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und Konzepten ausgerichteten Forschungsziele führen zu einer Verortung des Vorhabens in der theo­retischen Forschungstradition:

      Theoretische Forschung zeichnet sich dadurch aus, dass sie bemüht ist, den Gegenstandsbereich Lehren und Lernen von Fremdsprachen und seine verschiedenen Teilbereiche zu bestimmen, zu systematisieren, Konzepte zu entwickeln bzw. diese einer kritischen Reflexion zu unterziehen und / oder angesichts […] neuerer Forschungsergebnisse weiter zu entwickeln. Theoretische Forschung ordnet empirische Befunde, systematisiert Phänomene des Gegenstandsbereichs, entwirft handlungsleitende Modelle und erörtert deren Grenzen und Reichweite. (Legutke 2016a: 39)

      Die zu ordnenden und zu systematisierenden Befunde empirischer Forschung werden allerdings nicht nur aus vorhandenen empirischen Ergebnissen, sondern auch aus eigens für den Zweck der Potenzialrecherche erhobenen Daten gewonnen und in einer empirischen Studie dargestellt und ausgewertet. Die Empirie dient in dieser Konzeption des Forschungsvorhabens

      1 der Überprüfung der Ergebnisse der Potenzialrecherche und der erarbeiteten Modelle und ggf. ihrer Überarbeitung (Kap. 9.4),

      2 der Konkretisierung und Erweiterung der Potenzialrecherche, denn erst die Analyse der Unterrichtspraxis wird den spezifischen Gebrauch der Potenziale zeigen (Kap. 9.4, 10.5),

      3 der Entwicklung eines Erzählkonzepts für den Fremdsprachenunterricht (Kap. 11.3).

      Als ‚Auslöser‘ und Ausgangspunkt des Forschungsvorhabens ist die Empirie der theoretischen Forschung zeitlich vorgelagert. Sie ist außerdem ständiger Begleiter und Fundament der theoretischen Arbeit, denn diese greift bei der Arbeit an den Modellen laufend auf das empirische Material zurück und das empirische Material löst bei erneuter Lektüre weitere Fragen aus, die auf theoretischer Ebene geklärt werden. Da die Ergebnisse der Praxis in Verbindung mit den Erkenntnissen der theoretischen Forschung zu einem theoriebasierten Unterrichtskonzept führen, ist die Praxis auch an der Theoriebildung beteiligt (Caspari 2016b: 70).

      Beide Teile der Studie sind verbunden durch ein gemeinsames Sprach- und Kommunikationskonzept.

      Das Sprach- und Kommunikationskonzept

      Die mehrdimensionale Potenzialrecherche verlangt nach einem komplexen Sprach- und Kommunikationskonzept, das die kommunikativen Aktivitäten von Lehrenden und Lernenden nicht nur unter kognitiven, sondern auch emotionalen und körperlichen Aspekten erfasst (Hu 2001: 21ff.) und sowohl verbale als auch non-verbale Zeichen als Bestandteil der narrativen Interaktion begreift. Dazu gehören u.a. der Ausdruck von Gefühlen, das Aufnehmen, Verweigern und Beenden von Kontakten, dazu gehören die Mittel der Kommunikation wie z.B. Prosodie, Gestik, Mimik, Bewegung, Rhythmus. Auf der Basis eines solchen Sprach- und Kommunikationskonzepts kann ich die beim mündlichen Erzählen als Performance eingesetzten Kommunikationsmittel in ihrer semiotischen Vielfalt in den Blick nehmen und nicht nur die referenzielle Funktion von Sprache, sondern auch ihre expressive, phatische und poetische Funktion berücksichtigen.

      Die Grundlagen der theoretischen Forschungsarbeit

      Die Zusammenstellung der Texte und Dokumente (Legutke 2016b: 61-66) für die theoretische Forschungsarbeit erfolgt unter mehrperspektivischen und interdisziplinären Gesichtspunkten. Es werden unterschiedliche Arten von Texten und Dokumenten aus unterschiedlichen Wissensbereichen so ausgewählt, dass die Potenzialrecherche der Komplexität des o. g. Sprach- und Kommunika­tions­konzepts gerecht werden kann.

      Zur Exploration der Perspektive der Erzählpraktikerinnen und -praktiker werden zwei populärwissenschaftliche Texte (Jean 1990, Rodari 1979) und zwei Dokumente herangezogen – ein Filmdokument, das die Erzählerin Marie-Célie Agnant beim Erzählen mit Berliner Schülerinnen und Schülern (Agnant 2006a, 2006b) zeigt, und ein Interview mit der Erzählerin (Agnant / Bergfelder-Boos 2006). Die Texte und Dokumente liefern Anschauungsmaterial für den kreativen, ‚handwerklichen‘ Aspekt professionellen Erzählens und für die Realisierung der phatischen, expressiven und poetischen Funktion der Sprache.

