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gegen Versicherungsvertreter“, sagte Rosin lachend.

      „Ja, klar. Dinge, die die Welt nicht braucht.“

      „Du verunglimpfst gerade einen ehrenwerten Berufsstand“, sagte sie.

      „Was weiß ich. Ist ja auch peng. Fakt ist, ich kann nicht mal eben hier weg, wenn Hell meint, er braucht mich.“

      „Wäre aber doch cool. Wir könnten dann mal schauen, wie es im Team mit uns beiden so klappt.“ Rosin fuhr ihr bestes Argument an den Start. Christina Meinhold hatte sie als Ersatz vorgeschlagen, als sie selbst die Chance erhielt, ihre Ausbildung zum analytischen Fallermittler zu beginnen. Jeder kannte das englische Wort Profiler, analytischer Fallermittler kam auch Meinhold schwer über die Lippen. Obwohl es später einmal ihre Zusatzbezeichnung sein würde.

      Hell hatte Rosin auf Probe eingesetzt. Und jetzt war sie aus dem Team nicht mehr wegzudenken. Aber zusammen hatten die beiden Frauen bislang noch nie gearbeitet.

      „Klar wäre das cool. Aber ich denke, wir müssen damit noch eine Weile warten. Bin doch noch ein Psycho-Dummi. Wann fängst Du mit Renovieren an? Dann komme ich mal auf einen Pinsel Farbe vorbei“, antwortete Meinhold und lenkte das Gespräch auf ein anderes Thema.

      Der Gedanke gefiel ihr, wenn sie ehrlich war. Dennoch hatte sie auch ein wenig Angst; sie war mitten in der Ausbildung. Würde sie jetzt einen Fehler machen, wäre das nicht gut für ihre Karriere. Außerdem würden ihre Dozenten ihr keine Freigabe erteilen. Das schien ihr sicher zu sein.

      „In Ordnung. Pinsel Farbe, bist ja eine tolle Hilfe. Dann sage ich Hell, dass er nicht mit dir rechnen kann. Ok?“

      „Hmh“, sagte Meinhold, „Er kann mich ja anrufen, wenn er eine spezielle Frage hat. In Ordnung?“

      „Ciao Chrissi, ich werde es ihm ausrichten“, sagte Rosin und schickte ihren Worten eine gehörige Portion Enttäuschung mit.

      „Sei nicht sauer, Lea.“

      „Bin ich nicht. Ich verstehe dich ja.“

      Sie drückte die Freundin weg. Schüttelte den Kopf, grinste und verschwand in ihrem Büro. Klauk und Wendt waren am Telefonieren, Klauk notierte sich etwas mit konzentriertem Gesichtsausdruck.

      Wendt formte die Frage „Macht Chris mit?“ mit seinen Lippen.

      Rosin schüttelte den Kopf. Er verzog sein Gesicht als Antwort. Hell schien sein Telefonat beendet zu haben. Rosin schob die Türe einen Spalt auf.

      „Störe ich?

      „Komm rein, Lea.“

      Er lehnte sich zurück in seinen Bürostuhl und faltete die Hände hinter dem Kopf.

      „Ich habe mit Christina telefoniert. Sie traut sich nicht. Und sie lässt ausrichten, dass Sie sich an sie wenden können, wenn sie eine spezifische Frage hätten. Tut mir Leid, mehr habe ich nicht erreicht. Und sie?“

      Hell rieb sich vor Freude die Hände. Er strahlte. „Mein Anruf war ein voller Erfolg. Brigitta Hansen unterstützt unsere Ermittlungen in vollem Umfang.“

      Er lehnte sich etwas nach vorne. Seine Stimme hatte etwas Konspiratives, als er sagte, „Ich glaube, die beiden hatten etwas miteinander. Es fiel mir schon gestern Abend auf, aber heute fand ich es erneut bestätigt. Die Frau Oberstaatsanwältin war eben wieder sehr nah am Wasser gebaut. Ist aber auch egal. Hauptsache wir kriegen unsere Genehmigungen. Alles Weitere ergibt sich.“

      Er hob bedeutungsvoll die Augenbrauen hoch.

      „Hansen und Gauernack? Sie ist doch eine attraktive Frau …“, fing Rosin an, brach aber dann ihren Gedanken ab, „Nein, Entschuldigung, ich wollte nichts Schlechtes gegen Staatsanwalt Gauernack sagen. Das war nur so ein Frauending …“ Rosin bemerkte, wie sie die Farbe ihre Kleides annahm. Rot.

