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      3.1.1. Der referentielle Rahmen

      Es ist zunächst festzustellen, dass durch die Quaestio ein bestimmter Sachverhalt für die Diskursrepräsentation eingeführt wird. Bei der Beantwortung einer Frage, sei sie explizit gestellt oder im Sinne eines impliziten Redeanlasses gemeint, geht es immer um die Spezifizierung von Eigenschaften des eingeführten Sachverhalts (im Sinne einer referentiellen Spezifizierung, vgl. von Stutterheim und Carroll 2018). Durch die Quaestio wird die Bezugnahme auf den Sachverhalt gleichzeitig durch einen sogenannten referentiellen Rahmen (Klein und von Stutterheim 1987) eingeschränkt, da mit ihm Referenzbereiche festgelegt werden.

      Verdeutlichen wir diesen Rahmen anhand eines Beispiels. Eine explizite Frage wie »Wann seid Ihr eigentlich das letzte Mal nach Mailand gefahren?« setzt eine Antwort voraus, in der eine spezifische Zeitreferenz zum Ausdruck gebracht wird, wie in der Antwort »Wir sind vor zwei Wochen zuletzt nach Mailand gefahren«. Neben dieser explizit erfragten Zeitreferenz, findet sich in der Antwort der Bezug zu weiteren Referenzbereichen. Alle Referenzbereiche sind als konzeptuelle Domänen zu verstehen, die vom Sprecher in seiner zu spezifizierenden Antwort besetzt werden und für den gesamten Text erhalten bleiben (von Stutterheim 1997).

      Klein und von Stutterheim listen folgende konzeptuellen Domänen auf, auf die in Abhängigkeit der Quaestio, Bezug genommen werden kann (Klein und von Stutterheim 2002):

       Der Bezug zu den Teilnehmenden am dargestellten Ereignis, nämlich jene Personen, die nach Mailand gereist sind.

       Der Bezug zu einer spezifischen Aktivität, nämlich des Reisens.

       Der Bezug zu einem Ort (Mailand).

       Der Bezug zur bereits genannten Zeitreferenz.

       Der Bezug zu einer gegeben Modalität (faktisch und nicht etwa fiktiv).

      Nicht in jeder Frage werden alle Referenzbereiche aufgerufen. So ist offensichtlich, dass mit der Frage »Ist siebzehn eine Primzahl?« kein Bezug zu den Referenzbereichen Zeit oder Ort hergestellt wird. Festzuhalten bleibt jedoch, dass bei der Beantwortung von redeeinleitenden Fragen der Sprecher je nach Frage Referenten aus den oben genannten Domänen auswählt und sie in eine Äusserung eingliedert. Der Sprecher verfügt dabei immer über einen gewissen Spielraum für die referentielle Besetzung (beispielsweise in Bezug auf strukturelle oder lexikalische Wahlmöglichkeiten). Jedoch wirkt sich die Quaestio gliedernd und beschränkend auf diese Wahlmöglichkeiten aus, da sie Vorgaben für die referentielle Besetzung macht (Klein und von Stutterheim 2002).

      Der durch die Quaestio eingeleitete Referenzrahmen kann folgende referentielle Domänen bzw. Referenzbereiche umfassen, die konzeptuell sind und sich auf folgende Bereiche beziehen:

       Entitäten (im Sinne der Beteiligten Personen und Objekten an einer Situation)

       Prädikat (im Sinne von Zuständen, Ereignissen und Eigenschaften, die eine Situation charakterisieren)

       Zeitspannen (im Sinne eines Zeitraumes oder Zeitpunktes)

       Ort

       Modalität (faktisch oder fiktiv)

      Bei der Einbettung der Referenten in die Äusserung, geht der Sprecher nicht willkürlich vor. Es wird zunächst der Zusammenhang zwischen Entitäten und Prädikaten hergestellt, der das Kernstück der Äusserung darstellt. Die Kombination zwischen Entität und Prädikat wird anschliessend in Bezug auf Zeit und Ort lokalisiert. Abschliessend wird die Äusserung im Hinblick auf ihre Realitätsstatus markiert (Klein und von Stutterheim 2002).

      3.1.2. Die Wissensbasis

      Neben dem referentiellen Rahmen, der die inhaltlichen Komponenten des Antworttextes beeinflusst, ruft die Quaestio ein bestimmtes Wissen auf, das für die Beantwortung der Frage relevant ist. Dabei erzeugt der Sprecher eine konzeptuelle Struktur, die vom eigenen aber auch vom Wissenstand des Hörers geprägt wird. Unter Wissen ist dabei nicht ein »neutrales Abbild der Realität« zu verstehen, sondern ein Wissen, das »seinerseits perspektivisch gebunden im Gedächtnis gespeichert« ist (von Stutterheim & Klein 2008: 228).