      Zur Exploration der Potenziale des Forschungsgegenstandes werden wissenschaftliche Texte unterschiedlicher Disziplinen herangezogen:

       zur Erkundung der werkinternen Potenziale Texte der literaturwissenschaftlichen Erzählforschung (Fludernik 2010, Martínez 2011b, Nünning 2004d, Reuter 1991, Wolf 2002a, 2004), der sprachwissenschaftlichen Erzählforschung (Ehlich 2007), der Theaterwissenschaft (Fischer-Lichte 2005a-e, 2007, 2009) und der Theaterpädagogik (Schewe 2011, 2015, Wardetzky 2007),

       zur Erkundung der werkexternen Potenziale Texte der Kulturwissenschaft (Bruner 1997, Straub 1998), der Erzählerwerbsforschung und der Erzähldidaktik (Boueke et al. 1995, Becker / Wieler 2013a, Ohlhus 2013, Stude 2013) und der Fremdsprachendidaktik (Bleyhl 2002b, Nünning / Nünning 2007, 2010, Bredella 2012b).

      Unterschiedlich sind auch die Forschungsschwerpunkte1. Mit ihrer Hilfe können verschiedene Komponenten des Forschungsgegenstandes erkundet werden:

       die Medialität des Narrativen mithilfe intermedialer Forschungsansätze (Wolf 2002a, 2004, Rajewsky 2002),

       das Mündlichkeitsprinzip mithilfe der Oralitätsforschung (Koch-Oesterreicher 1985, Ong 1987, Nänny 1988, Raible 1988a, 1988b, Müller-Oberhäuser 2004a, 2004b),

       das Performative mithilfe der Performancetheorie (Fischer-Lichte 2004),

       der interaktive Aspekt mithilfe gesprächstheoretischer Ansätze (Hausendorf /Quasthoff 1996, Gühlich / Hausendorf 2000; Quasthoff 2001, 2012),

       die prosodische Gestaltung mithilfe der Phonologie (Pompino-Marschall 2003, 2010a, Sokoll 2001, Bußmann 2008, Glück 2010, Hall 2011),

       das Literarische mithilfe der Fiktionalitätsforschung (Hempfer 2002a, 2002b, Kablitz 2008), der Märchenforschung (Lüthi 2005, Lange 2007b, Perrot 2004) und der kinderliterarischen Forschung (Lypp 1984, Ewers 1990, 1991a, 1991b, 2000a, 2000b, O’Sullivan 2000).

      Die interdisziplinäre und mehrperspektivische Textauswahl verhindert eine Fokussierung auf den referenziellen Aspekt von Sprache. Der gesprächstheoretische Ansatz erschließt die phatische, der theatersemiotische die expressive und poetische Funktion von Sprache.

      So unterschiedlich wie die Forschungsschwerpunkte sind auch die Forschungsparadigmen der ausgewählten Texte, denn es werden auch empirische Studien herangezogen, die Impulse für die Erkundung des Potenzials der narrativen Diskursform und ihrer Entwicklung im Sprachunterricht geben (Kap. 2.5).

      Die Textsammlung wird durch den Gemeinsamen europäischen Referenzrahmen für Sprachen (Europarat 2001, im Folgenden GeR) ergänzt. Dessen Kompetenzbeschreibungen dienen mir zur Situierung der narrativen Diskursform in den Bereichen rezeptiver und produktiver sprachlicher Aktivitäten und pragmatischer Kompetenzen.

      Die Gelenkstelle zur empirischen Forschung übernimmt ein Erzähltext (Gougaud 1999b), der von den Projektteilnehmerinnen und -teilnehmern zur Gestaltung ihrer Erzählperformances genutzt wird. Er wird als prototypischer Erzähltext mithilfe der erarbeiteten Analyseinstrumente zu Beginn des empirischen Teils der Studie vorgestellt (Kap. 9.1) und dient mir im Laufe der theoretischen Arbeit als Instrument der Veranschaulichung und der Orientierung.

      Die Grundlagen der empirischen Forschungsarbeit

      Die Grundlagen der empirischen Forschung bilden halboffizielle Dokumente, die im Rahmen der Projektarbeit und der Weiterbildung entstanden sind, und Daten, die in diesem Rahmen erhoben wurden (s. die Datengewinnung in Kap. 2.3.1). Dazu gehören:

       halboffizielle Dokumente wie die Arbeitsdossiers der Projektteilnehmerinnen und -teilnehmer sowie unterrichtsbezogene Produkte,

       qualitative, diskursive Daten wie die in Projektarbeit entstandenen Erzählstunden und die Stellungnahmen der Akteure der Erzählstunden.

      Diese Dokumente liefern mir Anschauungsmaterial für den werkexternen Gebrauch der narrativen Diskursform im anvisierten Zielfeld.

      2.2.3 Forschungsentscheidungen der empirischen Studie

      Aus

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