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Die große Inflation. Georg von Wallwitz
Читать онлайн.Название Die große Inflation
Год выпуска 0
isbn 9783949203152
Автор произведения Georg von Wallwitz
Жанр Языкознание
Издательство Bookwire
Das eröffnete ihm den Zugang zu den höchsten Kreisen in Berlin, bis hinauf zum Kaiser, mit dem er bald ein besonders gutes Verhältnis pflegte. Nichts befeuert den Ehrgeizigen so sehr wie der Erfolg. Helfferichs Ambitionen richteten sich nun immer stärker auf die Politik. Er verfasste 1913, zum silbernen Thronjubiläum von Kaiser Wilhelm II., eine Schrift über Deutschlands Volkswohlstand 1888–1913, eine Lobrede auf das tatsächlich beeindruckende Wachstum in beinahe allen wirtschaftlichen Belangen. Mit Stolz stellte er fest, dass das Nationaleinkommen sich durch den Fleiß der Deutschen seit 1896 verdoppelt hatte und nunmehr größer war als die Wirtschaftsleistung in Frankreich, das sich zu sehr auf seinem hergebrachten Reichtum ausruhte (»Frankreich ist das Land der Rente, Deutschland das Land der Arbeit.«). Er hob hervor, dass Deutschland mehr Eisen und Stahl produzierte als England, sah aber auch, dass die USA in dieser Hinsicht »auf Grund ihrer gewaltigen Vorkommen allen anderen Ländern weit voraus«8 waren. Den Kaiser freute diese Betrachtung, die zweifellos auch als eine Bewerbung für noch höhere Ämter zu lesen war.
Helfferich war bei Ausbruch des Krieges noch immer nicht alt, 42 Jahre, aber was für eine Karriere! Er trug den Professorentitel, war ein angesehener Ökonom, erfolgreicher Diplomat und Vorstand der Deutschen Bank. Im politischökonomischen Establishment Berlins war er zu einer festen Größe gereift, sein Wort hatte Gewicht und seine finanziellen Möglichkeiten suchten ihresgleichen. Er strahlte Energie und Tatendrang aus und verstand es, sich auch in großen Bürokratien durchzusetzen. Und er glaubte an die historische Mission Deutschlands und seiner Monarchie, an die kulturelle, wirtschaftliche, institutionelle und moralische Überlegenheit seines Vaterlandes.9
Helfferichs Berufung zum Finanzstaatssekretär wurde dennoch als Überraschung empfunden. Die Aufgabe war kolossal: Ein Jahr nach Kriegsbeginn, als er seinen Haushalt für das Jahr 1916 vorlegte, war es längst klar, dass dieser Konflikt nicht mit den kurzen und weitgehend schmerzlosen Auseinandersetzungen des 19. Jahrhunderts vergleichbar war. Er würde lange dauern und die Kosten an Menschen und Material immens sein. In seinem Amt schloss Helfferich sich der allgemeinen Auffassung an, dass am Ende des Krieges Deutschland den Verlierern eine gewaltige Rechnung präsentieren würde. Daher legte er ein äußerlich konventionelles Budget vor, in welchem die üblichen Einnahmen und Ausgaben, wie es sie auch in Friedenszeiten gegeben hätte, ausgeglichen waren. Die Kosten des Krieges wurden in einem Sonderhaushalt verbucht, als dessen wesentliche Einnahme die Erlöse aus dem Verkauf von Kriegsanleihen ausgewiesen wurden. Außerordentliche Haushalte hatte es immer wieder gegeben. Prinzipiell waren darin enthaltene Ausgaben nur für Investitionen vorgesehen, die sich in der Vorstellungswelt der Haushaltspolitiker über die Zeit von selbst finanzierten. So sollte es auch mit dem Kriegshaushalt sein, in welchem man den Verlierern gewissermaßen Geld vorstreckte, das sie zurückzahlen würden, wenn man ihnen nach der Kapitulation die Rechnung präsentierte.
