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Internationales Privatrecht. Thomas Rauscher
Читать онлайн.Название Internationales Privatrecht
Год выпуска 0
isbn 9783811492448
Автор произведения Thomas Rauscher
Жанр Учебная литература
Серия Schwerpunktbereich
Издательство Bookwire
2. Andererseits trägt § 293 ZPO dem Umstand Rechnung, dass ein deutscher Richter nicht den Inhalt jeder in Betracht kommenden fremden Rechtsordnung kennen kann; der Richter darf (und muss von Amts wegen, auch im Streitverfahren der ZPO) Beweis erheben, um das ausländische Recht so zu ermitteln, wie es im Herkunftsstaat angewendet wird; er darf sich insbesondere nicht auf Gesetzestexte beschränken („authentische Anwendung“ fremden Rechts).[111]
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3. In der Praxis wird entweder eine Anfrage nach dem Europäischen Übereinkommen betreffend Auskünfte über ausländisches Recht v. 7.6.1968[112] an die jeweilige zentrale Auskunftsstelle des betreffenden Staates (zumeist das Justizministerium) gestellt oder ein Sachverständigengutachten eines deutschen Hochschullehrers (Rechtsvergleicher) oder eines Instituts für ausländisches Privatrecht eingeholt. Das erste Verfahren, dessen Zeitaufwendigkeit von Land zu Land unterschiedlich ist, eignet sich nur dann, wenn das Gericht – was meist ein rechtsvergleichendes Grundverständnis erfordert – aus dem Sachverhalt die relevanten Rechtsfragen herausarbeiten kann.
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Erkennt das Gericht die Probleme des Falles nicht, was bei strukturellen Systemunterschieden (vgl Rn 143) keineswegs vorwerfbar ist, so hilft nur der Sachverständige. Insgesamt stellt der BGH an dessen rechtsvergleichende Arbeit sehr hohe, wohl realitätsferne Anforderungen, die selbst – bei sinkenden Etats seltene – bestausgestattete deutsche Bibliotheken[113] nicht immer erfüllen können, zumal der BGH auch nicht dokumentierte Praxiskenntnisse fordert.[114] Die Anzahl der auslandsrechtlichen Fälle, die mit Sekundärquellen vom Gericht selbst gelöst werden, dürfte überdies sehr hoch sein.
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4. Das angewendete ausländische Recht ist nicht revisibel. § 545 Abs. 1 ZPO in der seit 1.9.2009 geltenden Fassung beschränkt die revisible Rechtsverletzung zwar nicht mehr ausdrücklich auf „Bundesrecht“, der Gesetzgeber des FGG-RG strebte damit jedoch nicht die Revisibilität ausländischen Rechts an.[115] Die Revision kann also weder auf die fehlerhafte noch auf die nicht vollständige Anwendung ausländischen Rechts gestützt werden. Mit der Revision kann jedoch die verfahrensfehlerhafte Ermittlung ausländischen Rechts gerügt werden; der BGH prüft dann in vollem Umfang nach, ob das ausländische Recht ausreichend ermittelt wurde, selbst wenn dazu implizit dessen Inhalt ermittelt werden muss, zB, um festzustellen, ob ein eventuelles Ermittlungsdefizit streitentscheidend war.[116] Revisibel ist selbstverständlich die falsche Anwendung des deutschen IPR.
Literatur:
Hess/Hübner Die Revisibilität ausländischen Rechts nach der Neufassung des § 545 ZPO, NJW 2009, 3132; Roth Die Revisibilität ausländischen Rechts und die Klugheit des Gesetzes, NJW 2014, 1224; Riehm Vom Gesetz, das klüger ist als seine Verfasser – Zur Revisibilität ausländischen Rechts, JZ 2014, 73.
