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Klosterregeln. Im Zuge dieser Anerkennung erhielten die Bettelorden Sonderrechte, die es ihnen erlaubten, in den verschiedenen Pfarrsprengeln zu predigen, die Beichte abzunehmen und das Begräbnis zu zelebrieren.

      Trotz der schwierigen kircheninternen Situation und der Unzufriedenheit der Bevölkerung mit der Amtskirche entfremdeten sich die Menschen nicht von der christlichen Religion selbst. Vermehrt kam es im 13. Jahrhundert zu Klostergründungen. Besonders viele Frauen waren bestrebt, in ein Kloster einzutreten. Die einen ließen das Eheleben hinter sich, andere wurden bereits als Kleinkind dem Kloster anvertraut, denn es galt als etwas Besonderes, ein religiöses (asketisches) Leben zu führen. Der Eintritt ins Kloster war besonders für Frauen teuer; allerdings kostete er nicht mehr als eine ordentliche Mitgift. Viele Familien waren bedacht, zumindest eine Tochter (oder einen Sohn) dem Kloster zu übergeben. Gründe dafür gab es zahlreiche: bessere Lebensbedingungen, die Möglichkeit, sich vermehrtes Wissen aneignen zu können (Bildung), die Chance auf eine gewisse Karriere. Am wichtigsten war aber wohl das hohe Ansehen, das man als religiöse Frau (oder als religiöser Mann) genoss, denn man leistete einen wichtigen geistlichen Dienst an der Familie sowie an der Gesellschaft. Die permanenten Gebete geistlicher Frauen und Männer waren ein wichtiges Instrument zur Erlangung des eigenen Seelenheils und sie dienten dem Gedächtnis an die Lebenden und Toten (Memoria). Die Gebetsleistungen der klösterlichen Gemeinschaft wurden regelrecht von allen sozialen Gruppen „gekauft“.

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      Eine gravierende Veränderung der gesellschaftlichen Lebensformen war die Gründung der Universitäten. Zentren von Wissensvermittlung und mittelalterlicher Gelehrsamkeit waren bislang Schulen an Pfarreien, bei Kathedralen und lange Zeit vor allem in den Klöstern gewesen. Diese Ausbildungsstätten standen Laien und Klerikern nur begrenzt offen. Gelehrt wurde Grammatik, Komputistik (Berechnung des Jahreskalenders), liturgischer Gesang, Bibelstudium, Lesen, Schreiben. Die Schulen standen unter kirchlichem Einfluss; ihre Aufgabe bestand unter anderem in der Heranbildung von Klerikern und qualifizierten Beamten für den Hofdienst. Ab Beginn des 11. Jahrhunderts wurden auch praxisorientierte Themen wie Recht (Pavia) und Medizin (Salerno) unterrichtet. Auf dem Gebiet der Artes liberales und der Theologie erfuhr die Kathedralschule von Paris große Bedeutung. Im 12. Jahrhundert entstanden zahlreiche private Bildungsanstalten, in denen u. a. praktizierende Juristen und Ärzte tätig waren. Diese Institution entzog sich fast vollständig der kirchlichen und weltlichen Kontrolle.

      In Bologna, Paris, Oxford, Cambridge usw. entstand dann um 1200 ein weiterer neuer Typ einer Bildungsinstitution – die Universität. Diese unterschied sich von den (herkömmlichen) Schulen durch die Qualität des Unterrichts, die universelle Geltung der verliehenen Grade und durch den Erwerb kaiserlicher (bzw. königlicher) und päpstlicher Privilegien.

      Wohl waren die einzelnen Universitäten unterschiedlich strukturiert. Es lassen sich aber dennoch grundlegende Gemeinsamkeiten feststellen: Es gab vier Fakultäten: die sieben Artes liberales (sieben freie Künste) als Grundlagenstudium und dann Medizin, Recht und Theologie. Zu den septem artes liberales zählten Grammatik, Rhetorik, Dialektik, Arithmetik, Geometrie, Musik und Astronomie. Den Artes liberales standen die praktischen Künste, Artes mechanicae, also handwerkliche Fertigkeiten, gegenüber. Die einzelnen Disziplinen bildeten jeweils eine geschlossene Fakultät, an deren Spitze der Dekan stand. An Universitäten mit weitem Einzugsbereich, besonders in Bologna und Paris, waren die Studenten nach ihrer Herkunft in nationes zusammengeschlossen.

      Das Universitätsstudium konnten im Prinzip Studenten jeder sozialen oder regionalen Herkunft aufnehmen; mehrheitlich waren es aber Angehörige oder Beauftragte der Oberschicht. Die Päpste, die Könige von Frankreich, England und Kastilien unterstützten die Institutionalisierung der Universitäten, um die Entwicklung von qualitätsvollen Studien und die Ausbildung von hochgebildeten Theologen und Juristen, aber auch Medizinern zu fördern – nicht zuletzt, um selbst von deren Wissen zu profitieren. Grundlage der Lehrinhalte waren zum einen die christliche Lehre, zum anderen antike Wissenschaftstraditionen (wie Donatus, Priscianus, Aristoteles, Galen und Avicenna, das Corpus iuris civilis und das Corpus iuris canonici), ergänzt durch die Schriften der Kirchenväter, arabischer Gelehrsamkeit und der Kommentatoren der frühen Scholastik.

