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fällt. In solchen Fällen habe ich es vorgezogen, zu Umschreibungen zu greifen – womit ich freilich das Fremdwort nicht vom Dienst suspendieren möchte. Denn bei anderen Gelegenheiten, wie etwa dem Wilhelm Meister-Pastiche in WG (S. 344 f.), wo goethisches Lokalkolorit aufgelegt werden muss, kann ein vollmundiges Fremdwort (»Kreszenz«) äußerst gelegen kommen. Generell habe ich mich, wie auch Proust selbst (vgl. das Motto zu diesem Kapitel), darum bemüht, lexikalisch den Ball flach zu halten – die Steilvorlagen liefert ja schon die Syntax – und damit die Sprache jener Salonatmosphäre fernzuhalten, in der sich der Proust der Freuden und Tage (»ich verleugne sie«)37 noch zu Hause fühlte: »Ich würde begrüßen, wenn [wie in den Rezensionen zu Freuden und Tage] die Epitheta ›feinsinnig‹ [›fin‹] oder ›empfindsam‹ [›délicat‹] ebenso wenig vorkämen wie Hinweise auf Freuden und Tage – dies hier [Swann] ist ein Werk der Kraft«, mahnt Proust den Herausgeber des Figaro, Gaston Calmette,38 und den Kriker René Blum weist er ausdrücklich auf den »›changé‹ et ›grandi‹«, den »›veränderten‹ und ›gewachsenen‹« Marcel hin, der ihm in der Suche nach der verlorenen Zeit begegnen wird.39 Ein Wort wie »Antlitz« etwa, das in der Rechel-Mertens/Keller-Übersetzung neunzigmal vorkommt, wäre geeignet, einem Text ein goethisches Flair zu verleihen, das dem reifen Proust nicht mehr steht; allerdings ist es auch kein Wort, auf das man mit leichter Hand verzichten könnte, denn neunmal habe ich es selbst auch für das Wort der Wahl angesehen.

      Ein scheinbar untergeordnetes lexikalisches Problem bilden bei Proust die Wortwiederholungen. Er benutzt sie (in den Teilen, die er noch selbst durchgesehen hat) als Instrument, einem Satz, einer Passage und sogar dem ganzen Text ein konzeptuelles Zentrum zu verschaffen. Als Beispiel für einen Satz sei etwa auf den von »Blaubarts Zimmern« (so Michel Butor) in WS hingewiesen (S. 15 f., »Aber bald hatte ich …«), der um das Verb »creuser« (in der Übers.: »ausheben«) kreist, um das Motiv vom Bett als Grab zu konturieren, für eine längere Passage auf das »Diner Norpois« in SJM, dessen »Komposition« von dem Wort »composition« gekennzeichnet ist (S. 26–47), um auf die im Hintergrund stehende »composition« = »Aufsatz« zu verweisen, Marcels Martinville-Essay nämlich – der dann ironischerweise als einziges nicht als »composition«, sondern als Prosagedicht (»poème en prose«) auftritt. Hier wird das Problem deutlich, dass Allerweltswörter wie »creuser« oder »composition« je nach Zusammenhang verschieden übersetzt werden können und im allgemeinen auch sollten, hier aber wegen der speziellen Wiederholungsfunktion gleichartig behandelt werden müssen, will man nicht einen wichtigen Aspekt des Textes verschenken. In solchen Fällen nehme ich dann schon einmal leichte Schiefigkeiten im Ausdruck in Kauf: So würde man gemeinhin kaum von der »Komposition« eines Aktienpakets sprechen. – Zu einem textübergreifenden Leitbegriff s. die Bemerkungen zu »doute« S. 25 und S. 241. Den Wortwiederholungen in den späteren Bänden, insbes. E und WZ, lässt sich allerdings in den meisten Fällen schwerlich eine gestalterische Funktion zusprechen; hier handelt es sich aller Wahrscheinlichkeit nach einfach um unkorrigiertes Material.

      Der Erzähler der Suche ist im allgemeinen in einem Monolog befangen, doch gelegentlich wendet er sich auch mit Verve an den Leser. In Sodom und Gomorrha II,1 etwa entspinnt er sogar ein fiktives Zwiegespräch mit dem Leser über das mangelhafte Namengedächtnis des jungen Mannes, »›der der Autor‹« war bzw. »›der Ihr Held war, falls Sie es nicht selber sind.‹ – ›Das ist in der Tat sehr fatal, werter Herr Leser‹« (S. 75). Diese Erzählereingriffe werfen gewisse Übersetzungsschwierigkeiten auf, denn da das Französische häufig mit dem definiten Pronomen »vous« (»Sie«/»Ihr«/»ihr«) auch ausdrückt, was im Deutschen im Nominativ mit dem indefiniten »man« bzw. in den anderen Kasus mit »eines«/»einem«/»einen« ausgedrückt wird, bleibt an solchen Stellen unklar, eben weil direkte Erzählereingriffe keine Seltenheit sind, ob nicht auch bei diesen Formulierungen eine direkte Leseransprache intendiert ist. Ein typischer Fall, in dem dann auch die verschiedenen Übersetzungen zu verschiedenen Lösungen gekommen sind, ist etwa die Beschreibung der Aufführung eines Prélude von Chopin bei Madame de Saint-Euverte in WS II: »pour […] vous frapper au cœur« – um »Sie« (von mir lange bevorzugt), um »dich« (Schottlaender), um »einen« (Rechel-Mertens) oder um »uns« (S. 456) ins Herz zu treffen? Da der Fall häufiger vorkommt, wird jede starre Lösung auch das Gewicht von Erzählereingriffen verschieben und die Suche damit mehr oder eben weniger dem auktorialen Roman annähern, für den eine gewisse Distanz zwischen dem Erzähler und seiner Erzählung charakteristisch ist. Letztlich muss der Übersetzer von Fall zu Fall entscheiden und sich dabei auf sein Gefühl für Angemessenheit verlassen.