      Im Hinblick auf die Wissensbasis, die mit dem zu spezifizierenden Sachverhalt verbunden ist, unterscheidet von Stutterheim (1997) zwischen einem spezifischen und einem standardisierten Wissen. Erläutern wir diese beiden Typen von Wissen anhand eines Beispiels. Nehmen wir die Frage »Wie sieht Deine Lieblingshose aus?«. Für die Beantwortung dieser Frage wird ein spezifisches Wissen aufgerufen, das »akzidentelle, individuelle Eigenschaften« (lang und nicht kurz, Farbe, Material etc.) der Lieblingshose desjenigen enthält, an den die Frage gerichtet wurde. Gleichzeitig hat Wissen auch mit standardisiertem Wissen zu tun. Der Sprecher verfügt über eine standardisierte Vorstellung von einer Hose, die von den charakteristischen Eigenschaften einer Hose geprägt ist (Kleidungsstück, das die Beine teilweise oder ganz von der Taille abwärts bedeckt etc.) (von Stutterheim & Klein 2008: 228).

      Der Wissensstand des Hörers wird vom Sprecher ebenfalls für den Aufbau der konzeptuellen Struktur berücksichtigt (vgl. Herrmann & Grabowski 1994). Inwieweit der Wissensstand geteilt wird liegt unter anderem am geteilten, soziokulturellen Hintergrund (denkbar sind soziokulturelle Gegebenheiten, in denen erfragte Sachverhalte nicht vorhanden sind, beispielsweise Elemente aus der regionenspezifischen Flora oder Fauna). Festzuhalten bleibt, dass der Hörer nicht mit Verlässlichkeit ein mit dem Hörer geteiltes Standardwissen antizipieren kann, da dies von Situation zu Situation variieren kann (von Stutterheim 1997).

      Für die hier vorliegende Fragestellung ist herauszustellen, dass die Quaestio sich auf drei Operationen auswirkt, die der Sprecher vollzieht, um auf das Wissen zurückzugreifen, das in seinem Gedächtnis gespeichert ist. Die Quaestio liefert dabei Anhaltspunkte für das Zusammenspiel von standardisiertem und spezifischem Wissen. Dabei ergeben sich Auswirkungen für:

      1 die Selektion von Informationen:Welche Eigenschaften sind explizit zu benennen und welche können aufgrund einer angenommenen gemeinsamen Wissensbasis implizit bleiben? Mit der Selektion der Information eng verbunden ist somit auch

      2 die Wahl des Detaillierungsgrades:Auf welchem Granularitätsniveau bewegt sich die Darstellung des erfragten Sachverhalts? Sehr feinkörnig mit zahlreichen Verweisen auf Details oder sehr grobkörnig? Vgl. in dieser Hinsicht die verschiedenen Antwortmöglichkeiten auf die Frage »Was habt Ihr im Urlaub gemacht?«, die von »Wir sind Ski gefahren« bis hin zu einer minutiösen Beschreibung des Urlaubs reichen können. Des Weiteren wirkt sich die Quaestio aus auf

      3 die Serialisierung von Teilinformationen:Der erfragte Sachverhalt wirkt sich auf die Darstellung der Teilinformationen aus. Geht es um die Darstellung eines Ereignisses, wird eine chronologische Abfolge der Teilereignisse im Vordergrund stehen (vgl. Klein und von Stutterheim 2006, Klein 1992). Werden dagegen Objekte oder Gegenstände beschrieben, werden räumliche Relationen (x ist über y, x liegt neben y etc.) als Parameter für die Serialisierung von Teilinformationen genutzt (vgl. Carroll 1993, 1997, Kohlmann 1997). Abschliessend bleibt zu den Auswirkungen der Quaestio auf die Serialisierung anzumerken, dass »mit den Eigenschaften des Sachverhalts selbst nicht die Festlegung eines Serialisierungsprinzips verbunden ist. Sie schränken lediglich die Möglichkeiten ein, die prinzipiell gegeben sind« (von Stutterheim 1997: 23).

      3.1.3. Die Perspektive

      Als letzten inhaltlichen Geltungsbereich der Quaestio wird an dieser Stelle die Bedeutung der Quaestio für die Perspektive behandelt. Wir haben bislang gesehen, dass die Quaestio Vorgaben für die Schaffung eines referentiellen Rahmens schafft, innerhalb dessen sich der Antworttext auf eine redeeinleitende Frage bewegt. Ebenso hat die Quaestio Auswirkungen auf die Wissensorganisation.

      Zu betonen ist an dieser Stelle nun, dass die Quaestio einen Sachverhalt nicht in einer neutralen Weise einführt (von Stutterheim 1997: 25),

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