Teil I IPR: Grundlagen › § 1 Einführung und Abgrenzung › G. Die Funktion von Rechtsvergleichung und materieller Rechtsvereinheitlichung
I. Rechtsvergleichung und IPR
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1. Rechtsvergleichung ist die Wissenschaft von der Erfassung und Vergleichung ausländischer Rechtsordnungen mit dem Ziel der Ausschöpfung von Erkenntnisquellen für die Entwicklung des eigenen und die Anwendung des fremden Rechts. Sie ist im Gegensatz zum IPR kein Bestandteil der Normen einer Rechtsordnung, sondern eine Methode der Rechtsanwendung und der Rechtsentwicklung. Rechtsvergleichung kann die großen Linien von Rechtsordnungen oder auch in Rechtsfamilien bzw Rechtskreisen verwandte Rechte erfassen und dabei Aufschlüsse über die sozialen und wirtschaftlichen Funktionen des Rechts in der Gesellschaft geben („Makrovergleichung“). Sie kann aber auch als Vergleichung einzelner Institutionen in verschiedenen Rechtsordnungen zu konkreten Einzelergebnissen und Modellen für die eigene Rechtsordnung führen („Mikrovergleichung“).
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2. Im Verhältnis zum IPR hat die Rechtsvergleichung zwei grundsätzlich verschiedene Aufgaben.Wie für fast jedes zivilrechtliche Rechtsgebiet kommt der Vergleichung des IPR verschiedener Staaten eine rechtspolitische Bedeutung zu. Wird heute ohnehin kaum ein größeres Gesetzesreformprojekt ohne rechtsvergleichende Vorarbeiten mit dem Ziel der Ermittlung geeigneter Lösungsmodelle betrieben, so ist das IPR wegen seiner am Auslandsbezug orientierten Zielsetzungen für eine solche Vergleichung besonders geeignet. Die legislative Suche nach einheitlichen Anknüpfungsregeln ist besonders hilfreich bei der Suche nach dem internationalen Entscheidungseinklang; wo die Kollisionsnormen einander gleichen, sollten – jedenfalls in der Theorie – die Gerichte dasselbe materielle Recht anwenden und zu gleichen Ergebnissen kommen. Soweit das deutsche IPR nicht kodifiziert ist oder sonst der Auslegung bedarf, nützt auch dem Rechtsanwender die rechtsvergleichende Methode.
ZB wird der Begriff gewöhnlicher Aufenthalt in Normen des deutschen IPR rechtsvergleichend beeinflusst von der Auslegung dieses Begriffs in Haager Übereinkommen und damit auch von ausländischer Rechtsprechung.
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3. Führt die Anwendung des IPR aufgrund einer Verweisung in fremdes materielles Recht, so ist die Rechtsvergleichung (im materiellen Recht) der Schlüssel zum Verständnis der fremden Regelung. Ohne das – in der Wissenschaft aufgearbeitete – Verständnis von Systemunterschieden kann die Praxis den Sinn einer ausländischen Norm und ihre Stellung im Gesamtgefüge oft kaum verstehen.
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Der im Abstraktionsprinzip geschulte deutsche Richter wird schwerlich ohne eine rechtsvergleichende Analyse die Bedeutung von Art. 1376 codice civile verstehen, wonach bei Verträgen, die dingliche Wirkung haben, das Eigentum mit der Einigung übergeht. Diese Norm meint keineswegs einen „dinglichen Vertrag“, wie ihn das deutsche Recht kennt, sondern bezieht sich auf den „schuldrechtlichen Vertrag“, zB den Kaufvertrag, der aber im italienischen Recht zugleich dingliche Wirkungen hat.
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Diese Seite des IPR macht die praktische Befassung mit Fällen mit Auslandsbezug spannend und lehrreich, weil mit dem Verlassen der eigenen Rechtsordnung viele vermeintlich unverrückbare Prinzipien als Dogmen (ausschließlich) des eigenen Rechts erkannt werden. Zugleich ist sie eine immer wieder neue Herausforderung, ein Ringen um das rechte Verständnis und – ganz praktisch – um Erkenntnisquellen, manchmal Suche nach der Orchidee im Bücherwald und manchmal Fahrt in einer Geisterbahn unerklärlicher Rechtssätze.
II. Rechtsvereinheitlichung
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1. Rechtsvereinheitlichung berührt die Behandlung von Fällen mit Auslandsbezug auf zwei Ebenen.
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Die Vereinheitlichung im IPR aufgrund von völkervertraglichen Kollisionsnormen (Rn 93 ff) und die fortschreitende Vereinheitlichung durch EU-Verordnungen (Rn 89 ff) wurde bereits angesprochen. Ergebnis von einheitlichem IPR ist die Behandlung gleicher Sachverhalte nach derselben materiellen Rechtsordnung unabhängig von dem Gerichtsstand in verschiedenen Vertragsstaaten