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hellenistischen Einflusses ist Junos Titel βαρύμηνις, der je nach den Umständen in den Gedichten modifiziert wird. Mit einem Wort: Juno wird als Urbild aller eifersüchtigen Ehefrauen angesehen. Der ZornZorn der Göttin über die häufige Untreue ihres Mannes und dessen zahlreiche unehelich gezeugten Kinder ist Inhalt vieler Erzählungen hellenistischer Dichter, wie z.B. in der Fabel von Ganymedes, Io oder Kallisto25; vor allem Kallimachos zeichnet für dieses Bild von Jupiters Frau verantwortlich.

      Crusius denkt, dass Ovid dem hellenistischen Dichter in der Einleitung von Junos Rache sehr nahe bleibt: „Quare Callimachum Alexandrinum communem istum fontem esse haud inepte poteris conicere, ubi Isthmia ab eo celebrata esse Inois et Melicertae fabula narrata satis certo demonstraveris“26. Castiglione glaubt sogar, es sei denkbar, „che alla poesia ellenistica non fosse estraneo lo sviluppo degli accenni omerici relativi alle personificazioni, come non era ad essa estranea una discreta elaborazione di discorsi e di colloqui di divinità“27. Viele Einzelheiten der ovidischen Szenen könnten ein Spiegel der griechischen Gedichte im Hellenismus sein. Aber nicht nur Vergil und das Alexandrinische Gedicht beeinflussten Ovid stark, sondern auch die TragödieTragödie selbst spielte in den Gedichten des römischen Dichters eine herausragende Rolle: „Da scene di drammi, sia da prologhi che da soliloqui, chi ignora quanto poteva derivare ai poeti più tardi e come materia e come disposizione di essa?“28.

      Ovid entwickelt in seinen Metamorphosen die I-L-M-Version29; „dadurch ergab sich eine Vereinfachung: alle Einzelheiten, die sich aus dem Problem der Doppelehe und des StiefmutterStiefmutterverhältnisses ergaben, konnten wegfallen“30. Interessant sind auch die Fragen: „Quale è il grado di unità dell’insieme (o degli ‘insiemi’) narrativo delle Metamorfosi? Quali i rapporti fra i diversi livelli narrativi, fra il narratore autore e i tanti altri ipostatici che si susseguono?“31. Man sollte sich auch fragen, ob die Textstelle über Athamas mit dem Rest des ovidischen Werkes harmonisch verbunden ist.

      Seit dem Beginn des 3. Buches mit der Geschichte von KadmosKadmos führt Ovid den Leser zur Familie des Gründers von ThebenTheben und berichtet von seiner Ankunft in BöotienBöotien (Met. III 1–137OvidMet. III 1–137) bis zu seiner Vertreibung samt seiner Frau Harmonia und die Verwandlung von beiden in Schlangen (Met. IV 563–603OvidMet. IV 563–603). Daraufhin erzählt er das Unglück von zweien seiner Töchter, nämlich von Autonoë und SemeleSemele. Bernbeck32 sieht einen starken Gegensatz zwischen Kadmos’ Neffen und dem Gründer von Theben: „Das unglückliche Schicksal von Actaeon, Semele, Pentheus usw. soll einen Kontrast zum glücklichen Ausgang von Cadmus’ ersten Abenteuern (Drachenkampf, Saat der Drachenzähne, Erbauung Thebens) bilden“33.

      Das 4. Buch, das mit der Erzählung von den Minyaden anfängt, könnte durch zwei mythische, finstere und eigentlich kadmeische Episoden begrenzt gesehen werden: „quello di Penteo che chiude il III libro e quello di Atamante a metà del IV“34. Pentheus’ Fall (3. Buch) weist auf Inos Unglück noch deutlicher hin als der von Autonoë; denn Pentheus wird von seiner Mutter Agave auf DionysosDionysos’ Veranlassung hin mit einem Eber verwechselt und Athamas wird InoIno und ihre zwei Kinder auf Junos Veranlassung hin mit einer Löwin und ihren Jungen verwechseln; JunoJuno lässt sich eigentlich von Dionysos’ Vorgehensweise inspirieren (ipse docet, Met. IV 427OvidMet. IV 427).

      In KadmosKadmos’ Familie finden sich folglich zwei Beispiele eines von Göttern geschickten WahnsinnWahnsinns, um über die Sterblichen eine große StrafeStrafe zu verhängen. Das bedeutet nicht, dass es nicht parallele und widersprüchliche Linienführungen zwischen Ino und ihren übrigen Schwestern gibt. Diana verhindert z.B., dass Aktaion reden kann, wenn er in einen Hirsch verwandelt wird; Ino ist übermäßig stolz und spricht zu viel: magnasque nam matertera uires | narrat ubique dei (Met. IV 417–418OvidMet. IV 417–418). Auf jeden Fall bricht Ino – und deswegen hat Ovid sie wahrscheinlich als letzte in die Reihe der unglücklichen Töchter Kadmos’ gesetzt – mit dem glücklosen Ende der übrigen Geschichten, weil Neptun sie auf VenusVenus’ Fürbitte hin in eine Seegöttin verwandelt. Ovid bemerkt, dass dieses besondere Ende Inos Geschichte von den Unglücksfällen des thebanischen Königshaus ausschließt35. Das ist auch wichtig für den kadmeischen Zyklus: Obwohl alle Töchter des Gründers von ThebenTheben ein unseliges Ende haben, ist es klar, dass „die Inosage aber nach dem grausigen Anfang schließlich mit der Vergöttlichung von Ino und Melicertes versöhnlich endet“36.

