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den Aktivitäten seiner Frau.

      Also nahm sie ihren Mut zusammen und fuhr zur nächsten Polizeidienststelle um dort eine Aussage zu machen.

      Hell erhielt einen Anruf von der Dienststelle um halb zehn. Eine Stunde später saß Lydia Laws vor ihm im Verhörraum. Wenn man nur ihr Äußeres betrachtete, war sie eine angenehme Erscheinung. Braunes, kurz geschnittenes Haar, dunkle Augen, die etwas spöttisch dreinblickten. Ein feines, ebenmäßiges Gesicht. Doch bereits die ersten Worte, die die junge Frau von sich gab, zeigten Hell, dass er eine Frau vor sich hatte, deren innere Schönheit weit hinter ihrer Äußeren zurückblieb.

      „Sollte mein Mann etwas von dem Abend im Maritim-Hotel erfahren, hetze ich Ihnen meinen Anwalt auf den Hals. Was soll ich hier? Ich habe den Polizisten doch schon gesagt, wo ich war und das Jan Schnackenberg mein Begleiter war. Was also soll ich jetzt auch noch bei Ihnen?“

      Hell musste sich zurückhalten. Schon oft hatte er solche Frauen verhört. Er achtete darauf, dass seine Stimme klar und bestimmt klang. Innerlich war er aufgewühlt. Er ließ sich nicht gerne drohen.

      „Frau Laws, eines lassen sie uns direkt feststellen: wir lassen uns nicht drohen. Wir ermitteln in einem Mordfall. Sie sind die Letzte, die Jan Schnackenberg lebend gesehen hat. Also können wir uns auf einer Ebene treffen, die dem Tod des Mannes angemessen ist?“

      Ihre Lider flackerten. Die Lippen spannten sich. Hell vermutete, dass sie sich nun zurücknahm. Er hatte ihr klargemacht, dass sie keinen dummen Bullen vor sich hatte.

      „Was wollen Sie von mir wissen?“, stieß sie hervor.

      „Wann und wo haben Sie sich von ihrem Begleiter verabschiedet, Frau Laws?“

      Sie schaute über Hells linke Schulter. „Ich denke so gegen halb zwölf haben wir die Bar verlassen. Jeder fuhr dann nach Hause.“

      „Für sich?“

      „Ja, alleine“, antwortete sie.

      Hell stützte sich mit den Ellenbogen auf dem Tisch ab. „Das müssen sie mir jetzt erklären. Eine Bar mit sanfter Musik, Kaviarhäppchen und Rotwein. Ein Mann und eine Frau. Sie sind eingeladen worden. Das hatte doch einen romantischen Hintergrund. Und dann fährt jeder getrennt nach Hause? Was ist schief gegangen?“

      „Nichts“, log sie.

      „Entschuldigen Sie, wenn ich Ihnen das nicht glaube.“

      „Ihr Problem.“

      „Sie sind abgeblitzt, Frau Laws. Habe ich Recht?“

      „Ich bin verheiratet. Was erlauben Sie sich?“, rief sie entrüstet.

      „Warum darf dann ihr Mann nichts von ihrem Rendezvous wissen? Frau Laws, ich bin kein Scheidungsanwalt. Ich ermittele in einem Mordfall. Wenn Sie uns nicht alles sagen, was Sie wissen, dann machen Sie sich strafbar.“

      Sie funkelte ihn an. „Ich sage Ihnen alles. Wir waren dort, weil ich ihn eingeladen habe.“

      So hatte Hell es sich gedacht.

      „Haben Sie sich gestritten, weil der Abend nicht nach ihren Wünschen verlief?“

      „Wünsche? Meine Wünsche? Woher wollen Sie meine Wünsche kennen? Aber nein, wir haben uns nicht gestritten.“

      Sie beugte sich ein wenig zu ihm vor. Wenn sie könnte, würde sie mir etwas ins Gesicht werfen, dachte Hell. Sie konnte aber nicht. Daher setzte er noch einen drauf.

      „Besitzt ihr Mann eine Waffe, Frau Laws?“

      „Nein, mein Mann hat noch nie eine Waffe besessen. Er ist Lehrer für Mathematik.“ Ihre nach unten gezogenen Mundwinkel verrieten Hell, dass sie keine Achtung mehr für ihren Mann und auch nicht für seinen Beruf hatte.

      „Auch Lehrer besitzen Emotionen“, sagte er.

      „Sie kennen meinen Mann nicht, Herr Kommissar.“ Sie nickte und er sah, dass ihre Offenheit ihr große Probleme bereitete.

