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So rechtfertigt Jupiters Frau ihre Rache an dem Gott. Diese Beispiele haben hier auch ein anderes wichtiges Ziel, nämlich die Erzählung in den Metamorphosen zu bestätigen.

       c) „Zuletzt ein Abschnitt, in dem Juno aus den Beispielen die Schlußfolgerung für die gegenwärtige Lage zieht“38 (Met. IV 426–431OvidMet. IV 426–431). Juno spricht aus, wie Recht und Gerechtigkeit näher bei ihr stehen als in den erwähnten Beispielen, in denen die Protagonisten befriedigt wurden.

       3’) Der Besuch in der Unterwelt (432–480).

      Der römische Dichter präsentiert in dieser Textstelle verschiedene Szenen wie in einem Theaterstück, wo die unterschiedlichen Phasen einer TragödieTragödie bzw. eines Dramas auf einer Bühne dargestellt werden: Zunächst geht es um die handelnden Personen und die Ursache der Beleidigung. Als nächstes folgt die Entwicklung der Handlung, wobei jede Szene schroff abbricht (der Vorhang fällt). Die Handlung beginnt mit Junos Reise zur Unterwelt, fährt fort mit Tisiphones Besuch in Athamas’ Haus; Athamas’ Jagd; Inos FluchtFlucht und SprungSprung. Der letzte Teil bringt die Lösung des Dramas mit Inos und Melikertes’ DivinisierungDivnisierung. Als Anhang wird die Metamorphose der sidonischen Frauen, Inos Gefährtinnen, erzählt.

      Der Leser befindet sich in der zweiten Szene der Entwicklung. Dieser Akt ist völlig anders als Allektos Episode in Aen. VIIVergilAen. VII; Hershkowitz sagt es sehr deutlich: „Whereas Allecto is summoned to JunoJuno in the Aeneid, Juno goes to Tisiphone in the Metamorfosis“39. Die Innovation spielt eine herausragende Rolle, denn eine olympische Göttin besucht die Unterwelt; das ist eine ungeheure literarische Revolution. Bömer behauptet, „die Unterweltsszene innerhalb der Athamas-Ino-Geschichte darf trotz mancher durch die Sache gegebener älterer Vorbilder und Parallelen mit großer Wahrscheinlichkeit als eine Erfindung Ovids gelten“40. Sogar in diesem letzten Fall beruft sich Ovid auf eine sehr alte griechische Tradition, die die Unterwelt und den Verstand von Personen, vor allem wenn dieser gestört war, verknüpfte. Padel glaubt, „underworld and mind are parallel habitats, therefore, of Madness, Erinyes, black dreams“41. Dies ist die Verbindung zwischen der Innenwelten der Menschen.

      Ovid bricht plötzlich Junos Überlegungen ab und präsentiert dem Leser eine uia. Auf Worte folgen Taten. „Bei Ovid bricht der Monolog einfach ab“42, im Gegensatz zu Vergil43, bei dem es eine Formel gibt, um einen Monolog zu beenden. Dieser Weg führt zur Tiefe des Auernus44. Anderson schreibt: „Ovid begins a brief ecphrasis, in the formulaic manner, with est + noun“45. Dieser Pfad steht im Widerspruch zu dem, der in der ersten Ekphrase zum Himmel führt: est uia sublimis (MetOvidMet. I 168. I 168). Die Eibe wird erwähnt, denn ihre tödlichen Beeren „had a poetic association with the Underworld“46 . Darüber hinaus galten ihre Früchte in der Antike als giftig47, während die dunkle Farbe ihrer Blätter die Unterwelt andeutete. Die Einführung des Auernus in der Geschichte bricht nicht nur Junos Selbstgespräch ab, sondern auch die Erzählung Ovids über Athamas und Ino: Der Leser muss lernen, Geduld zu haben.

      Interessant ist Bernbeck zufolge der Vergleich mit Vergil: „An die Stelle der epischen Erzählweise Vergils, der auf die übersichtliche Darstellung des Handlungsablaufs größte Sorgfalt verwendet und ihn gleichsam an einem nie abreißenden Faden weiterverfolgt, tritt bei Ovid ein sprunghaftes Nacheinander zweier unverbundener Szenen“48. Der Forscher hält diesen Abbruch für wenig episch. Anderson stellt auch beide Autoren gegenüber und besteht auf der verschiedenen Sichtweise Ovids hinsichtlich Vergils: „Instead of showing this strange world through the visitor’s eyes and feelings (as Vergil did with Aeneas), Ovid reduces the interest of the setting to its effect on the newly dead“49.

      Der Pfad zur Unterwelt hat bei beiden Autoren dieselben Züge, nämlich: Steilheit – Dunkelheit – Ruhe – Schatten – Bleiche – Winter – Dornen – Unwissenheit. Dieser Weg beginnt mit dem Styx, einem kleinen Bach, der nur Nebel verursacht50. Dies ist der einzige Fluss der Unterwelt.

