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Zeit wichtige Handelswege und große Umschlagszentren, wie York, Rom, Venedig, Santiago de Compostela, Mainz, Köln usw.

      Bis in die erste Hälfte des 14. Jahrhunderts erreichte das Ausmaß gerodeter Gebiete einen Höchststand. Weiträumige ehemalige Waldflächen wurden jetzt als Acker- und Grünflächen genutzt, was sich, so wird vermutet, schließlich auch auf die klimatische Situation auswirkte. 1313 bis 1318 führten vor allem starke Niederschläge zu Missernten und verheerenden Hungersnöten. Die Preise landwirtschaftlicher Produkte stiegen abrupt an. Menschen, die im Einzugsgebiet von Rhein, Weser, Elbe und Donau lebten, waren 1342 mit den heftigsten Niederschlägen und den stärksten Überschwemmungen zumindest des zweiten nachchristlichen Jahrtausends konfrontiert. Die Veränderung des Ökosystems durch Erosionsprozesse und die geänderten Wasserbilanzen führten bereits gegen Ende des 13. Jahrhunderts zu einer Stagnation der Bevölkerungszunahme. Die Katastrophen des 14. Jahrhunderts kulminierten 1348 bis 1350 in der großen Pestpandemie, in der ein Drittel der europäischen Bevölkerung starb. Vor allem sozial niedrige Schichten waren aufgrund der schlechten hygienischen Bedingungen in den Städten betroffen. Es war schwer, Arbeitspersonal wie Knechte, Mägde oder Bauarbeiter zu bekommen oder grundsätzlich eine Mannschaft zusammenzustellen, was auch die Löhne in die Höhe trieb. Zwischen 1350 und 1500 blieb die Bevölkerung stabil, wuchs also nicht an, was nicht nur durch weitere Seuchen und Ressourcenknappheit an Rohstoffen, Heizmaterial und Nahrungsmitteln zu erklären ist, sondern auch durch späte Heirat, meist erst nach 25 Jahren, und einer relativ hohen Ehelosigkeit von heiratsfähigen Mädchen (10 bis 15 Prozent der Frauen).

      Nicht nur die erwähnten technischen Errungenschaften in den Bereichen Landwirtschaft und Handwerk (Mühle, Pflug, Dreifelderwirtschaft) stellten die Menschen in eine neue Umwelt, auch die Erfindung des Hemmungsmechanismus, der die Anfertigung mechanischer Uhren mit präzisem Glockenschlag zu jeder Stunde ermöglichte, stellte die Zeitwahrnehmung der Zeitgenossinnen und Zeitgenossen auf eine völlig andere Grundlage. Diese neue Art der Zeitmessung ersetzte Sonnen-, Wasser- oder Kerzenuhr und musste lediglich zweimal am Tag nachgestellt werden, um die Genauigkeit sicherzustellen. Der Tag konnte fortan in gleich lange Stunden eingeteilt werden, und im Laufe des 14. und 15. Jahrhunderts wurden öffentliche Uhren an europäischen Kirchtürmen angebracht.

      Die hier nur kurz skizzierten Entwicklungen beeinflussten die Lebensbedingungen des Großteils der mittelalterlichen Menschen; diese waren geprägt von einer geänderten Ressourcenbasis (Ver- und Entsorgung der lebensnotwendigen Güter), unterschiedlich dicht besiedelten Lebensräumen (Stadt und Land), von neuen sozialen Gruppen (Bürger, Patrizier, Stadtherr), aber auch von anderen religiösen Gemeinschaften (Bettelorden, Ketzer). Dichter gewordene Kommunikationswege infolge der neuen Beweglichkeit der Händler, Pilger und Kreuzfahrer erweiterten den Erfahrungshorizont der Menschen erheblich. Besonders Kaufleute, Händler, Handwerker

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      und Künstler knüpften ein weitgespanntes Netz von Beziehungen und förderten den Warenaustausch und den Wissenstransfer, was technische und künstlerische Errungenschaften betraf.

      Die Politik zur Zeit der Gotik war im Wesentlichen bestimmt durch drei Machthaber, die ihre Position und Bedeutung immer wieder neu definierten und verhandelten: erstens den König von Frankreich, zweitens den deutschen König, der zugleich auch den Titel des römischen Kaisers beanspruchte, und schließlich den Papst.

      War die territoriale Macht des französischen Königs im 12. Jahrhundert besonders durch die Konflikte mit den Fürsten und dem normannischen England, zu dem auch weite Gebiete des Festlandes gehörten, eher beschränkt, änderte sich diese Situation im 13. Jahrhundert mit der Rückgewinnung der Westküste und der Normandie sowie der Ausweitung nach Süden bis hin zum Mittelmeer. Frankreich entwickelte sich zu einer zentral gelenkten stabilen Monarchie.