      Zur Gretchenfrage der Übersetzungstheorie: »Wie hältst du’s mit den Redewendungen?«, gibt es im wesentlichen zwei Antworten: man übersetzt die Wendung wortgetreu, um die Metaphorik der Quellsprache zu erhalten und damit die Weltsicht ihrer Sprecher abzubilden (»Der frühe Vogel fängt den Wurm«), oder aber man sucht eine Wendung in der Zielsprache, die das in Rede stehende Konzept zum Ausdruck bringt (»Morgenstund hat Gold im Mund«). Beide Lösungen sind unbefriedigend: bei der ersten hat man oft das Gefühl, die »Übersetzung« überhaupt erst noch übersetzen zu müssen, bei der zweiten dagegen, dass die Wendung einfach nicht zu den Personen passt, denen sie in den Mund gelegt wird, die ja trotz aller Übersetzerei weiterhin Engländer, Franzosen, eben Angehörige der Sprechergemeinschaft der Quellsprache bleiben. Wie so häufig in den Geisteswissenschaften ist auch hier mit allgemeinen Rezepten nicht viel zu holen. Für gewöhnlich bemühe ich mich, Redewendungen so wörtlich wie möglich zu übersetzen, mich dabei aber an Wendungen, die im Deutschen zur Verfügung stehen, anzuschmiegen. Wenn etwa Albertine ausruft: »Tu me mets aux anges«, so wäre die sinngemäße Übersetzung »du bringst mich zum Höhepunkt« arg akademisch angesichts der Situation, die wörtliche »du bringst mich zu den Engeln« im Deutschen aber zu unüblich. Die Lösung »du bringst mich in den siebten Himmel« (E, S. 157), für die ich mich schließlich entschieden habe, versucht, beiden Aspekten gerecht zu werden, weist allerdings die Schwäche auf, dass es auch im Französischen die Wendung vom siebten Himmel (»septième ciel«) gibt, die Albertine ja aber nicht benutzt hat.

      Auf dieses Problem der Erhaltung von Lokalkolorit bei Übersetzungen geht Proust übrigens selbst in Sodom und Gomorrha ein, wenn er von den nicht wiedererkennbaren »korrekten« Namen bei Mardrus und dem »entstellten Titel« auf dessen Tausendundeiner Nacht spricht (S. 323 f.), nämlich »Mille nuits et une nuit« – was dem arabischen Titel »alf laila wa-laila«, ›Tausend Nacht und Nacht‹, mehr oder weniger wörtlich entspricht und wohl den breit angelegten orientalischen Erzählerduktus signalisieren soll, damit aber etwas in den Titel legt, was im Original so nicht vorhanden ist, denn »alf laila wa-laila« ist einfach nur die grammatisch richtige Ausdrucksweise, um auf Arabisch »tausendundeine Nacht« zu sagen – und wie Galland es auch mit »Mille et une nuits« wiedergibt.

      Bei Zitaten aus anderen französischen Sprachkunstwerken, die ja meist auch in deutscher Übersetzung vorliegen, hatte ich ursprünglich vor, jeweils diese etablierten Übersetzungen anzuführen; es stellte sich aber bald heraus, dass Proust diese Zitate aus inhaltlichen Gründen wählt, für den Übersetzer von Gedichten oder Theaterstücken jedoch häufig ganz andere Merkmale, wie Lautung, Reim oder Rhythmus, im Vordergrund stehen, so dass ein Zitat der entsprechenden Stelle der deutschen Übersetzung oft nicht das enthält, weswegen sie von Proust überhaupt erst angeführt wurde. Ich habe daher sehr häufig auch Zitate selbst übersetzt; wo ich übernehmen konnte, habe ich das getan und in den Anmerkungen vermerkt. Bei Zitaten aus einem klassischen griechischen oder lateinischen Text kommt noch hinzu, dass er bereits auf französischer Seite in mehreren verschiedenen Übersetzungen vorliegt, man aber nicht immer weiß, welche Proust benutzt oder gekannt hat, und dann im Deutschen ebenfalls mehrere Übersetzungen mit ganz verschiedenen Auffassungen der Übersetzer vorliegen (man denke nur an Ovids Metamorphosen). Hier habe ich mich im allgemeinen für die Übersetzung entschieden, die dem »kanonischen« Textverständnis am nächsten kommt, wie es bei Roscher40 (für die Auffassung zu Prousts Zeiten) und bei Pauly41 (für die moderne Sicht) umrissen wird.

      Generell werfen intertextuelle Anspielungen die Frage auf, wie viel des anderen Textes denn »mitgemeint« ist und damit, wie eng man am Wortlaut bleiben oder wie weit man sich von ihm entfernen muss, um die Intention des Autors einzufangen. Wenn Proust etwa in WZ, S. 229, vom »enfarinement« bestimmter Parteien nach dem Krieg schreibt (›Einmehlung‹, im Text als

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