

      „Ja“, antwortete Hell, „Ihr solltet aber nie jemanden unterschätzen, der sich noch präsentieren muss. Ja, er war nett. Zu nett sogar. Er wird uns noch sein wahres Gesicht zeigen. Wartet es nur ab.“ Es war ein äußerst harmloser Vorschlag. Doch Hell fügte die Brisanz mit seinen Worten hinzu.

      *

       Donnerstag.

      Lars Königer war einer der renommiertesten Wirtschaftsprüfer in Bonn. Er selber hätte sich als den Besten bezeichnet. Königer war von sich überzeugt. Sein Erfolg gab ihm Recht.

      Das Haus schlief noch. Die Kaffeemaschine brummelte ihr morgendliches Lied. An jedem Donnerstag während der Sommermonate traf sich seine Frühstücksgruppe der Bonner Unternehmer auf dem Golfplatz.

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