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der Reichstag ein ganzes Bündel von Gesetzen zur Finanzierung des Krieges. In einem Nachtragshaushalt genehmigte er kriegsbedingte Sonderausgaben von fünf Milliarden Mark – dies entsprach knapp einem Zehntel der Wirtschaftsleistung Deutschlands, die 1913 bei 52 Milliarden Mark gelegen hatte. Also begab das Kaiserreich im September eine Kriegsanleihe in Höhe von 4,5 Milliarden Mark, die erste von insgesamt neun großen Anleihen, die als patriotisches Opfer vermarktet wurden und bei der sparenden Bevölkerung generell lebhaften Absatz fanden.

      Die Mark war zu dieser Zeit dem Goldstandard unterworfen. Es galt das Prinzip der Dritteldeckung, wonach für jede Goldmark im Tresor der Reichsbank nur drei Papiermark ausgegeben werden durften. Das sollte die im Umlauf befindliche Geldmenge begrenzen und den Tausch in andere, ebenfalls auf Gold bezogene Währungen erleichtern. Woher sollten unter diesen Umständen die Milliarden kommen, die der Staat für einen Krieg gegen fast alle Großmächte dieser Welt benötigte? Im System des Goldstandards war ein so großer zusätzlicher Geldbedarf nicht vorgesehen. Das Gold ließ sich nicht magisch vermehren und damit auch nicht die darauf bezogene Mark.

      Um mehr Geld schöpfen zu können, musste folglich nach geltendem Recht möglichst viel Gold seinen Weg in die Reichsbank finden. Viele Patrioten folgten demonstrativ den öffentlichen Aufrufen, der Reichsbank Schmuck und Münzen gegen Papiergeld anzudienen. Aber entweder gab es nicht genügend Patrioten oder sie hatten zu kurze Arme für ihre tiefen Taschen, jedenfalls kam nicht genügend Edelmetall für die Kriegsanstrengung zusammen.

      Der Geldmangel des Reichs blieb auch dem Volk auf der Straße nicht verborgen, und Ende Juli hatten sich bereits lange Schlangen von misstrauischen oder ängstlichen Bürgern gebildet, die den umgekehrten Weg gehen und ihr Papiergeld bei den Banken in Goldmünzen tauschen wollten. Das zeugte zwar von vaterlandsloser Gesinnung, wie die Zeitungen nicht müde wurden zu schreiben, aber es beruhigte die Nerven für den unwahrscheinlichen Fall einer Niederlage. Nichts zog so unwiderstehlich Nachahmer an wie Schlangen schwitzender Menschen vor Bankschaltern, hinter denen sich nervöse Angestellte fragten, wie lange dieser Zustand noch gut gehen mochte. Niemand wollte vor verschlossenen Türen stehen, hinter denen Ersparnisse plötzlich wie in einem Schwarzen Loch versanken, während sich der Nachbar, der die Zeichen der Zeit schneller gedeutet hatte, zufrieden und entspannt einen Haufen Goldstücke unter die Matratze legen konnte. Daher schlossen am 28. Juli, dem Tag der Kriegserklärung Österreich-Ungarns an Serbien, die Geschäftsbanken ihre Schalter, um dem Land den peinlichen Anblick langer Reihen besorgter Bürger zu ersparen. Am 31. Juli, einem Freitag, zog die Reichsbank nach. Das Papiergeld ließ sich nicht mehr in Gold tauschen, der Goldstandard war praktisch am Ende.

      Die Regierung griff nun auf einen Trick zurück, der sich schon im Krieg gegen Frankreich bewährt hatte. Was einmal funktioniert hatte, musste man in der Eile nicht neu erfinden. Die Fiktion der goldgedeckten Mark sollte aufrechterhalten bleiben, die Menge des umlaufenden Geldes musste gleichwohl erheblich vergrößert werden. Wenn die Papiermark sich nicht beliebig vermehren ließ, so lag die Lösung des Problems darin, eine zusätzliche Währung zu schaffen, welche die Bedürfnisse des Krieges und der Wirtschaft erfüllte. Dadurch blieb die Mark sauber und ans Gold gekoppelt, während die Zweitwährung die nötige Liquidität schaffte.

      Parallelwährungen waren damals kein ungewöhnlicher Gedanke. Es war nicht lange her, da zirkulierten die verschiedensten Währungen der deutschen Länder, und auch nach der Reichsgründung wusste sich der Staat, wenn er klamm war, mit sogenannten Reichskassenscheinen zu behelfen, die nichts anderes waren als klein gestückelte Schuldscheine des Reichs, die es herausgab, wenn gerade keine Papiermark greifbar war. Um den Geldbedarf zu befriedigen, gab die »Reichsschuldenverwaltung«, das hierfür zuständige Amt innerhalb des Finanzministeriums, Reichskassenscheine zu 5, 10 und später auch 20 oder 50 Mark heraus, die formell Schulden des Reiches waren, aber wie Reichsbanknoten für tägliche Geldgeschäfte benutzt und (mit der wichtigen Einschränkung: je nach Kassenlage) in Gold eingetauscht werden konnten. Dieser enge Bezug zum Gold bedeutete, dass die Reichskassenscheine nicht ohne weiteres vermehrt werden konnten und daher zur Finanzierung des Krieges nur begrenzt taugten.