      Überzeugend ist Padels Assoziation zwischen den Wildbächen der Unterwelt, der Dunkelheit und dem Wahnsinn: „In the mind which answers to Hades’ rivers is the dark inner flow of passion“51. Dieser Fluss „receives an epithet usually reserved for the calm, ‚dead‘ waters of the Cocytus“52, nämlich iners; auf dieser Linie bleibt auch Bömer, der erklärt: „Das Epitheton iners widerspricht der klassischen Vorstellung von den Wassern der Styx … und bezieht sich in Wirklichkeit auf den Kokytos, der zusammen mit dem Pyriphlegethon als ein Arm der Styx genannt wird (seit Hom. OdHomerOd. X 514. X 514) und in den Acheron fließt“53.

      Der Weg aber ist nicht menschenleer. Eine große Menge von Manen, von Bildern54 läuft zur riesigen stygischen Stadt. Da sie neu sind, heißt das, dass sie diese Pfade nicht kennen und nicht wissen, wohin sie gehen müssen. Bernbeck kritisiert den Ausdruck simulacra functa sepulcris: „Diese Wortverbindung ist logisch nicht ganz einwandfrei“55, denn man begräbt tote Körper und nicht ihre Schatten. Haupt meint, Ovid beziehe sich auf jene, „die die Bestattung durchgemacht haben“56. Bömer interpretiert ihn folgendermaßen: „Totenseelen, die das Grab hinter sich gebracht haben“57. Meiner Ansicht nach handelt es sich nur um eine Metapher für Personen, die ihre Trauerfeier schon bekommen haben; dieser Meinung ist auch Anderson58. Übertrieben ist m.E., dass Bernbeck in Bezug auf diesen Ausdruck und den von umbrae recentes (434) schreibt: „Ovid hat in beiden Ausdrücken die epische Stilhöhe verlassen“59; Bömer übt Kritik an Bernbeck und beteuert „seine Ausführungen über die di Manes als ‚den unsterblichen Rest von Verstorbenen’ sind falsch …, bei Verg. a. O. sind die manes fere i. q. ‘ossa’ (Thes. VIIIPlutarchThes. VIII 299,50ff.)“60.

      Nachdem Ovid den Pfad beschrieben hat, beschäftigt sich der Dichter mit dem Ziel der Reise, nämlich der Stadt von Auernus, denn „die eigentliche Unterwelt stellt Ovid als eine Stadt dar“61. Es scheint, dass es für diese Darstellung kein früheres Muster gibt62. Bömer meint, „die Epitheta niger … und ferus … sind in den Vorstellungen von der Unterwelt (Pforte, Palast, Reich u. dgl.) austauschbar“63. Nach Bernbeck „ergibt sich ein Tartarusbild ohne allen Schrecken und Schauder“64; diese Behauptung ist m.W. falsch, weil Ovid nicht den Anspruch hat, den Leser zu erschrecken, sondern Junos Reise zur Unterwelt darzustellen. Vielleicht hat dieser Forscher diese Hölle mit der christlichen, die ja Angst und Erschütterung verursacht, verwechselt. Die klassische Unterwelt ist eine Wohnung, ganz anders als die auf der Erde, aber darum nicht besser oder schlechter, weil man die Schatten mit den leibhaftigen Personen nicht vergleichen kann. Dieses Wort Dis „ist zusammengezogen aus diues, wie der griechische Name (Beiname des Αἵδης) Πλούτων von πλοῦτος stammt“65. Haupt fügt hinzu, dass der Reichtum, den die Erde dem Menschen gewährt, in der Antike eine den Menschen vom Hades geschickte Gabe war66.

      Die zahllosen Zugänge der Stadt symbolisieren die Öffnung der Unterwelt für alle Menschen: Der Tod hat mit niemandem ein Problem, er nimmt alle auf. Bömer erläutert: „die Unterwelt hat für alle Platz, Hades ist πολυδέκτης“67. Dies ist ein Begriff, der von den Griechen kommt und von alters her gebräuchlich ist. Das Bild des MeerMeeres verstärkt die Idee, dass die Stadt neue Bewohner von überall her aufnimmt, dazu kommt noch ihre riesige, ausgedehnte Geräumigkeit. Genau wie das Meer trotz allen Wassers der darin mündenden Flüsse nie voll sein wird, so wird auch die Stadt der Unterwelt von den Schatten der Toten nie angefüllt sein68. Unmöglich ist, hier nicht an die berühmte Coplas a la muerte de su padre (25–31) von Jorge Manrique zu erinnern:

      Nuestras vidas son los ríos

      que van a dar a la mar

      que es el morir;

      allí van los señoríos

      derechos a se acabar

      y consumir;

      allí los ríos caudales,

      allí los otros medianos

      y más chicos,

      allegados son iguales,

      los que viven por sus manos

      y

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