      Das Heilige Römische Reich erstreckte sich theoretisch von Sizilien über weite Teile Italiens bis an die Nord- und Ostsee. Es war im Westen vom Königreich Frankreich (etwa am Flussverlauf der Maas und der Saône) und im Osten von den Königreichen Polen und Ungarn begrenzt. Der deutsche König bzw. römische Kaiser, gewählt von den Reichsfürsten (später sieben Kurfürsten), hielt dieses in zahlreiche Territorien unterteilte Gebilde zusammen. Die einzelnen Herzöge, Fürsten, Bischöfe, aber auch die italischen Städte (italienische Stadtstaaten) errangen im Laufe der Zeit unterschiedliche, mehr oder minder autonome Machtbefugnisse, was zu zahlreichen Konflikten führte. Der Süden Europas hingegen, insbesondere die Ibe­rische Halbinsel, wurde vom arabischen Einfluss dominiert, der mit dem Fall Granadas erst im 15. Jahrhundert völlig zurückgedrängt werden konnte.

      Seit der Karolingerzeit existierte in Europa (mit Ausnahme der Iberischen Halbinsel) ein festes kirchenpolitisches hierarchisches System mit dem Papst und seinem Sitz in Rom (von 1309 bis 1376 in Avignon), gefolgt von Kardinälen, Erzbischöfen und Bischöfen als Häuptern der kirchlichen Verwaltungsgebiete (Erzdiözesen bzw. deren Suffraganbistümer) sowie deren Unterteilungen, den Pfarreien. Der Pfarrer war für die wichtigsten Bereiche der Seelsorge zuständig, wie Taufe, Beichte, Hochzeit und Begräbnis. Die kirchlichen Hochfeste sollten nur in der eigenen Pfarrkirche besucht werden. Das Leben der Menschen war stark geprägt von kirch­lichen Vorgaben, basierend auf der christlichen Lehre, die durch den Klerus vermittelt wurde.

      Kirchliche Würdenträger erlangten im Laufe des Frühmittelalters große Machtbefugnisse, und dies auch gerade in weltlichen Angelegenheiten, was letztendlich zu großen Konflikten führte, etwa zum Investiturstreit (1077–1122), aus dem das Papsttum allerdings gestärkt hervorging. Diese Situation änderte sich im 13. Jahrhundert. Damals wurde die Position der Kirche, besonders die Durchsetzungsgewalt des Papstes gegenüber der weltlichen Macht, aber auch innerhalb der eigenen kirchlichen Strukturen, schwächer. Das zunehmende Machtstreben der weltlichen Herrscher, besonders des erstarkten französischen Königtums unter dem Herrscherhaus der Kapetinger und dem Hause Valois sowie des römisch-deutschen Kaisers aus den Dynastien der Habsburger, Nassauer, Luxemburger und Wittelsbacher, ließen den Papst unter französischen Einfluss gelangen, was letztendlich im Großen Abendländischen Schisma (1378–1417) gipfelte.

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      Einen wesentlichen Aspekt der mittelalterlichen Gesellschaft bildeten religiöse Gemeinschaften, die in festen Klosterverbänden nach der Regula Benedicti (Benediktiner, Zister­zienser) oder nach der Regel des hl. Augustinus lebten (Priestergemeinschaft). An den zahlreichen Kathedralen und Bischofsitzen wirkte ein Kollegium von Weltgeistlichen (Stift, Domkapitel). Daneben gab es eine Fülle von religiösen Frauenkommunitäten, wie Frauenklöster, adelige Damenstifte, Beginen usw., und Doppelklöster, in denen Männer und Frauen streng getrennt voneinander lebten, organisatorische Abläufe jedoch teilten. Die Priester unter ihnen übernahmen auch die Seelsorge der weiblichen Mitglieder, die Frauen kümmerten sich um Altarwäsche und geist­liche Gewänder.

      Ende des 12. und zu Beginn des 13. Jahrhunderts bereiteten neue religiöse Bewegungen in zahlreichen dicht bevölkerten Gebieten in Süd- und Mitteleuropa den Amtskirchen große Probleme. Häretiker (Katharer, Albigenser) und Wanderprediger hatten großen Zuspruch in der Bevölkerung, die die mehr und mehr „verweltlichte Amtskirche“ und die kirchliche Lehre infrage stellte. Vergebens versuchte man von kirchlicher Seite mit konventionellen Kommunikationsstrategien gegen diese ketzerischen Thesen anzukämpfen, was aber erst grausamen Feldzügen und den Bewegungen von Dominikus von Toulouse (1170–1221) und Franz von Assisi (1181/82–1226) gelang. Besonders die Dominikaner waren extrem gut geschulte Rhetoriker. Sie versuchten durch Predigt in der Sprache der Laien die weniger Gebildeten und Andersgläubigen von der christlichen Lehre zu überzeugen und „zurückzugewinnen“. Sowohl Franziskaner als auch Dominikaner (Bettelorden) gewannen durch ihr engagiertes Auftreten großes Ansehen in der Bevölkerung. Sie waren gut organisiert und vernetzt. Zudem gingen sie auf die Bedürfnisse der einfachen Menschen ein, indem sie sich in den Städten niederließen und zahlreiche seelsorgerische Tätigkeiten übernahmen, die die Pfarrorganisation nicht mehr leisten konnte. Zu den großen Erfolgen des Papsttums im 13. Jahrhundert gehörte vor diesem Hintergrund die Inkorporation

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