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und kulturgeschichtliche (Judenverfolgung, Flagellanten- und Geißlerzüge) Auswirkungen; die Folgen waren wesentlich komplexer und führten zu einer veränderten Einstellung zum Tod, was sich ebenfalls in der Konstruktion von neuen Darstellungsformen in den Bildkünsten und Grabmonumenten widerspiegelt, wie in Darstellungen von halbverwesten Personen oder tanzenden Skeletten (z.B. am Grabmal des Kardinal de la Grange).

      Die Vermittlung von Glaubensinhalten war ein zentrales Thema der Kirche und ganz besonders der Bettelorden. Im Laufe des 13. Jahrhunderts bekamen auch einfache Laien immer mehr Zugang zu religiösen Darstellungen und Erlebnissen. Es setzte eine zunehmende Begeisterung für Bilder ein, und es entstanden je nach Andachtszweck oder gesellschaftlicher Gruppe unterschiedliche Bildtypen. Ganz besonders die Franziskaner gebrauchten für ihre Predigtarbeit gerne Bilder und entwickelten auch neue visuelle Ausdrucksmittel. Franz von Assisi ließ z.B. zu Weihnachten 1223 in einem Wald bei Greccio eine Christuskrippe aufstellen, um den Menschen eine lebendige Darstellung von Christi Geburt vorzuführen. Die Wahrnehmung des Göttlichen wird den Menschen damit bildlich vor Augen geführt. Unsichtbares sollte begreiflich und fassbar gemacht werden.

      Die bei der Messe zelebrierte Wandlung von Brot und Wein in den Leib und das Blut Christi wurde im Vierten Laterankonzil 1215 kodifiziert. Dieses Dogma war von zentraler Bedeutung für die christlichen Gläubigen und wurde fortan in der Liturgie immer stärker theatralisch inszeniert sowie in zahlreichen Bilddarstellungen sichtbar gemacht. Die Messe gestaltete sich dank der Rituale, der aus kostbarem Material hergestellten Altargeräte und kirchlichen Gewänder, des Gesangs und Glockenschlages, der kostspieligen Lichtinszenierung durch Kerzen und Glasfenster, des Weihrauch- und Blumenduftes sowie durch Berühren und Verspeisen der Hostie zu einem außergewöhnlichen Ereignis, das alle menschlichen Sinne ansprechen sollte. Zu diesen sinnlichen Inszenierungen der Eucharistiefeier gehörten auch die bildreichen Portalprogramme an den Kathedralen, das Zurschaustellen der Reliquien in kostbaren Behältnissen auf Altären und Bühnen und das Zeigen und Verbergen der großen Bildtafeln gotischer Flügelaltäre.

      Besonderes Interesse an den Universitäten erfuhren die nun in lateinischer Sprache vorliegenden naturwissenschaftlichen Schriften des griechischen Philosophen und Gelehrten Aristoteles (384–322 v. Chr.), vor allem dessen Ausführungen zur Sinneswahrnehmung. Für Aristoteles war der Sehsinn der wichtigste der fünf menschlichen Sinne, denn seiner Auffassung nach konnte Wissen nur durch Wahrnehmung der sichtbaren Welt erworben werden. Die optische Wahrnehmung durch das Auge funktioniert nach Aristoteles, indem der Betrachtungsgegenstand Lichtstrahlen in Form von geraden Linien auf das (menschliche) Auge aussendet

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      (Intromissionstheorie). Fragen nach der optischen Wahrnehmung des Auges und der Geometrie der Optik wurden in wissenschaftlichen Abhandlungen des 13. und 14. Jahrhunderts von bedeutenden Gelehrten der Zeit komplex erörtert, z.B. von Robert Bacon (ca. 1214–1292) oder John Peckham (ca. 1220–1292). Dieses „Modell des Sehens“, wie es in der Gotik verstanden wurde, beeinflusste nicht nur die Vorstellung des Künstlers oder Malers, sondern auch die Art, wie Bilder betrachtet wurden. Die Erfindung und Anwendung optischer Instrumente sind eine Folge davon. Vergrößerungsgläser, wie Lupengläser oder Brillen, hielten im Alltag Einzug und wurden auch auf Bildern festgehalten (z.B. Fresko im Kapitelsaal des Dominikanerklosters in Treviso, ca. um 1350, oder Konrad von Soest, Wildunger Altar, um 1403).

      Die Auseinandersetzung mit den Schriften des Aristoteles dürften einen Wandel in der Betrachtungsweise der Zeitgenossen von deren natürlicher Umgebung gebracht haben. Es lässt sich ein gesteigertes Interesse an der Beschaffenheit der Natur feststellen, was sich in einer akribischen Wiedergabe eines Detailrealismus äußert. Das wissenschaftliche Studium der Dinge und deren Beobachtung wurde zur Grundlage der Darstellung von Lebewesen (Menschen, Tier, Pflanzen) und der Objekte (Architektur, Licht, Schatten, Tag und Nacht). Optische Erfindungen, Sektion und Vivisektion waren wesentliche Voraussetzungen für gelehrte Studien und für künstlerische Tätigkeiten, wie dies z.B. die Kunst am Hofe Kaiser Friedrichs II. zeigt. Sehr prächtige und äußerst detailgetreue Darstellungen von Blattranken, Blumen und Tiergestalten besitzen einen gewissen Naturalismus und sind in dieser Form überreich in der Bauplastik und in Bildwerken zu finden. Allerdings bildeten sich verschiedene Grade der „natürlichen“ Wiedergabe heraus, die nicht unbedingt mit der Realität, wie wir sie empfinden, gleichzusetzen sind, sondern mit dem, was der Künstler (Betrachter, Auftraggeber) sehen konnte bzw. zu zeigen wünschte. So wurde das Attribut, der reife Apfel, detailgetreu dargestellt, während man bei der Wiedergabe des menschlichen Körpers auf schematische Topoi zurückgriff, ihn als Teil der sündigen Welt betrachtend, seinen Rücken von Schlangen, Kröten und Gewürm verzehrt wiedergab (z.B. Fürst der Welt, Straßburg, südliches Westportal, um 1280). (Abb 28)

      Andererseits dürfte auch die demografische Entwicklung nach den Epidemien zu einem anderen Naturverständnis beigetragen haben. Reiche Adelige verließen die engen Städte mit den unhygienischen Lebensbedingungen und siedelten sich in deren Umland an. Tapisserien, Kleinkunstwerk sowie Buch- und Monumentalmalereien greifen immer wieder das Genre Landschaft bzw. Garten auf, wobei es hier nicht um die Wiedergabe unberührter Wälder und Dickichte geht, sondern um eine „schöne“, beherrschte, künstliche Natur. Diese idealen Garten- und Landschaftsbilder kommen der Darstellung des Paradieses sehr nahe, womit hier auch ein christliches (sakrales) Motiv angesprochen wird (z.B. Wandmalereien im Papstpalast von Avignon).

       Literatur zu Kapitel 2, Lebensbedingungen, Vorstellungen und Konzepte der Zeitgenossinnen und Zeitgenossen

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