      Ludwig sieht aber eine andere Gliederung in Kadmos’ Erzählung. Aktaion, Autonoës Sohn, und MelikertesMelikertes, Inos Sohn, rahmen den Kernpunkt der Geschichte37 ein, und zwar die Geburt von Semeles Sohn, BacchusBacchus, und die Erscheinung seines großen Gegners, Pentheus, Agaves Sohn. „Ovid scheint auf diese Weise absichtlich die Gestalt des Bacchus dominierend ins Zentrum gesetzt und seine Geschichten dort zusammenhängend erzählt zu haben“38.

      Bernberk schlägt eine andere, eigentlich doppelte Verbindung für Inos und Athamas’ Erzählung vor: „durch die Beziehung zu BacchusBacchus mit den Minyaden und den andern vorangehenden Sagen, durch ihre Stellung vor der Metamorphose des Cadmus mit dem übergeordneten Thema der Trauerfälle im Cadmidengeschlecht“39. Dieser Gelehrte erläutert40, dass Ovid einen anderen möglichen Verbindungspunkt mit den Minyaden außer Acht gelassen hat, denn diese wohnten nach der Tradition41 in OrchomenosOrchomenos, wo Athamas, Hellanikos (FGrHist.HellanikosFGrHist. 4 F 126 4 F 126) zufolge, ebenfalls gewohnt hat. „Doch Ovid bevorzugt gegenüber der unwesentlichen geographischen Übereinstimmung die Verknüpfung der beiden Geschichten durch ihre innere Beziehung zu Bacchus“42. Die Minyaden lehnen tatsächlich den neuen Gott ab, Athamas und Ino aber nehmen ihn als Kind auf und erziehen ihn wie einen eigenen Sohn.

      Es gibt also eine gewisse Einheit, die unter dem Dreisatz verstanden werden kann: DionysosDionysos – Übertretung – WahnsinnWahnsinn. Diese Tatsache verhindert z.B., dass sich Ovid mit der späteren DivinisierungDivnisierung von Ino und MelikertesMelikertes beschäftigt. Gewagt ist aber m.E. Fornaros Behauptung, wenn er sagt, „le Metamorfosi sono, ex obiecto, di per sé poema, in senso lato, dionisiaco: l’ordine della natura è postulato, ma non assicurato né amato, spesso è contraddetto“43. Wenn sich diese Meinung aber auf das dritte und vierte Buch beschränkt, gilt seine Behauptung als richtig. In der Tat kann Junos Verhalten in der Geschichte von Athamas für ein wenig ‚dionysisch‘ gehalten werden: JunoJuno wird von einem maßlosen und zerstörerischen Zorn bewegt, der die kosmische Ordung bricht (eine olympische Göttin betritt z.B. die Unterwelt). Dionysos, der diese Unordnung repräsentiert44, eröffnet das vierte Buch mit dem den Minyeaden geschickten Wahnsinn, der derselbe ist, der Agave und Athamas dazu antreibt, ihre Verbrechen durchzuführen. Letztendlich kennzeichnet dieser Irrsinn – eine unerbittliche Bestrafung durch die Götter – das Ende des dritten Buches, einen großen Teil des vierten Buches und verknüpft alle unglücklichen Erlebnisse der Töchter von Kadmos.

      Die Kohärenz all dieser Erzählungen „n’est pas uniquement assurée par le principe généalogique (comme chez Apollodore, qui raconte certaines de ces anecdotes au livre III de sa Bibliothèque), mais par la récurrence d’un motif: la transgression“45. Derselben Ansicht ist Galinsky, wenn er erläutert, „the Cadmean cycle, the reader’s sense of the Cadmeans’ misfortunes is only heightened by this break with the chronological order: no matter what generation Ovid mentions, misfortune was their common lot“46. Wahrscheinlich hat Ovid einen strikten Zeitablauf47 für zu wenig kunstvoll gehalten, weswegen er Aktaion, Semeles Neffe, vor derselben SemeleSemele, oder Pentheus, Inos Neffe, vor Athamas’ Frau präsentiert.

      Ein anderer Aspekt, der in dieser kleinen Einführung zu erklären ist, ist der furor in Bezug auf die Liebe, das heißt, der furor eroticus. Der WahnsinnWahnsinn von Athamas und Ino ist nicht der furor einer unerwiderten Liebe48. Es scheint, dass Catull der erste war, der diesen Terminus in einem lieblichen Kontext verwandte49. Auch Properz benutzte diesen Begriff in seiner Dichtung. Allerdings sind die Metamorphosen – darum wird dieses Thema in diesem Moment erwähnt –, „qui offrent le plus grand nombre d’emplois du mot furor ou de ses dérivés“50: Narziss (zweimal), Tereus, Medea, Scylla (je einmal), Biblis (viermal ist es nötig, Biblis’ Inzest mit dem WahnsinnWahnsinn zu erklären!), usw.

      Das letzte Thema dieser Einleitung ist die Magie in den Metamorphosen.

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