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Anklang. Ein einziges Mitglied erklärte sich für die Emanzipation, verzichtete aber auf jede Antragstellung.»23 Bereits rund ein Jahrzehnt früher, 1857, hatte ein Neuenburger Grossrat anlässlich der Diskussion über die kantonale Verfassungsrevision kurz das Wahlrecht von Frauen eingebracht, allerdings nur für kirchliche Angelegenheiten und ohne dass die Sache weiterverfolgt worden wäre.24

      Transnationale und transkantonale Vernetzung

      Anlässlich der Vorarbeiten zur Revision der Bundesverfassung von 1872 erfolgten mehrere Interventionen zur rechtlichen Gleichstellung der Frauen im Zivilrecht und auf wirtschaftlicher Ebene, nicht aber zur politischen Gleichstellung.25 Federführend waren die Genferin Marie Goegg-Pouchoulin (1826–1899) und die Bernerin Julie von May (1808–1875).26 Goegg war die Gründerin der ersten feministischen Organisation der Schweiz, der transnational vernetzten Association internationale des femmes (1868). Die Limitation auf das Zivilrecht und auf ökonomische Rechte war taktischer Natur. Wie Goegg 1870 ausführte, zählte der Zugang zu den politischen Rechten schon nur aus Gründen der Gerechtigkeit ebenfalls zu den Zielsetzungen der Association. Denn solange die Frauen nicht am allgemeinen Stimmrecht (suffrage universel) partizipierten, sei der Begriff irreführend. Gefordert wurde das Stimmrecht ferner aus materiellen Gründen: als Mittel zur Veränderung der gesellschaftlichen Verhältnisse.27 Goegg erreichte zwar, dass ab 1872 Frauen der Zugang zur Universität Genf prinzipiell offenstand.28 Doch weder ihre noch von Mays Petitionen und Schriften fanden bei den eidgenössischen Räten das nötige Gehör, um in die neue Bundesverfassung von 1872 respektive in die schliesslich verabschiedete von 1874 einzugehen.29 Der Ausbau der Volksrechte ging am weiblichen Geschlecht vorbei. Auch das 1912 in Kraft getretene Schweizer Eherecht war für die Frauen enttäuschend, wurden sie doch weiterhin der Vormundschaft ihres Ehemanns unterstellt.

      Vor der Jahrhundertwende bis 1912: die organisationale und politische Konstruktionsphase

      In der Schweiz ertönte die Frage der Geschlechtergleichstellung erst nach der Wachstumskrise Ende der 1880er-Jahre wieder zaghaft in der Öffentlichkeit. Die Frauenfrage wurde damals zur sozialen Frage. Das Studium stand Frauen nun an fast allen Schweizer Universitäten offen. Mit der revidierten Bundesverfassung war der Schulbesuch für alle Kinder obligatorisch geworden und kostenlos. 1882 bildeten die Frauen die Hälfte der Belegschaften in den Fabriken. Auch die Frauen aus der Mittelschicht begannen ins Erwerbsleben einzutreten, sei es am unteren Ende als Angestellte der Post oder am oberen wie Marie Heim-Vögtlin, die 1874 als erste Frau eine Praxis für Gynäkologie eröffnete.

      Das Werden einer Forderung

      Es waren aber vorerst immer noch einzelne, isolierte Stimmen, die sich zu Wort meldeten. Von der restlichen Schweiz unbeachtet, hatten 1892 anlässlich der kantonalen Verfassungsrevision vier Tessiner Grossräte beantragt, das Frauenstimmrecht einzuführen – erfolglos.30 Als erster Intellektueller verteidigte der Lausanner Philosophieprofessor Charles Secrétan (1815–1895) in seiner 1885 publizierten Schrift «Le droit de la femme» mit ähnlicher Argumentation wie Marie Goegg-Pouchoulin die politische Gleichheit. Der Zugang zu den politischen Rechten würde den Frauen ermöglichen, ihre Interessen zu verteidigen und mache die Frau erst zur juristischen Person. Am 1. Januar 1887 forderte die Bündner Aristokratin Meta von Salis (1855–1929) in einer Zeitung der Demokraten, der Züricher Post, das Frauenstimmrecht aus Gerechtigkeitsgründen. Wie neu und provokatorisch das Anliegen damals tönte, zeigt der Titel «Ketzerische Neujahrsgedanken einer Frau» sowie der redaktionelle Kommentar, dass es sich um eine Zuschrift handle und man diese aus Gründen der Meinungsfreiheit veröffentliche.31 Von Salis erfuhr aber bald, dass es Wege gab, unliebsame Frauen mundtot zu machen. Für ihre Stellungnahme für die Ärztin Caroline Farner wurde sie wegen Ehrverletzung angeklagt, worauf sie sich aus dem öffentlichen Leben zurückzog. Anders Emilie Kempin-Spyri (1853–1901), die erste Juristin der Schweiz und im deutschsprachigen Raum: Sie gründete in Zürich 1893 die Zeitschrift Frauenrecht und den progressiven Frauenrechtsschutzverein. Nach Abschluss ihres Studiums 1887 war sie wegen ihres fehlenden Aktivbürgerrechts nicht zur Advokatur zugelassen worden. Sie reichte beim Bundesgericht Rekurs ein, scheiterte jedoch mit ihrer Klage, wonach Art. 4 BV «Alle Schweizer sind vor dem Gesetze gleich» sich auf die politische Gleichberechtigung der Frauen beziehen liesse.32 Dieser BGE schuf einen folgenreichen Präzedenzfall.33