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      Die skizzierten umwelthistorischen, gesellschafts- und kirchenpolitischen Veränderungen hatten Auswirkungen auf Vorstellungen und Handlungsprozesse der damaligen Menschen, aber auch auf Herstellungspraxis der Gebäude, Kunstwerke und Gegenstände und führten zu neuen Bild- und Raumkonzepten. So benötigte man im Zuge der Entwicklung der städtischen Lebensräume neue Versammlungsorte für die Organisation des Gemeinschaftslebens. Es entstanden damit neue Bauaufgaben, wie die Errichtung von Rathäusern, Zunfthäusern oder Hospitälern. Großbaustellen in den Städten waren wichtige Wirtschaftsfaktoren. Die Bauhütte war der zentrale Ort, an dem sich die Handwerker (Baumeister, Steinmetz, Maler, Schmied, Maurer usw.) zusammenfanden, um an dem Bau und seiner Ausstattung zu arbeiten. Damit verlagerte sich die Kunstproduktion seit der Mitte des 13. Jahrhunderts von den Klöstern zu den (berufsmäßigen) Künstlern in die Stadt.

      Auch die Buchproduktion fand nicht mehr in klösterlichen Skriptorien (Schreibstuben) statt, sondern verlagerte sich in die Städte, besonders in jene Zentren, in denen es auch Universitäten gab und wo ein wachsender Bedarf an juridischen, philosophisch-didaktischen sowie medizinischen Schriften gedeckt werden musste. Neben wissenschaftlichen Texten für den Lehrbetrieb und religiösen Büchern für die private Andacht (Psalter, Stundenbuch, Brevier) verbreiteten sich vermehrt auch illustrierte höfische bzw. allegorische Romane.

      Es trat im Laufe des 14. Jahrhunderts eine immer größere Spezialisierung ein. Sowohl das Ansehen als auch die Arbeitsbedingungen der Künstler verbesserten sich. Der Künstler, sei es der Baumeister, Architekt oder der Maler, gewann an Prestige. Die Künstler wurden an die Höfe der Könige und Fürsten gerufen, sie fungierten als wichtige Berater und als Spezialisten und wurden großzügig entlohnt. Zugleich avancierten die in den Städten lebenden Bürger neben dem Landesfürsten, den Stadtherren und dem hohen Klerus zu wichtigen Auftraggebern von Kunstwerken. Das zeigt sich in der Finanzierung der Kirchenbauten (Kathedralen, Pfarr­kirchen, Hospitäler, Rathäuser und Klosterbauten) und den Stiftungen von Bildwerken, aber auch in den durch Schriftquellen überlieferten Berufungskommissionen und Künstlerverträgen für auswärtige Künstler (Baumeister).

      Mit dem Aufkommen der Bettelorden entwickelte sich ein neuer Typ von Klosterbauten, da diese aufgrund ihres Armutsideals auf Wirtschaftsgebäude verzichten konnten. Diese neuen städtischen Ordenshäuser – meist in den Erweiterungsgebieten an den Stadtmauern gelegen – wurden durch Schenkungen oder Spenden von der Bevölkerung für die Ordensbrüder und -schwestern errichtet. Ihre Kirchen waren im Gegensatz zu denen der alten Orden auf eine hohe Besucherfrequenz ausgelegt; dementsprechend orientierte sich ihr Baukonzept auf eine Zweiteilung des Kirchenraumes, um getrennte Bereiche für Laien und Mönche bzw. Nonnen zu schaffen.

      Bautechnische Innovationen, neue Formen und Designs, wissenschaftliche Erkenntnisse sowie gesellschafts- und kirchenpolitische Ereignisse bzw. Konzepte verbreiteten sich nicht nur im Kernland der Gotik, in Frankreich, sondern über dessen Grenzen hinweg. Die Netzwerke funktionierten nicht nur über die herrschaftliche Ebene – die adelige und geistliche Elite (König, Bischof usw.) –, sondern auch über verschiedene andere soziale Gruppen (Kaufleute, Händler, Künstler, Gelehrte und Studenten) sowie über Klostergemeinschaften, wie etwa die Zisterzienser und Bettelorden (Dominikaner und Franziskaner, auch Minoriten genannt).

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      Seit dem 13. Jahrhundert entwickelte sich, wie erwähnt, auch ein berechenbarer Zeitbegriff, der sich in der präzisen und der breiten Bevölkerung zunehmend gegenwärtigen Zeitmessung durch die mechanischen Uhren widerspiegelte. Die deutliche Wahrnehmung der Begrenztheit des menschlichen Daseins, also der irdischen Zeit, förderte aber auch eine starke Betonung der nachirdischen Zeit. Die Beschäftigung mit der eigenen Zukunft bedeutete eine Auseinandersetzung mit dem Tod und dem Tag des Jüngsten Gerichts. Der starke Jenseitsbezug

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