      Hell schob die Lippen zu einer spitzen Schnute zusammen. „Schon gut. Gauernack war sicher Vieles, aber kein Frauenschwarm.“

      Rosin atmete zweimal kräftig aus und legte ihre Hand auf die Brust. „Chef, ich wollte wirklich nicht pietätlos sein!“

      „Schon gut, sage ich doch. Die KTU fängt morgen früh mit der Durchsuchung der Wohnung von Gauernack an. Die haben wieder zu viel Stress, die Armen. Das Gauernack-Büro, die Wohnung von Gericke, die drei Auto-Wracks, die Telefonzelle, die Auswertung der Videos, puuh. Und das sind nur unsere Baustellen. Wenn Wrobel das erfährt, kriegt er einen Nervenkasper. Daher ruft ihn auch die Frau Oberstaatsanwältin persönlich an. Um den Anruf beneide ich sie nicht.“

      „Und was machen wir mit ‚Oskar‘?“

      Hell wollte antworten, doch Rosins Handyklingeln unterbrach ihn. Sie murmelte „Sorry“ und holte ihr Handy hervor. Es war eine SMS.

      „Von Chrissi“, murmelte sie und las die Kurznachricht.

      „Ich mache es doch. Hier haben viele Magen&Darm. Das nehme ich mir dann auch für einige Tage. Morgen früh neun Uhr neues Präsi? Vorher Arzt. LG Chris“

      Unterzeichnet hatte sie noch mit einem lachenden Smiley.

      Freudig las Rosin Hell die Nachricht vor. Ihre Gedanken überschlugen sich.

      „Wie toll, oder?“, formulierte sie den, der ihr am Wichtigsten war.

      Hell pustete Luft aus. „Keine üble Nachricht. Das wird uns sehr helfen. Auch wenn sie noch nicht fertig ist mit der Ausbildung.“

      Rosin tippte schnell die Antwort auf ihrem Smartphone. „Wir freuen uns alle!“

      *

      Wie schon am Abend zuvor war es schwül und stickig. Oliver Hell nahm eine ausgiebige Dusche, nachdem er vom Präsidium nachhause gekommen war. Er setzte sich auf seine Gartenliege, verwarf den Gedanken, jetzt noch etwas im Garten zu arbeiten. Das Einzige, was er noch tun würde, wäre seine Pflanzen zu wässern. Die würden noch einen Tag ohne Wasser nicht überleben. Hell war müde, die letzte Nacht war schlaflos. Trotzdem holte er aus dem kleinen Verschlag die Schlauchtrommel hervor, schloss den Schlauch an dem Wasserhahn an und fing an, seine Beete zu wässern. Bei der Gartenarbeit konnte er herrlich entspannen.

      Was hatte er noch als Mail zuletzt erhalten? Den vorläufigen Obduktionsbericht von Jan Schnackenberg. Er hörte die Stimme des Stellvertreters von Dr. Beisiegel, als er sich Teile der Mail ins Gedächtnis rief.

      „Der Mann verstarb noch in dem Moment, als die Kugel die Stirn durchschlug. Der hat seinen letzten Atemzug nicht mehr gehört“, blieb ihm besonders im Gedächtnis haften. Oder „Der Mageninhalt des Mannes würde allen denjenigen, die behaupten, dass Banker stets auf großem Fuß leben, Futter für ihre Behauptungen liefern. Sein letztes Essen bestand aus Beluga-Kaviar und Weißbrot. Dazu ein Chateaubriand, dessen Jahrgang ich mir nicht leisten kann.“

      Es galt also herauszufinden, wo sich Jan Schnackenberg vor seinem Tod aufgehalten hatte. Es sollte nicht allzu schwer sein, einen Caterer zu finden, der Beluga-Kaviar auf einem Event serviert hatte. Mit Ermittlungsglück ließ sich so ein Profil seines letzten Abends erstellen. Bisher war der Mann ein unbeschriebenes Blatt. Der Morgen würde sicher einige Ergebnisse aus der KTU liefern.

      Nachdem er den Schlauch wieder auf der Rolle verstaut hatte, überlegte Hell, ob er sich ein Glas Wein gönnen oder doch lieber völlig profan ein Bier trinken solle. Er entschied sich für das Bier, öffnete es auf der Terrasse mit einem lauten Plopp und trank einen großen Schluck. Den Wein würde er lieber am Wochenende mit Franziska Leck trinken, wenn sie ihn besuchte. Franziska. Wenn er sie nicht gehabt hätte, wäre er nicht wieder so schnell auf die Beine gekommen. Manch anderer Kollege war nach so einem Erlebnis in Depressionen versunken oder war an die Flasche geraten.

      „Danke Franziska, dass es mit mir nicht so weit gekommen ist“, murmelte er vor sich hin.

      „Was ist mit Franziska?“, fragte in dem Moment eine Stimme hinter ihm. Hell drehte sich herum. Die Stimme kannte er. Vor ihm stand Christina Meinhold.

      Hell lächelte. „Ich glaube ich sollte ein paar

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