Der Posten eines Finanzministers war im Krieg nicht dazu geeignet, seinem Inhaber zu Ruhm und Ehre zu verhelfen. Helfferichs Lage war aber noch ein Stück unbequemer als die seiner europäischen Kollegen. Auf der einen Seite hatte er es mit Generälen zu tun, die sich stets vor dem entscheidenden Durchbruch wähnten und für ihre Männer das nötige Material forderten. Kein Land möchte einen Krieg verlieren, bloß weil an der falschen Stelle gespart wurde. Wer wollte sich mit buchhalterischen Kleinigkeiten aufhalten, wenn draußen die größten Schlachten der Menschheitsgeschichte tobten? Sein Ehrgeiz richtete sich also nicht darauf, als Sparkommissar in die Geschichte einzugehen. Einen Besuch bei der Obersten Heeresleitung nutzte Helfferich daher lediglich dazu, das bisherige Motto »Geld spielt keine Rolle« durch »Wer die Millionen nicht ehrt, ist der Milliarden nicht wert« zu ersetzen. Wer mit solchen launigen Sprüchen vor Hindenburg und Ludendorff auftrat, konnte allerdings nicht viel erwarten. Jedenfalls weder Respekt noch Sparsamkeit.
Auf der anderen Seite sah Helfferich sich mit einem Problem konfrontiert, welches aus der Konstruktion der Bismarck’schen Reichsverfassung resultierte: Die Länder verteidigten hartnäckig ihre Hoheit über die direkten Steuern vor dem Zugriff aus Berlin. Das Reich schulterte gewaltige Ausgaben für den Krieg, hatte aber kaum Zugriff auf die finanziellen Ressourcen des Landes. Es hätte einer großen Verfassungsreform bedurft, um dem Reich und den Ländern jeweils eigene Steuern zuzuweisen, damit sie unabhängig ihre Aufgaben erfüllen konnten. Dafür war nach Helfferichs Auffassung nun aber nicht die Zeit, und ohnehin gab es rühmlichere Aufgaben als die Reform der Finanzverfassung. Also standen den entgrenzten Ausgaben nur tröpfelnde Einnahmen gegenüber, und in Helfferichs Haushalt türmten sich die Schulden.
Das naheliegendste Mittel zur Eindämmung der Staatsschulden wäre die Erhöhung der Steuern, etwa auf Kriegsgewinne, gewesen – wie es in Großbritannien und wenig später in den USA geschah. Die Erlöse in den kriegswichtigen Industrien kletterten in erstaunliche Höhen und sorgten für erhebliche Unruhe in der Bevölkerung, die den Gürtel immer enger schnallen musste. Auf diesem Wege wären hohe Steuereinnahmen zu holen gewesen und die Arbeiterklasse, aus der die Mehrzahl der Soldaten in diesem Krieg stammte, hätte nicht das Gefühl haben müssen, die Lasten wären ungleich verteilt. Während die jungen Arbeiter und Bauern an der Front die größten Opfer brachten, machten sich die Industriellen und die Händler die Taschen voll – so lautete der verbreitete Verdacht. Helfferich entschied sich aber gegen Steuererhöhungen und für die Fiktion einer nur vorübergehenden Finanzierungslücke.
Am 20. August 1915 rechtfertigte er in einer emotionalen Rede im Reichstag seinen Kurs.
»Meine Herren, wie die Dinge liegen, bleibt also vorläufig nur der Weg, die endgültige Regelung der Kriegskosten durch das Mittel des Kredits auf die Zukunft zu schieben, auf den Friedensschluß und auf die Friedenszeit. Und dabei möchte ich auch heute wieder betonen: wenn Gott uns den Sieg verleiht und damit die Möglichkeit, den Frieden nach unseren Bedürfnissen und nach unseren Lebensnotwendigkeiten zu gestalten, dann wollen und dürfen wir neben allem anderen auch die Kostenfrage nicht vergessen;
(lebhafte Zustimmung)
das sind wir der Zukunft unseres Volkes schuldig.
(Sehr wahr!)
Die ganze künftige Lebenshaltung unseres Volkes muß, soweit es irgend möglich ist, von der ungeheuren Bürde befreit bleiben und entlastet werden, die der Krieg anwachsen läßt.
(Sehr wahr!)
Das Bleigewicht der Milliarden haben die Anstifter dieses Krieges verdient;
(sehr richtig!)
sie mögen es durch die Jahrzehnte schleppen, nicht wir.
(Sehr gut!)«10
Der Reichstag lauschte offensichtlich in bester Stimmung den Ausführungen des Finanzministers. Im Anschluss an diese Worte sinnierte Helfferich noch kurz darüber, ob die arg geschwächten Kriegsgegner angesichts ihrer »ungeheuren finanziellen Schwächung«