      Die Parallelwährung, die am 4. August 1914 aus der Taufe gehoben wurde, musste flexibler sein. Der Reichstag errichtete »zur Abhilfe des Kreditbedürfnisses, vornehmlich zur Beförderung des Handels und des Gewerbebetriebs« ein System von »Darlehenskassen«. Diese gaben Kredit gegen ein buntes Allerlei von Sicherheiten, wie etwa Rohstoffe, Wertpapiere und unverderbliche Fertigwaren. Sie unterschieden sich zudem von gewöhnlichen Sparkassen dadurch, dass sie ihre Kredite nicht in Mark oder etwa Gold vergaben, sondern als »Darlehenskassenscheine«, welche (wie die Reichskassenscheine) dieselbe Funktion hatten wie Papiergeld, offiziell aber keines waren. Diese Darlehenskassenscheine waren, ebenfalls wie die Reichskassenscheine, nicht mehr durch Gold gedeckt, wie es die Mark nach offiziellen Angaben noch blieb. Zunächst war das Volumen der Darlehenskassenscheine auf 1,5 Milliarden Mark gedeckelt, aber es bedurfte keiner großen Phantasie, um vorauszusehen, dass dieser Deckel später durch eine einfache Änderung im Gesetz auch angehoben werden konnte.

      Ein solches System hatte es bereits 1870 im Norddeutschen Bund gegeben, zur Finanzierung des Krieges gegen Frankreich. Und damals war alles gut gegangen. Eine entscheidende Änderung gegenüber 1870 war die Gleichstellung der Darlehenskassenscheine mit den Reichskassenscheinen. Da im Bankgesetz von 1875 in § 17 zu lesen stand, dass die Reichskassenscheine so gut wie Gold waren, sobald sie sich im Besitz der Reichsbank befanden, waren auch die Darlehenskassenscheine in deren Besitz aus juristischer Perspektive nicht mehr von Gold zu unterscheiden.

      Um es anschaulich zu machen: Ein Darlehenskassenschein im Nennwert von 50 Mark, welcher in den Besitz der Reichsbank kam, konnte von dieser genutzt werden, um die dreifache Summe, 150 Mark, an frischem Geld zu emittieren – denn der Darlehenskassenschein im Besitz der Reichsbank hatte den Status von Gold. Mit diesem Geld im Nennwert von 150 Mark konnten beispielsweise Staatsanleihen gekauft werden, die wiederum als Sicherheit für Darlehenskassenscheine dienten. Wenn diese 150 Mark an die Reichsbank gelangten, durfte sie laut Gesetz erneut das Dreifache an Geld ausgeben, diesmal 450 Mark. Und so weiter: ein Mechanismus zur unendlichen Geldvermehrung.

      War das Absicht oder ein Versehen? Ist der administrative Grundstein der Hyperinflation von einem klugen, vorausschauenden Strategen gelegt worden, der dem Reich einen unbeschränkten Zugang zu Geldmitteln in schwerer Zeit verschaffen wollte? Oder handelt es sich nur um ein schlecht gemachtes Gesetz, um ein bürokratisches Versehen, das der Mark den goldenen Boden unter den Füßen wegzog? Wer formulierte im August 1914, als Europa in den Abgrund starrte, das Darlehenskassengesetz? Ist wirklich niemandem im Finanzministerium oder im Reichstag die Merkwürdigkeit aufgefallen, dass nicht einmal Anleihen der Bundesstaaten zur Deckung der Währung taugten, wohl aber die offensichtlich minderwertigen Darlehenskassenscheine? Wusste der zuständige Finanzstaatssekretär Hermann Kühn davon, ein braver, blasser Jurist, der kaum Spuren in den Geschichtsbüchern hinterlassen hat? Wer auch immer das Darlehenskassengesetz formuliert hat, ein harmloser Beamter oder der arglose Minister oder ein trickreicher Experte in spekulativer Staatsfinanzierung, er hat das Fundament für die Große Inflation gelegt. Er ist, das lässt sich mit kalkulierter Übertreibung sagen, der unbekannte dunkle Held dieser ganzen Geschichte.

      Die Deutschen hatten in diesen ersten Kriegsmonaten andere Sorgen, als sich darüber Gedanken zu machen, in welchem Sinne die verschiedenen Scheine, die sie in ihren Taschen vorfanden, Geld waren. Die Frage Was ist Geld? wird selten gestellt, und das ist meistens auch gut so. Es gehört zur Infrastruktur eines Landes und es ist Zeichen für sein Funktionieren, wenn man sich eben genau darüber nicht den Kopf zerbrechen muss. Sobald wir das Geld in der täglichen Praxis hinterfragen, ist in der Regel etwas faul.

      Dabei lohnt sich die Beschäftigung auf abstrakter Ebene: Geld

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