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des Lehrens von Fremd- und Zweitsprachen, bietet es sich häufig an, hierfür gerade die Protagonisten – die Lehrenden und Lernenden – selbst mit ihrer Binnensicht zu Wort kommen zu lassen. Es hat aber auch damit zu tun, dass viele Untersuchungsgegenstände (wie etwa Erfahrungen, Einstellungen, Motivationen oder Haltungen von Lehrenden und Lernenden) nicht aus der Außenperspektive beobachtbar sind […]. (Riemer 2016: 155)Als Erhebungsinstrument dient mir das leitfadengestützte Interview mit halboffenen Fragestellungen. Dieses Format hat gegenüber dem erzählgenerierenden Interview den Vorteil, dass ich die theoretischen Vorannahmen zum Potenzial mündlichen Erzählens in die zu erfragenden Themenkomplexe einbeziehen, die Interviewten nach einem einheitlichen Fragengerüst befragen und gleichzeitig auch vertiefende, auf den spezifischen Fall eingehende Zusatzfragen stellen kann:Leitfaden-Interviews setzen ein Vorverständnis des Untersuchungsgegenstandes auf Seiten der Forschenden voraus, denn das Erkenntnisinteresse richtet sich in der Regel auf vorab bereits als relevant ermittelte Themenkomplexe. Deren Bedeutung kann sich aus Theorien, eigenen theoretischen Vorüberlegungen, bereits vorliegenden Untersuchungen, ersten eigenen empirischen Befunden oder eigener Kenntnis des Feldes ableiten. (Friebertshäuser / Langer 2010: 439)Die Interviews sollen retrospektiv im Anschluss an die Erzählstunden als Gruppeninterviews geführt werden. Ich gehe davon aus, dass die Interviewpartnerinnen und -partner unmittelbar nach einer gemeinsam gestalteten Erzählstunde ein Bedürfnis nach Austausch haben, das sie in das Interviewgespräch hineintragen können. Ihre Interaktion kann als zusätzliche Erkenntnisquelle genutzt werden (Caspari / Helbig / Schmelter 2007: 502, Deutsch 2016: 95). Darüber hinaus sind pragmatische Gründe ausschlaggebend, denn die Gruppendiskussion ist weniger zweitaufwändig und lässt sich unter schulorganisatorischen Bedingungen besser realisieren als Einzelinterviews.

      2.3.2 Datenauswertung

      Zur Auswertung der Dokumente und Daten werden folgende interpretative Verfahren angewandt:

      1 Texte und Dokumente werden mithilfe funktionaler Textanalysen untersucht. Die Kriterien dieser Analysen werden im konzeptionellen Teil der Studie entwickelt.

      2 Um die Vielschichtigkeit und Dynamik der Erzählstunden anhand der Videoaufnahmen zu erfassen, werde ich Analyseverfahren entwickeln, mit deren Hilfe ich unterschiedliche Aspekte im Detail und in ihrem Zusammenwirken untersuchen kann. Dazu gehören die gesprächsanalytische (Kap. 9.2.2.2, Kap. 9.3.2.1) und die theatersemiotische Analyse der Erzählperformances (Kap. 9.2.2, Kap. 9.3.2) sowie die Interaktionsanalyse der narrativen Aktivitäten (Kap. 9.2.3, Kap. 9.3.3). Die Analysen erfolgen auf der Basis von Kriterien der Analysemodelle, die ebenfalls im konzeptionellen Teil erarbeitet werden.

      3 Um die Innenperspektive der Akteure möglichst unvoreingenommen zu erfassen, werde ich die Leitfadeninterviews durch eine Kombination von zusammenfassender und strukturierender Inhaltsanalyse (Mayring / Brunner 2010: 328; Schmidt 2010: 473-486) auswerten.

      Einen Überblick über die dem Forschungsdesign zugrunde liegenden methodischen Entscheidungen enthält die folgende Übersicht:

Methodologie Theoretische Rahmung Datenauswahl, Datenerhebung und -auswertung
Forschungstradition:- theoretische Forschung&- empirische Studie Generalisierungsziel:- Potenzi­alemodell- Analysemodelle- Konzepte für die Unterrichtspraxis Grundlagen der Theoriearbeit: - intermediale Narratologie- semiotische Performancetheorie- Theorien des Erzählerwerbs- Erzähldidaktik Empirische Arbeit:- Einzelfälle- Ethnografie- Elemente von Aktionsforschung Methoden der Erhebung ausgewählte Daten Methoden der Auswertung
Beobachtung Videoaufnahmen - semiotische Analyse- Interaktionsanalyse
Dokumentensammlung - Märchentext- Unterrichtsdokumente - funktionale Textanalyse
Befragung Leitfadeninterviews - Inhaltsanalyse