      Die Forderung des Frauenstimmrechts war Ende des 19. Jahrhunderts noch umstritten, auch international. Selbst der International Council of Women, die erste Frauenorganisation, die sich ab 1888 transnational für die Menschenrechte der Frauen einsetzte, vermied es in den ersten 15 Jahren seiner Existenz, zu den politischen Rechten der Frauen Stellung zu nehmen.34 1899 wurde das Thema sogar kontrovers traktandiert. Das führte zur Spaltung und 1904 zur Gründung der International Woman Suffrage Alliance (IWSA), der Speerspitze des transnationalen Stimmrechtskampfs.

      Der erste Schweizerische Kongress für die Interessen der Frau, der 1896 in Genf stattfand, traktandierte das Frauenstimmrecht noch gar nicht. Mehrere Redner behandelten das Thema gleichwohl. Die beiden Genfer Professoren Louis Wuarin (1846–1927) und Louis Bridel (1852–1913) sprachen sich beide für die Einführung des Frauenstimmrechts aus, allerdings mit jeweiligen Vorbehalten. Wuarin meinte, die Frauen müssten es sich zuerst durch Dienstleistungen an der Allgemeinheit verdienen; Bridel erwartete zwar eine moralische Besserung der Gesellschaft, plädierte aber für ein etappenweises Vorgehen in der Gleichstellungspolitik, beginnend bei der zivilrechtlichen Gleichstellung bis hinauf zur politischen.35 Der Kongress in Genf skizzierte einige der Pfade, die in den folgenden Jahrzehnten beschritten werden sollten: zum einen den meritokratischen Weg über den weiblichen Leistungsbeweis, zum anderen das schrittweise politische Vorgehen. Er zeigt im Übrigen die Rolle transnationaler Vorbilder für den politischen Lernprozess des Schweizer Feminismus auf. Die Organisatorinnen Julie Ryff (1831–1908), Helene von Mülinen (1850–1924), Emma Boos-Jegher (1857–1932), Pauline Chaponnière-Chaix (1850–1934) und Camille Vidart (1854–1930) folgten dem Muster der amerikanischen Feministinnen und ihrem Woman’s Building an der Weltausstellung von Chicago im Jahr 1893, zu deren Anlass diese den Weltkongress der Frauen durchführten. Auch die Schweizerinnen liessen ihren Kongress örtlich und zeitlich mit einem Grossereignis zusammenfallen und profitierten so von der öffentlichen Aufmerksamkeit, welche die Schweizer Landesausstellung generierte. Eduard, der Mann von Emma Boos-Jegher, der die Chicagoer Ausstellung besucht hatte, diente als transatlantischer Ideenübermittler.

      Die Gründung einer nationalen Stimmrechtsorganisation am 28. Januar 1909 ging ebenfalls auf einen internationalen Impuls zurück. Bis dahin existierten einzig kantonale respektive lokale Verbände, beginnend 1905 in den Städten Neuenburg und Olten, 1907 in Genf und Lausanne, gefolgt 1908 von Gruppierungen in den Städten Bern und La Chaux-de-Fonds. In Zürich bestand seit 1893 der Frauenrechtsschutzverein, der 1896 mit dem Schweizerischen Verein für Frauenbildungsreform zur Union für Frauenbestrebungen fusionierte. Erst auf Einladung der Präsidentin der IWSA, Carrie Chapman Catt, an den internationalen Kongress vom Juni 1908 in Amsterdam formierten die Schweizerinnen den gemischtgeschlechtlichen Schweizerischen Verband für Frauenstimmrecht (SVF) mit 765 Mitgliedern.

      In der Schweiz erhob 1897 mit Carl Hilty (1833–1909) erstmals ein gewichtiger Vertreter der Elite seine Stimme zugunsten des Frauenstimmrechts. In dem von ihm gegründeten «Politischen Jahrbuch der Schweizerischen Eidgenossenschaft» schlug der Professor des Bundesstaatsrechts und Völkerrechts an der Universität Bern, der bald darauf Vertreter der Eidgenossenschaft an der ersten Haager Friedenskonferenz und Mitglied des internationalen Schiedsgerichtshofs in Den Haag war, einen Verfassungsartikel vor, der allerdings den Kantonen die letzte Entscheidung vorbehielt.36 Hilty kritisierte zwar die herrschende Geschlechterordnung klar und deutlich als Machtausübung der Männer, die Frauen lieber ausgeschlossen haben wollten, doch in Bezug auf die politische Taktik blieb er zurückhaltend. Mit seinen föderalistischen Rücksichten legitimierte er ein etappenweises Vorgehen.

      Partielle Rechte oder integrales Stimmrecht?

      Die Forderung

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