      „Es wird uns aber nichts anderes übrig bleiben, als ihn kennenzulernen. Falls er etwas von seinem Konkurrenten wusste, dann kann es sein, dass er etwas gegen ihn tun wollte.“

      „Nein. Tun Sie das bitte nicht. Herr Kommissar!“

      „Es tut mir leid, aber manchmal fällt man unangenehm auf. So wird es Ihnen jetzt auch gehen, Frau Laws.“

      Jetzt sah sie besorgt aus, nahezu bekümmert. Doch Hell konnte ihr nicht helfen. Ein eifersüchtiger Ehemann war immer ein sehr guter Verdächtiger, selbst wenn er bloß Mathelehrer war. Sogar die Friedfertigsten konnten einen Mörder bezahlen.

      *

      Am frühen Nachmittag stellte das Bonner Radio auf ihrer Homepage das Phantombild ein. Der Mann, der dort gezeigt wurde, trug eine dunkle Sonnenbrille, hatte eine schmale Nase, ein markantes Kinn und eine dunkle Locke hing unter der Kapuze hervor. Es war kein allzu vielsagendes Phantombild. Mit einer Sonnenbrille und einer ins Gesicht gezogenen Kapuze auf sah beinahe jeder Zehnte so aus.

      Hell und sein Team hegten auch keine große Hoffnung, dass mit dem Bild ein schneller Fahndungserfolg verbunden war.

      Es war eigentlich ganz einfach zu verstehen, was der Ermittler der KTU in den Händen hielt. Es hatte nur eine Sekunde gedauert zu verstehen, dass es etwas von Bedeutung war. Aber er brauchte eine Weile, bis er es in Worte fassen konnte, um seinem Kollegen nicht nur die Akten vor die Nase zu halten.

      „Hier schau mal, wenn ich das richtig verstehe, hat er Nachforschungen zum Tod seines Bruders angestellt“, sagte Julian Kirsch und hob seine Augenbrauen. Sofort sah er die Unruhe im Blick der Kollegin.

      „Zeig mal bitte“, antwortete Heike Böhm. Kirsch erwiderte nichts, er gab seiner Kollegin einen Teil der Akten, die er in dem verschlossenen Aktenschrank im Hause von Gauernack gefunden hatte. Sie waren ganz akribisch vorgegangen, hatten sich von links nach rechts durch die Aktenschränke vorgearbeitet. Hätten sie es andersherum getan, wären ihnen diese Akten schon eher in die Hände gefallen.

      Heike Böhm hatte in den letzten Fällen ein Gespür für solche Einsätze entwickelt. Sie arbeitete langsam, gründlich und mit einem Auge für Dinge, die wichtig sein konnten. Dieses Gefühl hatte sie nun wieder. Sie saß nur da, biss sich auf die Unterlippe und wendete ein Blatt nach dem Nächsten. Kein Zweifel, ihr Kollege hatte Recht. Aber es war nicht nur eine private Fahndung, die Staatsanwalt Gauernack betrieben hatte, es war weit mehr. Sie hielt Dokumente in der Hand, die eine Beteiligung der Stasi am Verschwinden des Bruders nahelegte.

      Jeder andere hätte seine Ungeduld nicht zügeln können, doch sie behielt die Ruhe. Dennoch sah Kirsch den angespannten Ausdruck in ihren Augen.

      „Wir müssen das dringend der Staatsanwaltschaft mitteilen. Und ich denke, wir haben jetzt noch mehr Arbeit, bis wir diese Aktenordner hier alle durchforstet haben“, sagte sie, nachdem sie den Aktendeckel geschlossen hatte. Sie machte eine Kopfbewegung hin zu dem Aktenschrank.

      „Du kannst bloß keine Untätigkeit ertragen“, antwortete Kirsch und strich sich mit dem Zeigefinger unter der Nase entlang.

      „Es hat wenig mit Untätigkeit zu tun. Es hat eher etwas mit Sorgsamkeit zu tun, Julian.“

      Kirsch murmelte eine Antwort, die Heike Böhm aber nicht verstand. „Da ist noch etwas anderes“, sagte sie und fühlte sich bei dem Gedanken nicht wohl.

      „Was denn?“

      „Stell dir mal vor, Gauernack wurde getötet, weil er eine Verbindung zwischen dem Verschwinden seines Bruders und der Stasi fand. Das würde bedeuten, dass es heute noch diese Kader gibt, die ihre Spuren mit allen Mitteln vertuschen wollen.“

      Kirsch machte ebenfalls ein sorgenvolles Gesicht. „Denkst Du wirklich, diese Stasi-Gangster sind nach der Wende plötzlich alle geläutert worden? Und haben ihre Verbrechen bereut? Und versuchen nicht, sie zu vertuschen?“

      „Wohl kaum. Aber gibt es nicht eine Behörde, die sich damit beschäftigt? Und sucht nicht das Bundeskriminalamt nach den

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