      Tab. 1:

      Das Forschungsdesign der Studie im Überblick

      2.4 Chancen, Herausforderungen, Konsequenzen des komplexen Vorhabens

      Neben der Chance auf eine vielfältige Erkundung des Gegenstandes und seiner Einsatzmöglichkeiten hält der komplexe Ansatz der Studie aber auch Stolpersteine bereit. Für die Forscherin bedeutet es eine Herausforderung, das Vorhaben in einer für das Format der Studie und die zur Verfügung stehenden Ressourcen angemessenen Form zu bewältigen. Aus dieser Situation habe ich folgende Konsequenzen gezogen:

      Exemplarisches Vorgehen

      Aus der Vielzahl erzähltheoretischer Arbeiten greife ich auf die in der aktuellen Erzählforschung aufgrund ihrer wegweisenden, impulsgebenden Ansätze meist rezipierten Autorinnen und Autoren zurück und untersuche ihre Texte exemplarisch für die von ihnen vertretenen Forschungsrichtungen. Dasselbe gilt für alle weiteren Disziplinen (Kap.2.2.2) und die Auswahl der empirischen Studien (Kap. 2.5).

      Materialreduktion

      Was das erhobene Datenmaterial betrifft, so werde ich den Datensatz reduzieren und lediglich zwei Erzählstunden und die dazu gehörenden Interviews für eine systematische Datenaufbereitung und -auswertung vorsehen (zur Begründung der Auswahl s. Kap. 8.2.2). Die andern drei Erzählstunden werden in Form von Kurzberichten so aufbereitet, dass sie punktuell ergänzend herangezogen werden können.

      Umfang und Tiefe der theoretischen und empirischen Analyse

      Im Gegenzug zur Materialreduktion setze ich auf Tiefe und Präzision der Analyse. Aus diesem Grund werde ich ein umfangreiches Repertoire non-verbaler Zeichen zusammenstellen (Kap. 4.3) und deren performative Verwendung in den Erzählstunden (Kap. 9) analysieren. Die detaillierte Darstellung hat den Vorteil, reiches Material für die Entwicklung des Erzählkonzepts und Anschauungsmaterial für interessierte Praktikerinnen und Praktiker zu liefern, sie hat aber auch den Nachteil eines umfangreichen Textvolumens. Die Zusammenfassung der Ergebnisse am Ende des Kapitels (Kap. 9.4) bietet dafür einen Ausgleich.

      Spiralförmiges Vorgehen und Bearbeitungszeit

      Die relativ lange Bearbeitungszeit und das Hin und Her zwischen theoretischer und empirischer Arbeit bot die Chance, theoretische Ansätze und Analyseinstrumente zu überarbeiten und zu schärfen sowie neue Impulse aufzunehmen. Dies betrifft vor allem einige empirische Studien, die ich vor, während und auch nach Abschluss der Datenauswertung nicht als Forschungsgrundlage (Kap. 2.2.2), sondern als Impulsgeber für ausgewählte Aspekte der Potenzialrecherche nutzen konnte. Diese Zusammenhänge werden im folgenden Kapitel gezeigt.

      2.5 Impulsgebende empirische Untersuchungen zum mündlichen Erzählen

      Die von mir ausgewählten empirischen Untersuchungen sind – mit einer Ausnahme – in den Nullerjahren der Erst-, Zweit- und der Fremdsprachenforschung entstanden. Es handelt sich um Studien zur Sprach- und Erzählentwicklung vor allem von Kindern im Grundschulalter (Becker 2013a). Sie sind für mein Forschungsprojekt von besonderem Interesse, weil sie ihre Fragestellungen mit denen der Erzählforschung und -didaktik verbinden. Ziel der Erzählforschung der Nullerjahre war es, in kritischer Auseinandersetzung mit den Ergebnissen der Erzählforschung der 80er und 90er Jahre (z.B. dem Stufenmodell von Boueke et al. 1995) Neuansätze einer Erzähldidaktik zu entwickeln, die bisher vernachlässigte Faktoren der Erzählentwicklung und ihrer Förderung in der Schule berücksichtigt. Dazu gehören z.B. die Abhängigkeit

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